Henryk Broder verlässt Radio Eins: Wickert wirft RBB „Zensur“ vor
Die Debatte um die Antisemitismusvorwürfe gegen Jakob Augstein geht weiter: Henryk Broder verlässt den Sender Radio Eins. Ulrich Wickert wirft dem Sender Zensur vor.
BERLIN taz| Der Streit über die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Jakob Augstein und der Rolle von Henryk M. Broder in dieser Debatte geht weiter. Broder zog inzwischen Konsequenzen: Er kündigte an, nicht mehr als Kolumnist für den RBB-Hörfunksender Radioeins zur Verfügung zu stehen. Der Grund: Am Freitag war anstatt seines wöchentlichen Kommentars ein Experten-Interview zum Antisemitismus-Vorwurf gegen Augstein gesendet worden. Jakob Augstein ist ebenfalls Kolumnist des Senders.
Dieses Verhalten sei illoyal und sachlich durch nichts zu rechtfertigen, schrieb Broder in der Online-Ausgabe der Welt, deren Autor er ist. Seit 1999 war Broder als Kommentator für den Sender tätig. Sein Austritt habe nun den Vorteil, dass er nun auch freitags ausschlafen könne, erklärt Broder. Radioeins-Programmchef Robert Skuppin findet den //www.radioeins.de/themen/multimedia_medien/zum_weggang_von_henryk.html:Vorwurf der „Illoyalität“ nicht nachvollziehbar: „Das Verschieben, oder auch Ausfallen von Themen und Kommentaren aus Aktualität und die Entscheidung darüber, gehören zum normalen Redaktionsalltag“, so Skuppin.
Der ehemalige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert wirft dem RBB in dieser Sache nun „Zensur“ vor. Der Sender habe die Radiokolumne von Broder wegen des Antisemitismus-Vorwurfes gegen den Verleger Jakob Augstein aus dem Programm genommen, behauptete Wickert in einem Kommentar für die Bild am Sonntag.
Befeuert wird die Diskussion noch wegen eines Kommentars des Journalisten Christian Bommarius. „Es spricht für den deutschen Rechtsstaat, dass Henryk M. Broder bis heute frei herumläuft“, schrieb dieser in der Berliner-Zeitung und der Frankfurter Rundschau. Ulf Poschardt, stellvertretender Chefredakteur der Welt am Sonntag, reagierte prompt. „Trostlos, trostloser, Frankfurter Rundschau: Christian Bommarius würde Henryk M. Broder gerne einsperren“, schreibt er auf seiner öffentlichen Facebook-Seite. „Unfassbar, das sowas gedruckt wird. Aber ist ja bald vorbei“, so Poschardt.
Solomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, kritisiert Bommarius Aussage ebenfalls: „Stellen Sie sich das einmal vor! Mit anderen Worten: Wenn er, Bommarius, das Sagen hätte, würde Broder nicht mehr frei herumlaufen in unserem demokratischen Rechtsstaat. In diesem einen Satz zeigt sich, dass hier untergründig Dinge schlummern“, sagte er der FAZ. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, hat den Antisemitismus-Vorwurf gegen den Publizisten Jakob Augstein zurückgewiesen.
Zwar schreibe dieser über Israel „mit dem Fingerspitzengefühl eines Bulldozers“, allerdings gehöre der Verleger nicht auf die Liste der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten, die das Simon Wiesenthal Centrum veröffentlicht hatte, sagte Graumann. Augstein mache in Sachen Israel Stimmung und reitet auf der Welle von Populismus“. Einen „camouflierten Antisemitismus, der sich der Israel-Hetze bedient“ wolle er Augstein aber nicht unterstellen, betonte Graumann.
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte Augstein in seiner jährlichen Liste der schlimmsten Antisemiten auf Platz neun gesetzt. Die jüdische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Los Angeles berief sich in ihrer Beurteilung auf den Kolumnisten Broder. Der Journalist Henryk M. Broder hat seine Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber dem Verleger Jakob Augstein bekräftigt und noch einmal nachgelegt. Das „Lupenreine an Augsteins Antisemitismus“ sei „die absolute Eins-zu-Eins-Übertragung von allem, was früher über die Juden gesagt wurde, auf Israel“, sagte Broder der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Augstein entspreche dem modernen Typus des Antisemiten, welcher der relevante sei.
„Mich interessiert nicht der letzte Holocaust“, sagte Broder, „sondern der mögliche nächste, dem mit Texten wie denen von Augstein der Weg geebnet wird.“ Augstein wiederum sagte der Zeitung über Broder, dieser sei ein „Stalker“. Er sei zwar entzückend, lustig, reizend. „Das Problem ist nur: Er spinnt. Und in diesem Fall hat das Spinnen einen Grad erreicht, wo der Spaß aufhört“, sagte Augstein.
Rabbi Abraham Cooper, stellvertretender Direktor des SWZ, verteidigt die Entscheidung für Augsteins Listenplatz. Der Journalist überschreite die Grenzen der drei „D“ - Doppelmoral, Dämonisierung und Delegitimierung - konsequent, sagte Cooper Zeit online. „Israel kann nicht tun und lassen, was es will, ohne sich der Kritik zu stellen" ebenso erhält ein Journalist keinen Freifahrtschein, nur weil er einen Presseausweis besitzt. Augstein sollte sich bei seinen Lesern und dem jüdischen Volk entschuldigen", fordert Cooper.
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