Gerüchte um russische Fußball-Profis: Schwule Fußballer sind nicht schwul
Zwei russische Nationalspieler posten Fotos, die suggerieren, sie seien ein Paar. Nach Beschimpfungen heißt es nun: Alles war nur ein Urlaubsspaß.
MOSKAU taz | Nein, sie sind kein Paar. Aleksandr Kokorin, Stürmer in Diensten von Dynamo Moskau und eines der größten Talente des russischen Fußballs, hat klargestellt, dass er und Pawel Mamajew, Verteidiger von ZSKA Moskau, nicht schwul und in diesem Sinne auch nicht zusammen sind. Urlaubsbilder aus den USA, auf denen sich die beiden als liebendes Paar inszeniert haben und die auf dem Sportportal sport.ru veröffentlicht wurden, haben weltweit für Aufregung gesorgt.
Die einen haben vom mutigen Outing eines Fußballerpaars gesprochen, andere von Beginn an Zweifel an der Männerliebe gehegt. Letzteren hat Kokorin nun in einem Interview mit der Sportzeitung Sowjetskij Sport recht gegeben. Ihre Freundinnen hätten die Bilder geschossen, meinte er und zum engen Verhältnis zu Mamajew: „Er ist für mich wie ein Bruder.“
Nachdem die Kicker um die Jahreswende die scheinbar eindeutigen Fotos ihres gemeinsamen Urlaubs in Miami im Netz selbst veröffentlicht hatten – ein Bild zeigt einen stürmischen Kuss von Kokorin auf die Wange von Mamajew –, wollte die Diskussion in Russlands Internet-Foren über die beiden Stars nicht mehr abbrechen. In ihrer Mehrzahl sind die Kommentare missbilligend und beleidigend.
Immer wieder fällt der Begriff „Pediki“, der Kinderschänder und Homosexuelle in einen Topf wirft. Für den Moskauer Blogger Luka Schuwalow steht das Verhalten der beiden für den fortschreitenden Zerfall der Gattung Homo Sapiens. „Und ich dachte immer, in unserem Fußball spielen nur Männer“, kommentiert User Farchard Belastennij.
„Wohin driftet unsere Welt ab“
Sabina aus Kasan versteht die Welt nicht mehr: „Wohin nur driftet unsere Welt ab. Ich versteh das nicht.“ Und Artjem Ostapenko hat es schon immer gewusst: „Seht euch Kokorin doch an. Sieht er nicht schon aus wie ein Schwuler?“ „Wie ein wildes Tier ist ein schwuler Fußballer“, meint ein anderer. Wohlmeinende Postings sind selten. Immerhin ein User empfiehlt eine Reise nach Schweden: Das sei das nächstgelegene Land, in dem Schwule heiraten könnten.
Doch von Anfang an gab es auch Zweifel. Von einer gezielten Provokation der beiden jungen Männer (21 und 24) war die Rede. Mit ihren Fotos aus Miami ist beiden Sportlern, die den ganz großen Sprung an die Spitze des russischen Fußballs noch nicht geschafft haben, etwas gelungen, wovon ihre Kollegen nur träumen: sie waren zwei Wochen lang Gesprächsthema Nummer eins im russischen Fußball.
Es wurde wild spekuliert. Manch einer vermutete in den Bildern eine dezidierte Kritik am Verhalten eines Teils der Fans des russischen Meisters Zenit St. Petersburg. Die hatten einen Aufruf verfasst, in dem sie den Klub aufgefordert haben, keine schwarzen oder schwulen Fußballer zu verpflichten.
Es passte nur allzu gut ins Bild, dass über einen Transfer von Kokorin nach St. Petersburg spekuliert wurde. Auch diesem Gerücht widersprach Kokorin nun. Auf der ersten Pressekonferenz nach der Winterpause meinte er, dass er bei Dynamo bleiben wolle.
Russlands Schwulen- und Lesben-Szene beobachtete den Fall Kokorin-Mamajew mit Interesse. „Ich will mich nicht dazu äußern, ob zwischen den beiden Fußballern mehr läuft als nur einfach eine Freundschaft“, erklärte Igor Jasin vom „Marsch für Gleichberechtigung“ gegenüber der taz. „Doch interessant an der Sache ist, was anschließend im Internet und den Medien abgelaufen ist. Das ist zwar nicht nur hoffnungslos. Doch es war zu sehen, wie stark die Homophobie im russischen Sport und in Russland überhaupt ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich