Expertenbericht zum Kongo: Hutu-Miliz wird zur Firma
Ein UN-Bericht beschreibt, wie die ruandische FDLR sich neu aufstellt, seit ihre Führer vor Gericht stehen: Handel bringt Geld, um Waffen von der Armee zu kaufen.
Die im Kongo kämpfende ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) hat ihren Zugang zu Finanzierung aus dem Ausland nahezu vollständig verloren. Dies geht aus dem neuesten Expertenbericht der für die Überwachung der gegen bewaffnete Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo zuständigen UN-Sanktionsgruppe hervor, der zu Jahresende veröffentlicht worden ist.
Die FDLR, hervorgegangen aus den 1994 in den Kongo geflohenen Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi und in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen stationiert, sei zwar weiterhin "die militärisch stärkste und politisch bedeutsamste Rebellenorganisation in Kivu", schreiben die UN-Experten. Doch sei die Miliz "von internationalen Unterstützernetzwerken zunehmend abgeschnitten".
Grund sei die Inhaftierung der beiden in Deutschland lebenden FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, die seit Mai in Stuttgart vor Gericht stehen, sowie ihres Kollegen Callixte Mbarushimana, der aber am 23. Dezember vom Internationalen Strafgerichtshof wieder aus der Untersuchungshaft freigelassen wurde. Heute stünden FDLR-Einheiten im Kongo kaum noch mit dem entfernteren Ausland in Verbindung, so der Bericht.
Die nach UN-Schätzung noch 3.000 Mann starke FDLR finanziere sich jetzt stattdessen durch stärkere Beteiligung am innerkongolesischen Handel, vor allem in Gebieten des Goldbergbaus wie im Distrikt Lubero in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu an der ugandischen Grenze. Es gebe dort gute Verdienstmöglichkeiten bei der Versorgung von Bergbaugebieten mit Konsumgütern wie "Alkohol, Kleidung, Mehl, Batterien, Radios, Solaranlagen, Seife". Diese, in Uganda eingekauft, könnten zum fünffachen Einkaufspreis an kongolesische Bergleute verkauft werden.
Ehefrauen von Armeeoffizieren als Mittelsfrau
"Weil die FDLR die Minen auch militärisch kontrolliert, genießen ihre Händler Zugang, Steuerbefreiung und Sicherheitsgarantien", schreiben die Experten. Die Profite seien so hoch, dass "fast alle hochrangigen Kommandanten" darin investierten. Festgelegte Anteile der Profite müssten an die FDLR-Führung abgeführt werden.
Geldeinnahmen sind für die FDLR deswegen besonders wichtig, weil die Miliz ihre Waffen seit Jahren dadurch erhält, dass sie Kongos Regierungssoldaten die Ausrüstung und sogar die Uniformen abkauft. Dieser Umstand, von zahlreichen Zeugen beim laufenden Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess gegen die FDLR-Führung geschildert, wird auch von den UN-Experten bestätigt. "Über 95 Prozent" der Waffen und Munition der FDLR kommen demnach direkt von Kongos Armee. Ehefrauen von Armeeoffizieren, die in Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma leben, seien in diesem Geschäft als Mittelsfrauen tätig - sogar dann, wenn ihre Männer gerade in Kampfhandlungen gegen die Miliz verwickelt sind.
Solche und andere für Kongos Regierung peinliche Details mögen erklären, warum der Bericht erst jetzt veröffentlicht worden wurde, nach den Wahlen im Kongo, obwohl die UN-Experten ihn bereits Mitte Oktober übergaben. Im Zusammenhang mit den Wahlen, das führt der Bericht auch aus, verließ sich Kongos Regierung auf in die Armee integrierte ehemalige Rebellen im Ostkongo, um Stimmen für Präsident Joseph Kabila zu sichern.
Und es heißt, Kongos Regierung habe 60.000 US-Dollar an den mit Sanktionen belegten FDLR-Militärchef Mudacumura gezahlt, als Anreiz für Verhandlungen, die dann allerdings scheiterten. Die Miliz erhielt zudem Geld von der protestantischen Kirche ECC (Église du Christ au Congo) im Ostkongo, Partnerin der Evangelischen Kirche in Deutschland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin