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Iranischer DokumentarfilmEine Ehe, die 30 Minuten dauert

Sudabeh Mortezai untersucht die Zeitehe. Ihr Dokumentarfilm "Im Bazar der Geschlechter" zeigt die Doppelmoral der schiitischen Theokratie im Iran.

In der Dokumentation geht es um die Zeitehe im Iran - eine auch Lustehe genannte Praxis. Bild: dpa

Wenn man diesen Film sieht, möchte man ununterbrochen den Kopf schütteln. Über die schiitische Theokratie, ihre Auslegung des Koran, über ihre Widersprüche, ihre Doppelmoral, ihre Scheinheiligkeit, ihren Umgang mit Sex und Sexualität. Wer im Iran "unerlaubt" miteinander ins Bett geht, und das mehrmals, kann dafür gesteinigt werden.

Vielleicht werde man die Strafe demnächst durch den Tod durch den Strang mildern, weiß eine Frauenrechtlerin nicht ohne ironischen Unterton zu berichten. Ihr gegenüber sitzen eine Rat suchende Witwe und eine geschiedene Frau, beide um die vierzig Jahre alt. Dürfen sie noch Sex haben, wann ist der Sex für sie "erlaubt"?

In ihrem Dokumentarfilm "Im Bazar der Geschlechter" reflektiert die iranisch-österreichische Filmemacherin Sudabeh Mortezai die ambivalente Rechtsfigur der sogenannten Zeitehe. In einem animierten Vorspann à la "1001 Nacht" erzählt uns eine Off-Stimme von den Gefolgsleuten des Propheten Mohammed, die ihre Ehefrauen zu Hause lassen mussten.

Der Film

Regie: Sudabeh Mortezai.

Dokumentarfilm, Österreich/

Deutschland 2009, 85 Min.

Damit sie während ihrer Pilgerfahrt nach Mekka nicht allzu sehr unter der Abwesenheit ihrer Frauen zu leiden brauchten, dachte sich der weise Prophet eine Ausnahmeregelung aus: Für die Zahlung eines angemessenen "Brautgeldes" durften sich seine Männer dem unehelichen Vergnügen hingeben.

Anhand mehrerer Schicksale schaut sich Sudabeh Mortezai nun in der Gegenwart ihres Geburtslandes um. Sie zeigt, wie die Zeitehe inzwischen von den Geistlichen ausgelegt wird, welche rechtlichen Grenzen sie kennt und wer ihre Nutznießer sind. Mortezais Film gelingt es dabei, dem Zuschauer die Informationen kompakt und abwechslungsreich zu präsentieren.

Die Ajatollahs haben die Gesetze revidiert

Zunächst heftet sich die Kamera an die Fersen eines jungen Mullahs, der eine Videothek aufsucht. Angesichts der Cover fasst er kurz die Geschichten rund um die Zeitehe zusammen. In den Filmen, so erzählt er, gehe es um ältere Witwer, die ihren Lebensabend nicht mehr alleine verbringen müssten. Um geschiedene Männer und Frauen, die ihre Einsamkeit wenigstens unter einem Dach für eine gewisse Zeit miteinander teilen könnten. Die meisten dieser Filme, so erfährt man, sind aus der Perspektive des Mannes gedreht. Ohnehin scheinen vor allem die Männer Nutznießer dieser Sonderregelung zu sein.

Von der Videothek nimmt uns der Mullah mit in die heilige Stadt Qom, zu einem älteren Geistlichen, der einen kurzen geschichtlichen Abriss der Zeitehe liefert: Unter dem Schah war sie genauso wie die Polygamie verboten, die Prostitution jedoch erlaubt.

Nach ihrer Machtübernahme revidierten die Ajatollahs die Gesetze umgehend. Sie untersagten die Prostitution und gestatteten die Zeitehe. Sie gaben damit dem Tauschgeschäft von Geld und Sex letztlich nur einen anderen Namen. Zugleich aber brachten sie diesen Handel unter staatliche Kontrolle. Jede Zeitehe - ob sie nun 30 Minuten oder 99 Jahre dauert - muss bis heute von den Behörden abgesegnet werden. So kontrolliert der iranische Staat mit seinen repressiven Gesetzen auch das Intimleben seiner Bürger.

