Gesetzentwurf der Großen Koalition: Fracking-Verbot durchbohrt
Die umstrittene Fördermethode soll nun auch oberhalb von 3.000 Metern erprobt werden dürfen. Diesen Kompromiss kritisiert nicht nur die Opposition.
BERLIN taz | Wochenlang hing der Gesetzentwurf im Kanzleramt fest. Doch nun haben sich Union und SPD auf einen Kompromiss geeinigt, wie die umstrittene Erdgas-Fördertechnik in Deutschland künftig geregelt werden soll. Anders als zuvor von den SPD-geführten Ministerien für Umwelt und für Wirtschaft geplant, soll es kein absolutes Verbot von Fracking oberhalb von 3.000 Metern Tiefe geben.
Dieses Verbot bleibe zwar im Grundsatz bestehen, hieß es aus dem Umweltministerium. Aber: „In Ausnahmefällen kann den zuständigen Behörden eine Genehmigung ermöglicht werden, wenn zuvor eine Kommission mehrheitlich die Unbedenklichkeit attestiert hat“, sagte eine Ministeriumssprecherin zur taz. Sie bestätigte damit in Teilen einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel; dieser hatte berichtet, das 3.000-Meter-Verbot solle komplett gestrichen werden.
Die genaue Zusammensetzung der geplanten sechsköpfigen Expertenkommission steht noch nicht fest; nach Angaben aus Regierungskreisen sollen aber sowohl das Fracking-kritische Umweltbundesamt als auch das eher Fracking-freundliche Bundesinstitut für Geowissenschaften und Rohstoffe darin vertreten sein.
Im Gespräch ist zudem eine Beteiligung von Forschungsinstituten der Helmholtz-Gesellschaft. Entschieden werden soll laut Umweltministerium mit Mehrheit, sodass einzelne Kritiker überstimmt werden könnten.
Linke werfen Regierung „Wahlbetrug“ vor
Die Opposition übte scharfe Kritik an den Plänen. Für die Grünen erklärte Fraktionsvize Oliver Krischer, die Regierung plane ein „Fracking-Ermöglichungsgesetz“; Linken-Energieexperte Hubertus Zdebel warf Schwarz-Rot „Wahlbetrug“ vor. Doch auch aus der SPD-Fraktion gibt es Protest: „Eine solche Öffnungsklausel halte ich für falsch“, sagte SPD-Umweltexperte Frank Schwabe der taz. „Und ich glaube nicht, dass es dafür im Bundestag eine Mehrheit geben wird.“
Falls eine Expertenkommission eingeführt werde, dürfe deren Votum keinesfalls verbindlich für die Behörden sein, sagte Schwabe. Nach Auskunft des Umweltministeriums soll die endgültige Entscheidung über eine Genehmigung weiterhin bei den Wasserbehörden der Länder liegen. Aus der Union gibt es aber offenbar die Forderung, dass sich die Behörden an die Einschätzung der Kommission halten müssen.
Beim Fracking werden unter großem Druck Wasser und Chemikalien in die Erde gepresst, um Gas aus Gesteinsschichten zu lösen. Während dieses Verfahren in tief liegendem Sandstein in Niedersachsen in der Vergangenheit schon eingesetzt wurde, ist das aufwendigere Fracking in höher liegendem Tonschiefer in Deutschland bisher nicht erprobt. Kritiker sehen dabei eine Gefahr für das Grundwasser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker