Griechischer Politiker verklagt „Bild“: Eine Frage des Zeitpunkts
Hat der griechische Vizefinanzminister Geld verschoben – aus Angst vor dem „Grexit“? Das mutmaßte „Bild“. Minister Mardas hat das Blatt nun verklagt.
„Neuer Griechen-Skandal: Verschob Varoufakis-Vize 80.000 Euro nach Luxemburg?“ lautete die Schlagzeile über einem in der Bild-Ausgabe vom 6. Mai 2015 und auf bild.de veröffentlichten Artikel.
Darin wird der Leser schon einleitend darüber in Kenntnis gesetzt, dass „der neue griechische Premier Alexis Tsipras mit seiner Politik EU-weit für immer größeren Frust sorgt“. Selbst „eigene Regierungsmitglieder“ hätten offenbar „das Vertrauen verloren“, stellt Bild fest. Denn: „Ein Vize-Minister soll im März 80.000 Euro von seinen griechischen Konten nach Luxemburg geschafft haben“. Dies habe die Zeitung Thessaloniki gemeldet. Allerdings: Thessaloniki hatte es in ihrer Ausgabe vom 4. Mai tunlichst vermieden, den Namen des ominösen Vize-Ministers im Kabinett Tsipras zu enthüllen.
Doch Bild preschte vor: „Nach BILD-Informationen handelt es sich um Dimitris Mardas (60). Der Top-Politiker ist Stellvertreter von Finanzminister Yanis Varoufakis – also ausgerechnet von dem Minister, der bei den Verhandlungen mit den europäischen Geldgebern immer wieder mauert und damit einen Euro-Austritt Griechenlands (’Grexit‘) riskiert.“
Überdies ließ es sich Bild nicht nehmen, Ursachenforschung für Mardas’ mutmaßlich verwerfliches Gebaren zu betreiben: „Mardas könnte aus diesem Grund sein Geld ins Ausland geschafft haben. In Luxemburg ist das Vermögen vor einem Euro-Austritt sicher. In Griechenland wäre bei einem Grexit und der Rückkehr zur Drachme dagegen ein Teil des Vermögens weg.“
Hohe Wellen in Griechenland
Selbstredend durfte ein großes Foto von Mardas neben dem Artikel nicht fehlen. Die Bild-Unterzeile war obendrein eindeutig formuliert: „Unter Druck: der griechische Vize-Finanzminister Dimitris Mardas (60).“
Besagter Bild-Artikel mit der Namensangabe schlug in Griechenland buchstäblich in Echtzeit hohe Wellen – und Mardas geriet ins Fadenkreuz der dortigen Presse. Und ihr gegenüber rechtfertigt er sich auch, Bild gegenüber jedoch nicht.
Nun hat das Ganze ein juristisches Nachspiel. Mardas, renommierter Wirtschaftsprofessor aus Thessaloniki und seit dem Machtwechsel in Athen Ende Januar stellvertretender Finanzminister im Kabinett Tsipras, hat am vergangenen Freitag Klage gegen die Bild-Zeitung erhoben. Dies gab das Athener Finanzministerium auf seiner offiziellen Homepage bekannt.
Verleumderische Diffamierung
Die besagte Publikation sei „unter anderem anhand der Bestätigung des Geldinstituts Eurobank (eine der führenden griechischen Geschäftsbanken, A. d. Red.) dementiert worden, wonach weder Mardas noch seine Ehefrau nach dem 25. Januar, dem Wahltag in Griechenland, auch nur die geringste Transaktion von Geldern auf irgendeine Geschäftsbank im Ausland in bar oder mit dem Ziel des Kaufs von (Anteilen an) Investmentfonds getätigt“ habe, hieß es dazu erläuternd in der betreffenden Pressemitteilung. Mardas klage wegen Beleidigung seiner Persönlichkeit, verleumderischen Diffamierung und Beschimpfung auf „die Wiederherstellung der Wahrheit, seiner Ehre und seines Ansehens“, hieß es dazu weiter.
Was Mardas unterdessen in griechischen Medien einräumte: Er habe Ende vorigen Jahres, als er noch nicht ein öffentliches Amt bekleidete, „einen kleineren Betrag in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro“ ins Ausland überwiesen. Der betreffende Verwendungszweck laut Mardas: ein bevorstehendes Aufbaustudium seiner Tochter für zwei Jahre zu finanzieren.
In der griechischen Gesetzgebung genießt der Schutz in der Öffentlichkeit stehender Personen vor verleumderischen Medienberichten eine hohe Bedeutung. Es drohen drakonische Geldstrafen – eine Obergrenze existiert nicht. Und: Die Urteile können in Deutschland zwangsvollstreckt werden. Für in Griechenland verhängte Gefängnisstrafen gilt: Sie sind per Rechtshilfeersuchen auch in Deutschland zu verbüßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung