Gabriel Garcia Márquez gestorben: Tausend Jahre Einsamkeit und Trauer
Er prägte den „magischen Realismus“: Gabriel Garcia Márquez. Mit 87 Jahren ist der Literaturnobelpreisträger gestorben. Kolumbien ordnet drei Tage Staatstrauer an.
MEXIKO-STADT ap/dpa | Der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel Garcia Márquez ist am Donnerstagmittag im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Mexiko-Stadt gestorben. Mit seinem 1967 erschienenen Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ erlangte er Weltruhm; das Buch wurde in 25 Sprachen übersetzt und erreichte eine Auflage von mehr als 50 Millionen Exemplaren. Politiker und Schriftstellerkollegen würdigten sein Werk und seine Verdienste. García Márquez hinterlässt seine Ehefrau Mercedes Barcha und seine Söhne Rodrigo und Gonzalo. Bereits kurz nach der Nachricht vom Tod des Schriftstellers trafen aus der ganzen Welt Beileidsbekundungen in Mexiko ein.
Garcia Márquez galt als der populärste in spanischer Sprache schreibende Autor seit Miguel de Cervantes. Weitere erfolgreiche Romane waren „Chronik eines angekündigten Todes“ und „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“. Seine Bücher machten ihn zum bekanntesten Vertreter des „magischen Realismus“. Mit dem Literaturnobelpreis wurde er 1982 ausgezeichnet.
Zu seinem 87. Geburtstag am 6. März versammelten sich Freunde und Gratulanten vor seinem Haus in einem exklusiven Viertel von Mexiko-Stadt. Garcia Márquez sprach dabei nicht. In seinen letzten Jahren hatte es immer wieder Berichte über Gedächtnisprobleme des Schriftstellers gegeben; eine Diagnose wurde offiziell nicht veröffentlicht.
„Tausend Jahre Einsamkeit und Trauer wegen des Todes des größten Kolumbianers aller Zeiten“, schrieb der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos auf Twitter. „Solidarität und Beileid seiner Frau und seiner Familie. Solche Giganten sterben nie.“ Er kündigte drei Tage Staatstrauer an.
Der Hang zum Scheitern
Wegen einer schweren Lungenentzündung war García Márquez Anfang April rund eine Woche lang in einem Krankenhaus in Mexiko-Stadt behandelt worden. Seine Familie sprach von einer Vorsichtsmaßnahme. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums musste er allerdings auch nach seiner Entlassung noch künstlich beatmet werden.
Garcia-Márquez-Biograf Gerald Martin erklärte, das Buch „Hundert Jahre Einsamkeit“ sei das erste Werk gewesen, in dem die Lateinamerikaner sich selbst, ihre Leidenschaft, ihre Spiritualität und ihren Aberglauben, ihren großen Hang zum Scheitern anerkannt hätten.
„Mit Gabriel Garcia Márquez hat die Welt einen ihrer größten visionären Schriftsteller verloren. Meine Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden“, erklärte US-Präsident Barack Obama. „Im Namen Mexikos bekunde ich meine Trauer über den Tod eines der größten Schriftsteller unserer Zeit: Gabriel Garcia Márquez“, hieß es in einer Erklärung des mexikanischen Präsidenten Enrique Pena Nieto. Seine brasilianische Kollegin Dilma Rousseff erklärte: „Seine einzigartigen Charaktere und sein überschwängliches Lateinamerika bleiben für immer in den Herzen und Erinnerungen seiner Millionen Leser.“
Und der peruanische Autor Mario Vargas Llosa, der einst mit Garcia Márquez im Streit lag, schrieb: „Ein großer Mann ist tot, einer, dessen Werk der Literatur unserer Sprache große Verbreitung und Anerkennung gebracht hat.“ „Man muss schon zu (Charles) Dickens zurückgehen, um einen Schriftsteller mit einer so hohen literarischen Qualität zu finden, der eine so außerordentliche Macht über ganze Bevölkerungen hatte“, sagte der britische Autor Ian McEwan der BBC.
„Reise sicher“
1994 gründete Garcia Márquez die Iberoamerikanische Stiftung für neuen Journalismus, die Ausbildung von Journalisten in Lateinamerika fördert. „Danke, Master Gabo“, twitterte Jaime Abello, der Leiter der Stiftung mit Bezug auf den Kurznamen von Garcia Márquez. „Reise sicher, du lebst in unseren Herzen.“
Garcia Márquez wurde am 6. März 1927 in Aracataca, einer kleinen Stadt an der kolumbianischen Karibikküste geboren. Er war das älteste von elf Kindern von Luisa Santiaga Márquez und Gabriel Elijio Garcia. Kurz nach seiner Geburt ließen ihn seine Eltern bei den Großeltern und zogen in eine andere Stadt, wo sein Vater eine Apotheke eröffnete. Die ersten zehn Jahre seines Lebens wuchs Garcia Márquez deshalb bei den Großeltern auf. Aracataca wurde später zum Vorbild für „Macondo“, die Ortschaft am Fuß der Sierra Nevada, in der „Hundert Jahre Einsamkeit“ spielt.
Bevor er sich der Literatur zuwandte, arbeitete er als Journalist. Auch später kommentierte der bekennende Linke und Freund des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro das Weltgeschehen immer wieder in Zeitungsartikeln.
Seit Jahrzehnten lebte García Márquez in Mexiko-Stadt. Zuletzt war er an seinem Geburtstag Anfang März öffentlich aufgetreten. Vor seinem Haus begrüßte er Fotografen und Journalisten, äußerte sich allerdings nicht. Die Reporter sangen ihm ein Ständchen.
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