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Entwickler über Spiele und RegelnAlle Gesetze werden gebrochen

Was können Gesetzgeber von Brettspielern lernen? Eine Menge, meint Spiele-Entwickler Casasola Merkle. Ein Gespräch über Filesharing, Florida-Rolf und Grundeinkommen.

Wie im echten Leben: Spieler machen mit, solange es fair bleibt. Bild: iha03 / photocase.com
Michael Brake
Interview von Michael Brake

taz: Herr Casasola Merkle, Sie sind quasi seit 15 Jahren in der Gesetzgebung tätig: Sie schaffen Brettspielwelten und versehen sie mit Regeln. Was muss man dabei beachten?

Dass die Leute sich frei fühlen. Die Spieler begeben sich ja freiwillig in ein System von willkürlichen Regeln, die sie akzeptieren müssen, was erstmal einengt. Es sollte daher möglichst wenige Regeln geben und die müssen möglichst einfach sein – die Spielwelt aber trotzdem sehr vielfältig. Du bietest idealerweise nur einen Handlungsrahmen, der schöne Effekte hat.

Was sind dabei gute Regeln?

Solche, die von den Menschen akzeptiert werden. Die sie verstehen können. Und die sie auf das Ziel hinleiten, das ich mir vorstelle – ohne die Spieler zu zwingen. Schlechte Regeln hingegen sind wie mit dem Vorschlaghammer gemacht. Ein direktes 'Ich sag dir genau, was du zu tun hast' wirkt immer sehr negativ. Es gibt in Spielen deshalb viele Regeln, die indirekt wirken.

Was bedeutet das konkret?

Ich habe zum Beispiel gerade ein Spiel gemacht, bei dem ich möchte, dass sich alle Spieler auf dem Spielbrett ausbreiten und nicht nur in einer Ecke rumknapsen. Jetzt könnte ich als Regel machen: 'Du musst bei jedem Zug, den du machst, in die Mitte ziehen'. Ich mache das aber lieber über Anreize. In der Mitte sind die Rohstoffe günstiger, da kann ich mehr entdecken, da ist auch noch ein Vulkan – das ist spannender.

Bild: Manuel Casasola Merkle
Im Interview: Marcel-André Casasola Merkle

ist Spieleentwickler („Verräter“, „Meuterer“) und Mitbegründer der jährlich stattfindenden Spieleautorentagung. Auf seinem Blog und auf Twitter sucht er immer wieder die Schnittstelle zwischen Spiel und Politik. Auf der Re:publica hielt er den Vortrag „Mächtiger als Merkel: Wie Brettspielentwickler Gesetze machen (würden)“.

Was haben Sie als Spieleentwickler über den Umgang mit diesen Regeln gelernt?

Eine Regel, die man nicht akzeptiert, weil man sie doof oder seltsam findet, die wird nicht eingehalten. Das sieht man aktuell beim Filesharing, wo es einfach noch keine vernünftige Regel gibt, auf die sich alle einigen können – und deswegen wird das aktuelle Gesetz einfach von der Gesellschaft gebrochen.

Aber alle Gesetze werden gebrochen.

Stimmt, auch Regeln, die einsichtig sind, werden von einzelnen Menschen nicht befolgt. Und dann kommen Reaktionen wie: 'Oh Gott, es gibt Florida-Rolf, wir müssen eine neue Regel machen', anstatt zu sagen: 'Okay, natürlich gibt es halt einen, der in Florida Hartz IV bezieht, aber damit können wir leben'. Denn es gibt ja in Gesellschaften immer eine Schwelle, ab der alle bei Verbotenem mitmachen. Solange unerwünschte Nebeneffekte eines Gesetzes aber unter dieser Schwelle sind, hat man eigentlich kein Problem. Mit Grauzonen und Schlupflöchern muss man umgehen können. Und überhaupt spielen die wenigsten Leute Spiele nach den richtigen Regeln.

Die Leute spielen falsch?

Was ist richtig oder falsch? Was am meisten Spaß macht, ist richtig. Aber tatsächlich sind Spiele wie Märchen: Da werden die Regeln mündlich weitergegeben und man spielt halt so, wie man es von seinen Freunden gehört hat. So gesehen spielen die meisten Leute die Spiele falsch. Spiele müssen deswegen robust sein: Wenn sich die Leute nicht an die Regeln halten wollen, sie nicht verstehen oder sie ein wenig ändern, muss es trotzdem funktionieren. Denn ein Gesetz, bei dem alles zusammenbricht, weil ein paar Leute nicht mitmachen – das geht nicht.

