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Geheime MilitärforschungSicherheit vor Transparenz

Eine Anfrage an die Regierung zu öffentlich geförderter Militärforschung ergibt - nichts. Das zuständige Ministerium sieht Sicherheitsinteressen gefährdet.

Europas zweitgrößter Rüstungskonzern EADS forscht im Verbund mit der TU München Bild: dpa

BERLIN taz | Woran forschen Hochschulen und Forschungsinstitute im Auftrag des Bundesverteidigungsministerium (BMVg) wollte die Fraktion Die Linke wissen und stellte eine Anfrage an die Bundesregierung. Deren Antwort fiel knapp aus: „Aufgrund der nachteiligen Auswirkungen auf die sicherheitsempfindlichen Belange der Bundeswehr kann dem Wunsch nach einer öffentlich frei zugänglichen Liste mit Forschungsaufträgen des BMVg nicht entsprochen werden“, heißt es in der Antwort, die der taz vorliegt. Im Klartext: Militärische Projekte an öffentlich finanzierten Einrichtungen gehen die Öffentlichkeit nichts an.

Auch die Frage, welche Projekte laufen, aus denen man sowohl zivile als auch militärisch nutzbare Erkenntnisse ziehen kann, oder welche Aufträge an Universitäten ins Ausland vergeben werden, bleibt unbeantwortet. Und gar kein Interesse zeigt die Bundesregierung, woran mit Bundesgeld finanzierte Forschungsinstitute im Auftrag privater Rüstungsfirmen forschen. Man sei in den Aufsichtsgremien vertreten - „nicht allerdings über alle Einzelprojekte“ informiert, heißt es.

An welchen Projekten deutsche Hochschulen im Auftrag des Pentagon forschen, ist dagegen bekannt. Im November veröffentlichten die Süddeutsche Zeitung und der NDR Rechercheergebnisse, wonach die US-Regierung Militärforschung an 22 deutschen Hochschulen im Wert von mindestens 10 Millionen Euro finanziert hat. Die jeweiligen Aufträge hatten die Journalisten in der öffentlich zugänglichen Datenbank www.usaspending.gov recherchiert.

Transparenzgebot wird unterlaufen

Warum die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr schwerer wiegen als die der US-Army, konnte im BMVg und im Bundesforschungsministerium auf Anfrage niemand beantworten.

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Nicole Gohlke, erklärte, mit den Antworten der Bundesregierung werde man sich nicht zufrieden geben und Einsichtnahme in die Liste der Forschungsaufträge aus dem BMVg einfordern. „Weder ist es akzeptabel, dass das für öffentliche Einrichtungen selbstverständliche Transparenzgebot mit dem Verweis auf die „Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik“ unterlaufen wird, noch ist einzusehen, warum sich politische Entscheidungsträger nicht für den Umfang militärischer Forschung an den von ihnen finanzierten Einrichtungen interessieren sollten", sagte Gohlke der taz.

Eines aber geht unmissverständlich aus der Antwort der Bundesregierung hervor: sie hat keine Bedenken militärische Forschung auch an Universitäten zu vergeben, die eine sogenannten Zivilklausel haben, welche genau solche Projekte ausschließen sollte. „Die ethische Bewertung von Drittmittelaufträgen liegt im Verantwortungsbereich des/der jeweiligen Wissenschaftlers/in und der Einrichtungen“, heißt es.

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3 Kommentare

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  • Zu ergänzen wäre noch, daß Nicole Gohlkes eigenes Verständnis von "freier Wissenschaft" sich selbst als höchst defizitär geäußert hat (siehe bereits verlinkten blogeintrag mit ihrem Antwortschreiben), womit sie in der Linkspartei und ihrer näheren außerparlamentarischen Umgebung denn tragischerweise auch nicht alleine ist. Ich gewinne bei immert mehr prominenten Leuten aus dieser politischen Ecke den Eindruck, daß sie am liebsten in Wissenschaft und öffentlicher Diskussion all das verbieten oder zumindest nach Kräften zensieren und blockieren würden, was ihren eigenen politischen Loyalitäten samt Kalte-Kriegs-Feindbildern in die Quere zu kommen droht. Ist es wirklich Aufgabe der TAZ, auf derart unkritische Weise politische Werbung weiterzutragen für Personen, die sich offenkundig nicht an die von ihnen selbst proklamierten Werte halten und offenbar auch nicht verstanden haben, daß es in Politik und Gesellschaft nicht nur um schöne Texte und eindrucksvolle Parolen geht sondern auch um ehrliches und konsequentes Eintreten für die benannten Inhalte? Daß Handeln oder Nicht-Handeln Konsequenzen auch für andere Menschen zeitigt? Wo ist das kritische Hinterfragen politischer Lippenbekenntnisse, wo ein Hören von ebenfalls militarisierungskritischen Gegenstimmen?

  • Nicole Gohlke hat im Praxisfall keinerlei Interesse an einem sich Informieren über "Einzelprojekte" an den Tag gelegt, es geht hier wohl um wenig mehr als um die großen, eindrucksvollen Listen und Zahlen zum publizieren, argumentieren und agitieren im Sinne der Linkspartei. Nicole Gohlke besitzt selbst jetzt offenbar noch die Dreistigkeit und Verantwortungslosigkeit, vom sicheren und wohldotierten Posten aus zu fordern, daß "Studierende, WissenschaftlerInnen und Beschäftigte an Hochschulen" sich "zu Wort melden und den Druck für mehr Transparenz und wirkliche Unabhängigkeit von Lehre und Forschung aufrechthalten" sollten (http://www.critica-online.de/start/newsdetail/zurueck/unsere-uni/artikel/unsere-uni-17-wem-gehoert-die-wissenschaft/), d.h. obwohl sie bereits mehr als deutlich demonstriert hat, daß sie keinerlei Konzept besitzt, wie denn diese Wissenschaftler, Studierende und Beschäftigte im Ernstfall vor negativen Konsequenzen eines solchen Whistleblowing zu schützen wären und sie auch keinen politischen Willen an den Tag gelegt hat, hier- jenseits von Walhkampfversprechen und politischem Klienteldenken - konkret und praktisch tätig zu werden (http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.com.tr/2013/10/antwortschreiben-von-nicole-gohlke.html). Was soll denn mit denjenigen passieren, die sich "zu Wort melden", dadurch möglicherweise berufliche Karriere und gesellschaftliches Ansehen, Familie und Freunde verlieren, sozial ausgestoßen, krankgemobbt und mit juristischen Schikanen überzogen werden? Stellt sich Nicole Gohlke dies als selbstloses Aufopfern für ihre eigenen karrieretechnischen und parteipolitischen Zwecke vor? Von Nicole Gohlkes Seite, das sei hier ausdrücklichst als Warnung an andere Militarisierungsgegner gesagt, haben kritische Wissenschaftler im Zweifelsfall nichts, aber auch gar nichts zu erwarten.

    • @Irma Kreiten:

      Was hat denn Whistleblowing mit dem zu tun, was Gohlke auf critica-online schreibt? Lesen Sie eigentlich auch das, was Sie hier verlinken? Sie hat doch ganz klar den Vorstoß der rot-grünen Landesregierung in NRW unterstützt, der auf mehr Transparenz bei der Drittmittelvergabe abzielt. Ich weiß jetzt nicht genau, wie dies Whistleblowern mehr Schaden sollte.