Grüne und Steinbrück: Prinzipienfeste Zurückhaltung

„Echte Verabredungen“ verlangt Katrin Göring-Eckardt vom SPD-Kandidaten. Auch andere Grüne sind nicht übermäßig glücklich mit der Entscheidung.

Kein Traumpaar: Bärbel Höhn und Peer Steinbrück 2004 in Nordrhein-Westfalen. Bild: dpa

BERLIN taz | Zwischen Freitag und Montag liegt für die Grünen ein langer Weg. Als die SPD Ende vergangener Woche Peer Steinbrück ins Rennen schickte, taten sich führende grüne Politiker noch schwer, ihre Sorgen zu verbergen. Zu Wochenbeginn gelingt ihnen das schon besser. Sie wissen: Ihre Partei hat keine Alternative zu einem rot-grünen Lagerwahlkampf.

Niemand zeigt die Verunsicherung unter den Grünen klarer als Bärbel Höhn. Am Samstag erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag noch: „Steinbrück ist sicher nicht unser Wunschpartner.“ Höhn weiß, wovon sie spricht. In Nordrhein-Westfalen arbeitete sie bis 2005 unter dem Ministerpräsidenten Steinbrück als Umweltministerin.

Der rechte Sozialdemokrat ließ den Koalitionspartner immer wieder spüren, dass er lieber mit der FDP regieren würde. Doch schon am Montag zeigt sich Höhn gefasst. Die Grünen könnten sich eine Zusammenarbeit mit dem Ex-Bundesfinanzminister gut vorstellen, sagte sie: „Steinbrück hat ja bereits ein Signal für ein rot-grünes Bündnis gegeben.“

Nach der vorgezogenen Kandidatenkür herrscht bei linken SPDlern und Grünen Unruhe: Welche Inhalte können sie gegenüber dem extrem wirtschaftsfreundlichen Spitzenkandidaten durchbringen?

Prinzipienfest, aber unkonkret

Steinbrück erklärte am Wochenende bereits, er erbitte sich im Wahlkampf „Beinfreiheit“. Anders ausgedrückt: SPD, aber auch Grüne sollen ihn nicht mit Aufforderungen behelligen, sich an Parteibeschlüsse zu halten. Das macht die Situation für die Grünen kompliziert. Die Partei ist in der Opposition programmatisch nach links gerückt.

Um glaubwürdig für Rot-Grün unter einem Kanzler Steinbrück zu werben, darf man ihnen den Linksdrall jedoch nicht anmerken. Aufgeben dürfen sie ihren Kurs aber ebenso wenig, das brächte mitten im Wahlkampf die Partei auf. Deshalb übt sich die Grünen-Führung in Aussagen, die prinzipienfest klingen sollen, ohne allzu konkret zu werden. Die Kandidatin fürs Wahlkampfspitzenduo, Katrin Göring-Eckardt, erklärt: „Mit uns wird es keine Beinfreiheit geben, sondern klare Verabredungen.“ Das Land brauche „eine echte Energiewende und eine andere Industriepolitik“. Auch ein Mindestlohn sei unverzichtbar, erklärte die Vizepräsidentin des Bundestages, ebenso die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes.

Darin sind sich Grüne und SPD sehr nahe. Doch fehlt in dieser Aufzählung die Vermögensabgabe. Die zeitlich befristete Extrabesteuerung von Privatvermögen über einer Million Euro in Höhe von 1,5 Prozent soll dem Staat in zehn Jahren 100 Milliarden Euro einbringen. Ein Riesenprojekt für die Grünen, aber kein Thema für Steinbrück, den der SPD-Bundesvorstand am Montag einstimmig als Spitzenkandidaten nominierte.

Gemeinsam gegen die große Koalition

Besonders problematisch ist daher die Lage für linke Grüne. Sie dürfen weder allzu laut über Steinbrück klagen noch erklären, allein mit dem auch für Wechselwähler attraktiven Finanzexperten hätten die Grünen eine Chance aufs Mitregieren.

Die passende Sprachregelung gab am Wochenende die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, vor. In einem Schreiben an die Parteilinke urteilt sie: „Sowohl für das Ziel eines möglichst starken eigenständigen grünen Ergebnisses als auch für das Ziel der Stimmenmaximierung für Grün plus SPD ist Peer Steinbrück der beste Kandidat, den die SPD hat.“ Dieser habe sich „so klar wie kein anderer Sozialdemokrat gegen eine große Koalition gestellt und sein politisches Schicksal daran geknüpft“.

Steinbrück hatte erklärt, er werde nicht erneut einem Kabinett unter einer Kanzlerin Angela Merkel angehören. So müssen sich ausgerechnet die linken Grünen darüber freuen, dass der größte Grünen-Kritiker der SPD künftig Kanzlerkandidat ist.

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