Worauf kommt es außer auf Regeln noch an?

Gerechtigkeit. Die Leute können ganz gut damit umgehen, wenn mal jemand zufällig ein Plättchen zieht und was Besseres kriegt, denn die Chance hat jeder. Aber wenn ein Spieler strukturell immer bevorteilt oder benachteiligt wird, etwa, weil er als Erster agieren darf – darauf reagieren die Spieler sehr allergisch. Deswegen versuchen wir solchen Fallen auszuweichen und zu verhindern, dass es zu Verkrustung kommt.

Verkrustung?

Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Angenommen, alle haben die gleichen Regeln, wer aber zuerst beim Vulkan ankommt, der kriegt dadurch so eine Übermacht, dass die Anderen gar nicht mehr mitspielen müssen. Das geht nicht, ist aber bei vielen Spielen so: Sie sind am Anfang reizvoll und laufen dann auseinander, weil ein Spieler einfach zu mächtig geworden ist. Dann macht es den Anderen aber keinen Spaß mehr. Man denke an Monopoly.

Wie verhindert man das?

Solange noch Dynamik und Fluss da ist, kann man auch kleinere Ungerechtigkeiten verschmerzen. Denn die Spieler brauchen immer einen gewissen Sockel an Selbstwirksamkeit. Wenn ich in einem Spiel oder in der Gesellschaft hingegen das Gefühl habe, dass das, was ich tue, keine Auswirkungen hat, dann werde ich einfach frustriert und unproduktiv. Im Grunde kann man das gut mit der Marktwirtschaft vergleichen.

Das klingt jetzt steil.

Nun: Die Marktwirtschaft ist gewissermaßen auch ein Spielsystem. Solange alle ungefähr gleich viel besitzen, macht es Spaß, aber mit der Dauer ist das Einkommen so unterschiedlich verteilt, dass einzelne Teilnehmer einfach keine Lust mehr haben. Bloß müssen die Leute bei der Marktwirtschaft immer weiterspielen, bei einem Brettspiel legen sie hingegen die Schachtel weg. Wir mussten also tatsächlich Marktsysteme erfinden, die funktionieren und Spaß machen. Und auch noch begreiflich sind, also nicht mit 800 Regeln.

Was gibt es da für Möglichkeiten?

Ein wichtiger Schritt war die Trennung vom Geld, das du im Spiel hast, und den Siegpunkten, die du am Ende brauchst, um zu gewinnen. Ursprünglich war es so: Ich bekomme Geld. Das kann ich investieren, um noch mehr Geld zu kriegen. Und wer am Ende das meiste Geld hat, gewinnt. Die Entkopplung hat dazu geführt, dass die Spiele auch für die Leute interessant bleiben, die weiter hinten liegen. Zudem hat man so die Möglichkeit, zu sagen: Jeder kriegt 50 Goldstücke pro Runde. Und wenn ich schlecht investiert habe, kann ich trotzdem noch weiterspielen.

Also praktisch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Genau das! Bei Brettspielen machen wir das seit Jahren. Weil es einfach die Marktteilnehmer im Spiel hält und denen weiter Spaß bereitet.

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4 Kommentare

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  • TS
    Tanaka Seiko

    "Aber das bedingslose Grundeinkommen damit begründen zu wollen, dass Rundenboni in Spielen funktionieren, ist mir dann doch etwas zu "krass"."

     

    Genau DAS ist ja der Unterschied zum heutigen korrupten System. Und sie FUNKTIONIEREN...also warum nicht auch im realen Leben?

     

    Das Problem ist nicht das BGE und dessen Finanzierung, sondern die Banken und DEREN Finanzierung (Zinswirtschaft mit Geld das gar nicht existiert...)

     

    Darf ich die Seite gradido.net empfehlen? Da kann man sich ein BGE abholen, nur mal so zum testen. Das System basiert hier darauf, dass nicht irgendeine Bank das Geld erschafft sondern eben genau der, der das Geld auch bezieht. Dafür gehen jeden Monat 5% des gesamt-Kontos flöten, damit man nicht wieder "einfach so" reich werden kann. Sparen kann man hier, indem man Geld (zinslos!) verleiht...Lebensgeld nennt sich das und wird sozusagen von selbst Finanziert - wenn man das System nur mal einführen würde.

     

    Liebe Grüsse,

    Tanaka Seiko

  • HW
    Henrik Wittenberg

    Arbeitskrise und Grundeinkommen - Neue Regeln für das Gesellschaftsspiel:

    http://www.jooki.de/grundeinkommen/

  • H
    Hübner

    Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)!

