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Grundeinkommensinitiative in der SchweizMenschenwürdig mit 2.500 Fränkli

Die Schweizer Volksinitiative fürs bedingungslose Grundeinkommen feiert einen ersten Sieg: Freitag werden 126.000 Unterschriften übergeben.

Bedingungsloses Grundeinkommen für alle fordert die Schweizer Initiative. Auch für diese beiden Fußballfans. Bild: dpa

GENF taz | Am Freitag kann die Schweizer „Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE) feiern. Dann sollen in der Hauptstadt Bern 126.000 beglaubigte Unterschriften an die Regierung (Bundesrat) übergeben werden. Lediglich 100.000 Unterschriften, gesammelt binnen 18 Monaten, wären erforderlich gewesen.

Mit der Übergabe beginnt ein voraussichtlich mehrjähriger Abstimmungskampf. Aber: Wie es aussieht, wird die Schweiz per Volksabstimmung spätestens im Frühjahr 2019 als erstes Land der Welt über die Einführung eines BGE entscheiden.

Passend zur Übergabe spendieren die Initiativler ein großes Volksfest auf dem Berner Bundesplatz. Sie fordern, dass folgender Artikel in die Schweizer Verfassung aufgenommen wird: „Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.“

Nach den Vorstellungen der Initianten müsste das BGE, gemessen am derzeitigen Niveau der Einkommen und der Lebenshaltungskosten in der Schweiz, für jeden Erwachsenen bei mindestens 2.500 Franken, also rund 2.085 Euro, monatlich liegen.

Jährlich 200 Milliarden Franken

Wer derzeit zum Beispiel ein Arbeitseinkommen von 5.000 Franken verdient, erhielte künftig 2.500 Franken BGE plus 2.500 Franken Einkommen. Minderjährige sollen 625 Franken erhalten. Das Gesamtvolumen des BGE schätzt die Initiative auf jährlich 200 Milliarden Franken. Davon sollen 70 Milliarden durch bereits bestehende staatliche Transferleistungen bei den Arbeitslosen-, Alters- und Invalidenrenten gedeckt werden.

Der Rest soll durch Abgaben aus den in der Schweiz gezahlten Arbeitseinkommen finanziert werden, die derzeit fast sämtlich die Summe von 2.500 Franken deutlich übersteigen. Der Rest von einigen Milliarden Franken im Jahr, welche nicht in bestehenden Einkommen enthalten sind, soll durch Steuern oder durch Belastung des Staatsetats aufgebracht werden.

Die BGE-Initiative steht im Kontext mit anderen Umverteilungsanliegen. Dazu zählt die „Abzockerinitiative“ gegen Einkommensexesse bei Managern, die bei der Volksabstimmung im März mit großer Mehrheit erfolgreich war. Auch dazu gehören die Volksinitiativen für einen landesweiten Mindestlohn, für die Einführung einer Erbschaftsteuer sowie für die Begrenzung der Einkommen in sämtlichen rund 100.000 Schweizer Unternehmen auf das maximal Zwölffache des niedrigsten Lohns. Über die 1-zu-12-Initiative stimmen die EidgenossInnen am 24. November ab.

Maximale Beratungszeit: Fünfeinhalb Jahre

Mit der Übergabe der Unterschriften für das BGE beginnt die in der Verfassung festgelegte Frist für die Beratungen der Volksinitiative durch die Regierung (Bundesrat), das Parlament (Nationalrat) und die Kammer der 26 Kantone (Ständerat). Theoretisch könnte die Volksabstimmung bereits im nächsten Jahr stattfinden. Doch Regierung oder Parlament werden wahrscheinlich mehr Beratungszeit zur Vorlage eines „moderateren“ Gegenvorschlags beanspruchen. Maximal darf der Beratungsprozess knapp fünfeinhalb Jahre dauern.

Damit auch in Deutschland eines Tages eine Abstimmung über die Einführung eines BGE möglich wird, übergibt die deutsche „Omnibus-Initiative für direkte Demokratie“ den Abgeordneten des Bundestages einen von 100.000 Menschen unterzeichneten Aufruf zur Einführung plebiszitärer Mitbestimmungsrechte – ebenfalls am Freitag.