Natürlich wird die Zeitehe von manchen jungen Menschen als Schlupfloch genutzt, um vor der Ehe zusammenzuleben. Aber vor allem sollen damit junge Männer begünstigt werden, die noch keinen eigenständigen Haushalt finanzieren können, sich in der Zeitehe aber schon einmal "ausprobieren" dürfen. Der junge Mullah im Film erkundigt sich in der Moschee denn auch nach den Rechten der jungen Mädchen. Welche Möglichkeit bleibt ihnen für vorehelichen Sex? Wenn sie noch Jungfrauen seien, so der Geistliche, benötigten sie die Unterschrift des Vaters.

Man lernt in Subadeh Mortezais Dokumentarfilm Frauen kennen, denen auch die Zeitehe keine wirkliche Zweisamkeit beschert. Aufgrund ihrer sozialen Situation werden manche von ihnen in diese Lebensform regelrecht hineingetrieben. So sind geschiedene oder verwitwete Frauen etwa auf die finanzielle Unterstützung durch den Zeitehemann angewiesen. In gewisser Weise entledigt sich der Staat durch die Zeitehe auch seiner sozialen Pflichten, weil er nicht weiter für seine Bürgerinnen aufkommen muss.

Der Film "Im Bazar der Geschlechter" handelt so von der himmelschreienden Doppelmoral der iranischen Sexualpolitik. Und von einer Rechtsfigur, die nur dazu da ist, den weiblichen Teil der Bevölkerung weiter zu entrechten

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14 Kommentare

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  • B
    Boumedienne

    @Resa: es gibt sehr wohl Unterschiede in der täglichen Praxis zwischen Sunniten und Schiiten..dass du das nicht weisst, beweist, dass du keine Ahnung hast,und deshalb genauso wenig qualifiziert bist, zu diesem Kommentar Stellung zu beziehen, wie viele andere hier...

    Pädophilie in der muslimischen Welt weiter verbreitet als in der christlichen Welt ? Woher nimmst du nur solche Aussagen ? Hast du das auf "PI" gelesen oder bei der "NPD" aufgeschnappt ? Lies mal die Zeitungen...in den USA lassen sie ihre Kleinkinder nicht mal mehr am Strand nackig laufen aus Angst vor Pädophilen...dass dieses Phänomen in der muslimischen Welt nicht so verbreitet ist wie hier, hat eine kulturelle Erklärung: während im Westen die Jugend hochstilisiert und extreme Jugend mit extremer Schönheit gleichgesetzt wird, ist es in der muslimischen Welt so, dass du erst ein ganzer Mensch bist, wenn du erwachsen bist, und Jugend mit Dummheit oder Unnützigkeit gleichgesetzt wird. Eine Ehe mit einer jungen Frau einzugehen, hat nichts mit dem zu tun, was wir hier als "pädophil" bezeichnen. In Frankreich konnte die Frau bis 2005 bereits mit 15 Jahren heiraten - willst du etwa sagen, dass Frankreich eine pädophile Gesetzgebung hatte ? Man merkt dir an, dass du im Allgemeinen nicht viel Ahnung hast, und schön nachplapperst,was du so hörst. P.S.: dein Deutsch ist verbesserungswürdig. Daran solltest du arbeiten, bevor du andere Länder schlecht machst.

  • GN
    glaubt nix

    Kann es sein, dass die Frage:

    Zeitehe erlaubt, oder nicht ?

    einen fruchtbaren Nährboden abgibt für die sich ausweitenden Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten in Nah- und Mittelost ?

     

    So, rein lebenspraktisch ?

  • A
    aleksander

    Prost erstmal,

     

    hey Christine, kannst du bitte eine quellenangabe für deine aussage bzgl. der jugendlichen in england nennen?

  • R
    Resa

    @Fatima

    kann dir nur empfehlen einige Zeit im Iran zu leben, kannst ja dann selbst erleben wie du dort als Frau toleriert wirst. Die Viecher auf dem Land haben dort mehr Freiheiten als die Frauen in der Stadt.

    @Boumedienne

    in der Praxis gibt es keine Unterschiede zw. Shiiten und Sunniten, also hörauf den Leuten hier Heuchlerein zu verkaufen.Ich glaube Pädophilie ist in der islamischen Welt mehr verbreitet als in der westlichen.