     

    Jeder Bürger in Deutschland, der im Besitz der deutschen Staatbürgerschaft ist, keine doppelte Staatsbürgerschaft hat und einen ständigen Hauptwohnsitz in Deutschland nachweist, erhält das “Bedingungslose Grundeinkommen“ von 1.100,00 €.

    Im BGE enthalten, ist ein fester Betrag von 100,00 €, der monatlich an die Gesundheitskasse zu überweisen ist.

    Die Gesundheitskasse ist nur noch eine einzige Kasse für ganz Deutschland.

    Das BGE ist so bemessen, dass die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen, für ein normales Leben, in Würde gesichert und eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben garantiert ist, jedoch keinen Luxus finanziert, der gesondert definiert werden muss.

    Bei der Bemessung wird davon ausgegangen, dass jeder Bürger einer Beschäftigung nachgeht, die die Sonderbedürfnisse, die über das BGE hinaus gehen, abdeckt.

    Dies kann ein Anstellungsverhältnis bei einer Firma bzw. eine selbständige Tätigkeit sein. Jede/r soll damit die freie Wahl haben, sich auf Basis dieses BGE hinaus, entsprechend den Fähigkeiten zu verwirklichen.

    Sonderbedürfnisse wären auch eine zusätzliche Vorsorge für das Rentenalter, was man sich im Alter, zusätzlich zum BGE noch wünscht.

    Bereits erworbene Rentenanrechte vom Staat bleiben davon unberührt, diese werden zusätzlich zum BGE als Sonderzahlung gezahlt.

    Das BGE wird in 2 Lebensabschnitte untergliedert, wie nachfolgend genannt:

    • In den Lebensabschnitt 1: von der Geburt bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres

    • In den Lebensabschnitt 2: ab dem 22. Lebensjahr bis zum Lebensende

    Unter dem Lebensabschnitt 1 ist das BGE niedriger und entsprechend den Grundbedürfnissen der Altersstufen gestaffelt zu bemessen. In diesem BGE ist natürlich auch, wie schon oben angesprochen, ein fester Anteil für die Gesundheitskasse enthalten. Dieser Anteil ist von dem bzw. der Erziehungsberechtigten bis zur Vollendung des 17. Lebensjahres an die Gesundheitskasse monatlich zu entrichten. Ab dem 18. Lebensjahr ist dieser feste Anteil vom, von dem/der Empfänger/in direkt an die Gesundheitskasse zu entrichten. Mit der Zahlung dieses BGE entfallen sämtliche bisherigen Transferleistungen, wie Kindergeld und andere Leistungen, die es derzeitig gibt. Wie setzt sich das monatliche Gesamt-Einkommen zusammen? Bei Schulabgängern die nach der 10. Klasse in die Lehrausbildung wechseln: Das niedrigere BGE + zusätzliches Lehrgeld über eine Firma. Bei Schulabgängern die nach dem Abitur zum Studium mit fest geregelter Studienzeit wechseln: Das niedrigere BGE + Studium-Zuschlag (für den Studenten entfallen die Studiengebühren). Übersteigt das Studium in der fest geregelten Studienzeit die Altersgrenze von 21 Jahren, erhält der Student bzw. die Studentin das volle BGE + Studium-Zuschlag (Der Studium-Zuschlag entfällt bei sogenannten Dauerstudenten, die ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit absolvieren).

    Bei Bürgern im arbeitsfähigen Alter ab dem 22. Lebensjahr, erhalten das BGE + das Einkommen für die Tätigkeit über ein Anstellungsverhältnis oder über eine selbständige Tätigkeit. Altersrentner erhalten das BGE + die zusätzliche Altersabsicherung bzw. die erworbene Rente, die mit Einführung des BGE festzustellen ist und als Sonderzahlung gezahlt wird. Bei der Rente werden keine Abzüge an die Gesundheitskasse mehr vorgenommen, da dies über das BGE geregelt ist, die monatlich abgeführt werden müssen.

    Beispiel: Das BGE wird auf 1.100,-€, inkl. 100,- € (fester Anteil an die Gesundheitskasse ) festgelegt, was der Bürger erhält. Ein Bürger im arbeitsfähigen Alter verdient heute beispielsweise in seiner Anstellung 2.500,- € Gehalt brutto bei einer Firma. Dieser Betrag wird automatisch ein Nettobetrag.