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12 Kommentare

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  • I
    Ingo

    So sehr ich die direkte Demokratie in der Schweiz schätze, so sehr hoffe ich, dass diese Initiative scheitert.

     

    Das bedingungslose Grundeinkommen ist wirtschaftlicher und sozialer Wahnsinn und wird genau das Gegenteil von dem Bewirken, was seine Befürworter sich erhoffen.

     

    "Wer derzeit zum Beispiel ein Arbeitseinkommen von 5.000 Franken verdient, erhielte künftig 2.500 Franken BGE plus 2.500 Franken Einkommen. "

     

    Das heisst also, dass jemand, der arbeitet keinen Franken mehr bekommt und dafür aber das Grundeinkommen für alle mittragen muß. Das erinnert mich an die Agenda 2010, wo auf einmal alle Arbeitslosen gleich behandelt werden, egal ob sie 30 Jahre gearbeitet haben oder noch nie.

     

    "Der Rest soll durch Abgaben aus den in der Schweiz gezahlten Arbeitseinkommen finanziert werden"

     

    Es ist ein Wahnsinn, Arbeit zu besteuern anstatt Kapitalerträge.

     

    Durch ein allgemeines Grundeinkommen werden entweder die Preise so sehr steigen, dass es letztlich der Kaufkraft des heutigen Hartz4-Satzes entspricht und die Leute arbeiten gehen, um über die Runden zu kommen. Letztlich gewinnt niemand dadurch Freiheit und die Arbeitgeber werden mit Verweis auf das Grundeinkommen die Abschaffung des Kündigungsschutzes fordern, was gegenüber heute ein Rückschritt ist.

     

    Im schlimmsten Falle nehmen zu viele gleich nach der Einführung des Grundeinkommens eine "Auszeit" und die allgemeine Versorgung bricht fast zusammen, was dazu führt, dass eine Arbeitspflicht eingeführt wird. Auch in diesem Fall ist das ähnlich wie Hartz 4 für alle.

  • S
    shoulder

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Grundeinkommen durch eine einfache Umlegung der Staatseinnahmen und Erhöhung der Steuern (somit einer Erhöhung der Staatseinnahmen) langfristig erfolgreich umgesetzt werden kann; die Sichtweisen der BGE-Initiativen erscheinen hier naiv; wie ein Sandkastenspiel im Alternativ-Kinderladen.

    Wie Weinert schrieb, werden sich durch ein BGE nahezu zwangsläufig die Preise erhöhen, da die Arbeitskosten steigen, da zum einen die Lohnsteuern erhöht werden müssen, zum anderen sich viele Menschen dazu entscheiden werden, anstrengende (mitunter eher monotone) Tätigkeiten nicht anzunehmen.

    Neben der hohen Wahrscheinlichkeit einer Hyperinflation wird zudem durch ein nationales BGE die Ausbeutung durch Billigproduktion in anderen Ländern verstärkt; da verstärkt versucht werden wird, durch Importe die Bedarfe abzudecken, um die Preise einigermaßen niedrig zu halten.

    Man bedenke, dass gerade in der Schweiz die Preise schon sehr hoch sind, ganz ohne BGE.

    Eventuell würden auch Schweizer noch stärker als gegenwärtig ausser Lande einkaufen, was aber zu weiteren Instabilitäten führen und die Staatseinnahmen der Schweiz sinken lassen würde.

    So bin ich der Ansicht, ein BGE ist nur durch ein grundsätzliches Umdenken des monetären Systems möglich: Man kann sich, wenn man ein BGE möchte, nicht gleichzeitig auf die Funktionalität der Geldwirtschaft verlassen, da diese auf dem Prinzip der Marktwirtschaft (Angebot von Arbeitskraft überwiegt Nachfrage nach Produkten) basiert.

  • Die Schweiz wird in D immer verniedlicht, weil die D sich generell für zu wichtig nehmen. Während die Nachbarn Italien, Polen, Schweiz tatsächlich immer vermögender werden, häuft D Probleme an, merkt es aber nicht.

