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Gehaltsverzicht bei Praktiker-KetteUmsatzrückgang und Verluste

Der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker geht es nicht besser. Jetzt wollen die rund 15.000 Beschäftigten durch einen Gehaltsverzicht zur Sanierung beitragen.

„20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“. Praktiker hat sich verrechnet. Bild: dpa

HAMBURG dpa | Die Beschäftigten der angeschlagenen Baumarktkette Praktiker beteiligen sich durch eine fünfprozentige Kürzung der Jahreseinkommen an der Sanierung des Unternehmens. Ein entsprechender Tarifvertrag sei am Freitagabend mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen worden, teilte die Praktiker AG am Samstag in Hamburg mit. Erzielt werden die Einsparungen demnach in erster Linie durch Reduzierung oder Streichung des Weihnachtsgelds sowie tariflicher und betrieblicher Prämien. Monatliche Tarifgehälter seien nicht betroffen.

Zudem gelte im Gegenzug für die Dauer der Laufzeit des Vertrages eine weitgehende Standort- und Beschäftigungssicherung. Durch den Vertrag sollen die Personalkosten in Deutschland von 2012 bis 2014 jährlich um 17,3 Millionen Euro gesenkt werden.

Der neue Vorstandsvorsitzende der Praktiker AG, Armin Burger, bezeichnete den Vertrag als Meilenstein auf dem Weg zur Sanierung und zur Zukunftssicherung des Unternehmens. „Mit ihrem temporären Einkommensverzicht leisten die Beschäftigten der Praktiker AG in Deutschland selbst einen wichtigen Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung“, sagte Burger, der erst seit Mitte des Monats an der Spitze von Praktiker steht. Burger hatte nach heftigen Auseinandersetzungen in Aktionärskreisen zum 15. Oktober Kay Hafner abgelöst, der diese Position interimsweise bekleidet hatte.

Auf die Grundzüge des Sanierungstarifvertrags „über einen temporären Beitrag der Beschäftigten zur Restrukturierung des Konzerns“ hatten sich das Unternehmen und die Gewerkschaft schon im Juli geeinigt. Wegen der über längere Zeit ungesicherten Finanzierung der Restrukturierung des Unternehmens waren die Verhandlungen aber unterbrochen worden. Erst nachdem die Finanzierungsfrage, die zu heftigen Auseinandersetzungen in Aktionärskreisen geführt hatte, geklärt war, konnten die Verhandlungen nun abgeschlossen werden.

Umsatzrückgang um mehr als 10%

Erst am vergangenen Donnerstag hatte Praktiker schlechte Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt. Demnach reduzierte sich der Umsatz gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um mehr als zehn Prozent auf 758 Millionen Euro. Für die ersten neun Monate stand ein Umsatzverlust von 6,5 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zu Buche. Als Quartalsergebnis vor Steuern wies der Konzern ähnlich wie im Vorjahr einen Verlust von gut 32 Millionen Euro aus. Vorstandschef Burger hatte dies mit besonders schwierigen Rahmenbedingungen begründet. Unter anderem hätten die unklaren Zukunftsaussichten die Beziehungen zu Lieferanten und die Warenverfügbarkeit beeinträchtigt.

Praktiker war wegen einer missglückten Rabatt-Strategie („20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“) in die roten Zahlen geraten. Das Unternehmen hat daraufhin mehrfach den Vorstandschef ausgewechselt, die Konzernzentrale aus dem Saarland nach Hamburg verlagert und seine Strategie verändert. Bis zu 120 Praktiker-Märkte sollen nun auf die ertragreichere Konzernmarke Max Bahr umgeflaggt werden. Der Prozess hat gerade erst begonnen, gegenwärtig gibt es in Deutschland 85 Max-Bahr-Märkte und 220 Praktiker-Standorte. Doch auch die Vertriebslinie Max Bahr musste im dritten Quartal einen Umsatzrückgang von knapp fünf Prozent auf 172 Millionen Euro hinnehmen. Sie konnte vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITA) allerdings einen schmalen Gewinn von 2,9 Millionen Euro beisteuern.

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8 Kommentare

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  • W
    wauz

    Der 100% Gehaltsverzicht kommt,

    allerdings nicht freiwillig, sondern wie bei Schlecker auch. Durch die unabwendbare Pleite.

    Praktiker hat nicht erst seit der 20%-Kampagne ein Problem, sondern diese Kampagne war die (schlechte) Antwort auf ein längst bestehendes Absatz- Umsatz- und Gewinnproblem. Wie bei Schlecker ist ein schlechtes Konzept schuld an der Misere, verschuldet von schlechtem Management auf allen Ebenen. Es ist ein Problem des ganzen Metro-Konzerns, bei dem einige hochnäsige Wichtigtuer beratungsresistent und abgehoben von einer Fehlentscheidung zur nächsten Hüpfen. Nur ein selbst erlebtes Beispiel, eben bei Praktiker: der "Zentralist" weigert sich, mit einem Mitarbeiter vom POS (Point of Sale, also mit Kundenkontakt) zu sprechen und mag nurmehr dulden, dass der Disponent (Abteilungsleiter), der den ganzen Tag im Büro sitzt, ihm demütigst die Schuhe leckt. Der wiederum orientiert sich an seinen Obertanen und redet seinerseits ganz gewiss nicht mit dem Mitarbeiter, womit sichergestellt ist, dass Meinung, Wünsche und Interessen der Kunden ganz gewiss nicht beim Management ankommen. Was irgendwie schon blöd ist, ist es doch der Kunde, der das Geld her bringt...

    Bei Metro-C&C-Märkten, MediaMarkt und Saturn ist es nicht anders. Dafür liegt in allen Filialen dieser Firmen wie so eine Art Schweißgeruch der Duft der Unzufriedenheit. Wahrscheinlich nicht nur vom Mitarbeiter...

    Werbung reißt es auf Dauer nicht raus, wenn das Angebot nicht stimmt. Bei Praktiker liegt einfach zu viel Trash rum, durch den man sich als Kunde durchwühlen muss, um die brauchbaren Artikel zu finden. das muss er übrigens ganz alleine tun, denn Praktiker hat so wenig Personal, dass Beratung nicht möglich ist. (Somit geht auch keine 20%ige Personalkürzung!) beratung ist allerdings auch nicht erwünscht, das passt nicht ins Konzept. Praktiker sind als Supermärkte gedacht, in den der Kunde seinen SB-Wagen reinschiebt, voll lädt, zahlt und wieder abhaut. Praktiker-Mitarbeiter, die beraten, kriegen dafür ganz schnell was auf's Dach. In den meisten Fällen geht es allerdings nicht, weil die Fachleute, die beraten könnten, suchen sich einen besseren Job.

    Das Supermarkt-Konzept mit Tendenz zum Discount geht übrigens auch deswegen nicht auf, weil die Läden zu groß, bzw. mit zu vielen Artikeln befüllt sind. Welcher Discounter führt schon über 100.000 Artikel?

    Man könnte aus der Problemlage jetzt Änderungsvorschläge ableiten. Bloß: auf allen möglichen Gebieten gibt es Wettbewerber, die es schon längst besser können und daher gut im Sattel sitzen.

    Lasst Praktiker sterben. Marktbereinigung, heißt sowas auf Kapitalistisch.

  • S
    soli

    Größter Eigner ist mit 8,4 Prozent der Hedge-Fonds Eton Park Capital Management, der systematisch Kapital entzogen hat und Praktiker völlig überschuldet. Alles für die Reichen.

  • KD
    klong dong

    Praktiker wechselt die Werbestrategie, ab jetzt heißt es: 20 % auf Tiernahrung, außer alles.

     

    Das führt zwar zu nichts Gutem, begrenzt aber die aktiven Verluste erstmal. Bis man dann merkt, dass die Werbung auch viel viel Geld kostet. Hui, dascha'n Büx. Tschä und dann ist es für die Schwarzweiss-Maler endgültig zu spät. Und die schöne Geste des Weihnachtsgeldverzichts der Belegschaft als Zuckerl auf der Bilanz hat dann auch nichts gebracht.

     

    Jetzt braucht's einen Sanierungsplan, der vorsieht, mit 20% weniger Personal zu arbeiten. Auch ein sogenannter "Meilenstein" auf dem Weg in die Firmenauflösung, denn zuviele Leute hatten die wirklich nicht.

     

    Wie sagt man so schön unter Investoren in China: Germany is overstored. Ah ja, das könnte ein Hinweis sein. Zu dumm nur, dass daran in Deutschland noch niemand gedacht hat, tz tz tz.

  • IN
    Ihr NameMeier3

    aurorua sagt: "Überall dasselbe, die Bosse bauen Scheiße, die kleinen Zahlen die Zeche"

     

    Wir alle als Verbraucher sind "schuld", denn wir fordern immer mehr Qualität für immer weniger Geld.

     

    Geiz ist Geil.

     

    Aber gleichzeitig über Minilöhne (und schlechte Qualität) zu schimpfen und den bösen Managern die Schuld geben ist wohlfeil und doppelt moralisch.

  • TL
    Tim Leuther

    @Ex Verdi Mitglied

     

    Missmanagement ist immer so einfach gesagt. Missmanagement betreibt immer die Firma, die das schlechteste Management macht. Es muss aber nicht schlecht sein. Einer ist immer am schlechtesten. Eine Sache der Logik. Obi, Hornbach und Co waren eben besser.

  • G
    Gunter

    Wie blöd sind die Angestellten noch ? Gehaltsverzicht, wenn dort sicher keine Spitzenlöhne gezahlt werden ? Warum geht nicht Hornbach pleite, mit seiner Gruselwerbung ? Wer kauft da ein ? Warum gehen die Konsumenten nicht zu Praktiker und kaufen ihren Kram da, ist doch auch ein Dicounter ?

  • EV
    Ex Verdi Mitglied

    Zitat: "Jetzt wollen die rund 15.000 Beschäftigten durch einen Gehaltsverzicht zur Sanierung beitragen."

     

    Schöner kann man es nicht umschreiben, die Angestellten tun doch alles, um die Verluste des Missmanagements der Manager aufzufangen und deren Gewinne zu optimieren. Wirklich Freiwillig ?

     

    In ein paar Wochen dann, tut uns leid .. aber Euer Beitrag hat nicht gereicht .. wärt ihr bereit gewesen auf mehr zu verzichten .. ja dann .. hätte das anders ausgesehen ..

     

    Die Schildkröte an der Baumarktsäge zahlt dann mal wieder die Zeche.

     

    Wünsche Euch Viel Glück Liebe Praktiker Mitarbeiter

  • A
    aurorua

    Überall dasselbe, die Bosse bauen Scheiße, die kleinen Zahlen die Zeche, egal ob Banken, Versicherungen oder Konzerne. Wieviel Millionen tragen die Damen und Herren in den Chefetagen zur Rettung bei? Oder bekommen die Boni weil sie die Gewerkschaften und die, die die Arbeit machen mal wieder verarscht haben?