    Schon mal nachgezählt wie viele minderjährige Mädchen dort zwangsverheiratet werden, oder an dem Pädophilen verkauft werden??? Die Elter der Mädchen kassieren ja das Brautgeld.

  • B
    Boumedienne

    @Abby: "Arabische" Länder ??? Ich glaube, du solltest den Artikel nochmal lesen....das einzige Land, wo die schiitische Auslegung Staatsreligion ist, liegt....nicht in der arabischen Welt! Sorry....

  • C
    Christine

    @Boumedienne:

    Ja aller Anfang ist schwer und da es im islamischen Glauben sovie Freiheit und damit viele Strömungen gibt, fang ich halt einfach mal irgenwo an und irgenwann bin ich dann auch bei den Sunniten.

    @Curt: Du hast recht, wenn ich schon keine Kopftücher trage freue ich mich immer darüber ein kleiner Nebenwiderspruch zu sein. Ach ist das Leben schön

  • B
    Boumedienne

    @Fatima: ich gebe dir völlig Recht. Dieser Artikel ist von Islamophobie nur so durchsetzt. Und da es an dem Konzept der Zeitehe eigentlich nichts auszusetzen gibt - denn dadurch kann Prostitution dort statt finden, wo sie eigentlich verboten ist - holen die Islamophoben wieder mal die "Frauenkeule" raus...als ob die Frauen in Deutschland sooo glücklich wären. Die statistische Lebenserwartung einer Ehe in Westeuropa beträgt...3 Jahre !!! Also, wenn das mal nicht auch eine "Zeitehe" ist, die wir hier haben...

     

    Hört doch einfach mal auf, andere Kulturen durch eure Brille zu betrachten, und kümmert euch um die hiesigen kulturellen Probleme, wie z.B. Pädophilie, Xenophobie und Feminisierung der Männerwelt...

     

    @Christine: die Schiiten repräsentieren nur eine kleine Minderheit in der sog. "muslimischen Welt"...also, die Schiiten zu betrachten, hilft dir im Umgang mit deinen (mehrheitlich) sunnitischen Nachbarn gar nichts...!

  • A
    Abby

    @Fatima

     

    Man darf sich doch wohl als nicht Muslim mal mit dem Leben in den Arabischen Ländern auseinandersetzen. Der Film ist lediglich eine Feststellung, dass es so was gibt.

  • C
    Christine

    Liebe Fatima,

    was schlecht ist sieht halt oft auch schlecht aus. Jetzt wo doch grade Friede, Freude, Eierkuchen herrscht und alle kritische Auseinandersetzung mit dem Islam als rassistisch und aufwieglerisch gilt. Nun frage ich Dich: "Kann man nicht einfach mal akzeptieren, dass in manchen Ländern einige Dinge hinterfragt werden?" In Zeiten, wo islamische Jugendliche in England versuchen Stadtgebiete unter die Scharia zu stellen, darf man sich doch vielleicht auch mal informieren, was das so für einem bedeuten könnte, wenn man da leben wollte. Ja, ich weiß Islam ist Liebe. Aber man kann ja vorher mal kucken, wie sie aussieht, die Liebe.

  • M
    m3t4b0m4n

    Lustig, kein einziger Kommentar unserer Kampf-Emanzen. Nun ja, so eine Frauen-Quote im Iran würde Deutschen Feministinnen hier ja auch herzlich wenig bringen.

  • T
    Tom

    Ein Film von 2009 zwei Jahre später vorgestellt. Interessant allemal - nur verheimlicht die Schreiberin wann und wo man den Film sehen kann. Schade.

  • C
    Curt

    Da sich aber der Iran im anti-imperialistischen Kampf gegen die USA und Israel befindet, wollen wir doch das Zeitehen-Phänomen nicht überthematisieren. Handelt es sich doch um einen momentan zu vernachlässigenden Nebenwiderspruch, nicht wahr?

  • MM
    matthias male

    ein interessantes interview mit der filmemacherin auch hier zu hören:

     

    http://globale-dialoge.o94.at/?page_id=519#DREI

  • F
    Fatima

    Warum kann man nicht einfach die moslemische Kultur im Iran tolerieren? Dieser Film versucht mal wieder den Islam schlecht aussehen zu lassen! Und die taz wird auch immer islamophober. Traurig.