     

    Das gilt insbesondere in der weltabgeschiedenen Bundeshauptstadt. In den Grenzgebieten weiß man dagegen Bescheid. Da würde die allermeisten den Euro gerne gegen den Franken eintauschen und Schweizer Staatsbürger sein.

     

    "Fränkli" ist also eine Bezeichnung der lebensfremden und häufig staatskohlealimentieren Lattesäufer, die sich für den Nabel der Welt halten, weil sie im Post-Hipster-Look gepflegt Latte saufen.

  • 9G
    913 (Profil gelöscht)

    Fränkli ist ein pseudo-helvetisches Pejorativum, das in der deutschsprachigen Schweiz im besten Fall als dümmlich, im häufigsten Fall aber als Verhöhnung und damit als beleidigend empfunden wird. Der korrekte Ausdruck an dieser Stelle wäre "Stutz". Dies ist die offizielle informelle Bezeichnung des Schweizer Frankens.

  • C
    carlsson

    ihre Rechnung und meine Erfahrungen bringen mich eher dazu zu sagen: traue keinem der Wirtschaftswissenschaften studiert hat. in einem gebe ich ihnen allerdings recht: der Angst davor, dass dann womöglich niemand mehr einen miesen Job für noch miesere Bezahlung machen will. doch genau darum geht es, wenn man von Selbstbestimmung spricht.

  • J
    joler

    Der soll "Auslandskorrespondent" sein? Fränkli sagt in der Schweiz niemand.

  • W
    Wolfgang

    Zu: @ "THE-PASTOR"

     

    Die "Außenbeziehungen stehen auf einem anderen Papier" = unsinn!

     

    Der Reichtum der deutsch-schweizerisch-französischen Metropolen etc., ist sowohl die Ausbeutung der werktätigen Arbeit in den entwickelten Wirtschafts-Metropolen, als auch der unterbezahlten (nicht bezahlten) werktätigen Arbeit - in den in sozialer Armut und Unterentwicklung gehaltenen Regionen der Welt.

     

    Ein "BGE" würden nicht die deutsche bzw. schweizer Monopolbourgeoisien finanzieren!

     

    Die jeweiligen Bourgeoisien würden ein "BGE" einsetzen, für die weitere Anbindung und Korrumpierung 'ihrer' Bevölkerung, auf Kosten der weiteren (gemeinsamen) Ausbeutung der in Abhängigkeit und Unterwerfung gehaltenen Regionen (Afrikas, Asiens, Mittel- und Südamerikas).

     

    Ein "BGE" im staatsmonopolistisch-imperialistischen Kapitalismus, befördert den modifizierten Faschismus-Nationalismus, zur Unterwerfung anderer Völker und Regionen, analog der erwünschten "Sozialpartnerschaft" zwischen Arbeit und Kapital.

     

    Ein "BGE" im Imperialismus befördert die reale "Arbeiteraristokratie" (- einschließlich Facharbeiter, Angestellten und Beamten für die Gewaltherrschaft der Finanz- und Monopolkapital), - für den staatlichen Gewalt- und Militärapparat und für den Einsatz in den Rohstoff-Regionen etc.

     

    Was die beförderte NS-SA,SS,NSDAP-Massenbewegung im Faschismus für die deutsch-europäische Monopolbourgeoisie war, wäre heute ein "BGE" für die Anbindung der (Kleinbürger-)Bevölkerung an die Interessen der Finanz- und Monopolbourgeoisie in den europäischen Wirtschaftsmetropolen! Für ein "BGE" auf Kosten der anderen werktätigen Völker der Welt, würden sie auch gegen sie in imperialistische Kriege ziehen!

     

    Nicht ein "BGE" ist die Aufgabe, sondern die Überwindung der bestehenden imperialistischen Gesellschaftsordnung - ebenso: wie in der Schweiz, auch in Deutschland!

  • SW
    S. Weinert

    Schaut man sich die nackten Zahlen an... Die gesamten Staatseinnahmen der Schweiz betrugen im Jahr 2010 ca. 191 Mrd Franken. Bleiben - nach Abzug der erwähnten 70 Mrd - noch 121 Mrd für staatliche Leistungen. Wieviel wird man dort tatsächlich wegkürzen können? Ich gehe davon aus, dass die Schweizer nicht vorhaben, das staatliche Schulwesen gegen ein rein privat finanziertes einzutauschen. Auch Strassen, Theater, Universitäten, Krankenhäuser etc. werden sie nicht aufgeben bzw. in private Hände legen wollen. Denn dann würden die 2500 Franken monatlich derart durch die Finger rinnen, dass die Leute letztlich weniger zum Leben haben, als es jetzt der Fall ist.

     

    Gehen wir also davon aus, ein Viertel der Staatsausgaben könnte eingespart werden. Dann liegen insgesamt erst rund 100 Mrd. auf dem Gabentisch. Das bedeutet, die Einkommenssteuer (bislang rund 47 Mrd) müsste sich mehr als verdreifachen, um die Summe von 200 Mrd Franken zu erreichen. Was bleibt dann von einem Einkommen noch übrig? Kaum mehr als das BGE. Wer wird dann noch arbeiten wollen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt und auch noch Recht damit hat, mit seiner Arbeit das Faulenzertum anderer zu finanzieren?

     

    Bleiben also nur zwei mögliche Wege offen: Entweder werden notwendige Arbeiten (die zu schlecht bezahlt werden) nicht mehr ausgeführt, was die Lebensqualität der Schweizer dramatisch absenken würde. Oder die Löhne/Gehälter der Arbeitnehmer werden (bezahlt vom BGE-Geld der Bürger) in schwindelerregende Höhen schnellen, was eine Hyperinflation zur Folge hat. Egal wie, derjenige, der heute wenig Einkommen zur Verfügung hat, wird durch das BGE vermutlich auch keine höhere Kaufkraft erlangen! Was bleibt ist ein guter Rat, den mir ein Prof im Studium mit auf den Weg gegeben hat: "Traue keinem Revolutionär, der nicht Wirtschaftswissenschaften studiert hat!"

  • R
    Reiner

    Menschenwürde gibt es im Kapitalismus und Imperialismus nicht! - Auch nicht in der finanzimperialistischen Schweiz!

     

    Die Rechnung für ein 'BGE' bezahlen die weltweit ausgeplünderten und in Unterentwicklung und Abhängigkeit gehaltenen Menschen in den Regionen der Welt! -

     

    Diese Wahrheit wird von den BGE-Gutmenschen unterschlagen!

     

    Es bedarf der Überwindung und Aufhebung des bestehenden imperialistischen Regimes, durch gesellschaftspolitische revolutionär-emanzipatorische Arbeit, nur dann, im Prozess der revolutionären Emanzipation -- auf der Grundlage des Gemeineigentums an den vorhandenen gesellschaftlichen Produktionsmittel, in der neuen emanzipatorischen Gesellschaftsormation -- der sozial-ökonomisch-ökologischen Gleichheit und Kreislaufwirtschaft -- stellt sich die Frage neu bzw. die Frage ist damit aufgehoben!

     

    Aufwachen, brave Michels! - im ideologischen Dienst der Finanz- und Monopolbourgeoisie. So wie in der Schweiz, so auch in der Deutschland AG

    • T
      The-Pastor
      @Reiner:

      Natürlich profitiert die Schweiz von all der Ungerechtigkeit in der Welt. Und natürlich gehört diese Ungerechtigkeit ausgemerzt.

       

      Aber deshalb die ganze Initiative schlecht reden? Das muss nicht sein. Ich kenne einige der Initiatoren und die denken ähnlich wie Sie. Das BGE ist jedoch ein guter erster Schritt für mehr Gerechtigkeit INNERHALB eines Landes. Die Aussenbeziehungen stehen auf einem anderen Papier.

  • P
    Piefke

    Niemand sagt Fränkli

    • @Piefke:

      Stimmt. Ausser Deutschen, die es nicht besser wissen.