     

    Mit Einführung des BGE sieht die Berechnung des Gesamteinkommens wie folgt aus:

    BGE 1.100,-- €

    + Differenzbetrag vom BGE 1.100,-- € zu Gehalt 2.500,-- € =1.400,-- € (diesen Betrag zahlt die Arbeitgeberfirma nach Einführung des BEG an den Arbeitnehmer)

    Somit ist das Gesamteinkommen im Monat 2.500,-- € netto

    Von diesem Gesamteinkommen führt der Arbeitnehmer 100,-- € an die Gesundheitskasse ab. Somit verbleibt dem Arbeitnehmer ein Netto-Einkommensbetrag von 2.400,-- €.

    Die gleiche Abrechnung gilt für Lohnempfänger, bei denen wird der Differenzbetrag vom BGE zum Gesamt- Brutto- gleich Nettolohn durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer gezahlt.

    Die niedrigeren Gehalts- bzw. Lohnkosten (nur noch Differenzbetrag vom BGE zum festgelegten Gehalt bzw. Lohn auf den jeweils bezogenen Arbeitsplatz) entlasten die Firmen und reduzieren die Herstellungskosten der Produkte in der Firma.

    Im Verkauf werden alle Produkte durch eine vom Staat festgelegte Konsumsteuer beauflagt.

    Die Konsumsteuer ist die einzige Steuer, die nach Einführung des BGE noch existiert.

    Über diese Konsumsteuer werden die Ausgaben des Staates bestritten.

    Alle Produkte sind mit der neuen Konsumsteuer zu versehen.

    Was müssen Arbeitgeber bei Einführung des BGE beachten, um Arbeitnehmer zu finden:

    1. Das Einkommen muss immer über dem BGE liegen und muss für den Arbeitnehmer lukrativ sein.

    2. Die sozialen Verhältnisse müssen bei dem Arbeitgeber entsprechend den gewerkschaftlichen Regeln entsprechen.

    3. Die Arbeitsbedingungen müssen den gewerkschaftlichen Bestimmungen entsprechen.

    4. Vom Arbeitgeber dürfen keine Schwarzarbeiter beschäftigt werden.

    5. Arbeitskräfte die nicht das BGE empfangen dürfen, erhalten vom Arbeitgeber, nur das/den für die Tätigkeit ausgeschriebene/n Differenzgehalt/Differenzlohn, das zum BGE gezahlt wird.

    6. Ein Lehrling sollte nach einer Ausbildung beim Arbeitgeber nach einer Probezeit von weiteren 3 Monaten fest in einer Vollbeschäftigung eingestellt werden.

    7. Der Arbeitnehmer, der sich bei einem Arbeitgeber bewirbt, sollte nach 3 Monaten Probezeit eine Festanstellung in Vollbeschäftigung erhalten.

    8. Bürger mit Behinderung sollen in der Gesellschaft eingegliedert werden und vorrangig einen Arbeitsplatz in Vollbeschäftigung erhalten.

    Welche Vorteile bringt die Einführung des BGE im Inland:

    1. Die Binnenwirtschaft wird durch die Kaufkraft angekurbelt, da die Bürger, die, wie am Anfang beschrieben, die Bedingungen für den Erhalt des BGE erfüllen, das BGE erhalten.

    2. Abbau des Verwaltungsapparates, wie Arbeitsagenturen, ARGEN, Wegfall der vielen Krankenkassen (es ist nur noch eine Gesundheitskasse notwendig, die die Verbindung zu den Medizinischen Einrichtungen unterhält).

    3. Firmen, die Arbeitskräfte benötigen, müssen um ihre Arbeitskräfte werben und ihre Arbeitsplätze lukrativ gestalten, um Arbeitnehmer zu finden.

    4. Wegfall der Zeitarbeits-Vermittlungsfirmen und Umprofilierung dieser Firmen auf die Festanstellungsvermittlung. Diese werden von Arbeitgebern honoriert.

    5. Der Kündigungsschutz wird mit Einführung des BGE gewährt und abgesichert.

    6. Wegfall von Einkommenssteuer-Erklärungen.

    7. Jeder, der mit dem Verkauf von Produkten zu tun hat, ist verpflichtet, eine Konsumsteuer-Abrechnung beim ansässigen Finanzamt zu tätigen. Die Höhe der Konsumsteuer ist durch das Finanzamt in einem Produktkatalog zu erfassen. Ein Einkommenssteuernachweis entfällt hierbei.

  • RT
    Ras Tschubai

    Spieltheorie auf die Ökonomie anzuwenden macht durchaus Sinn. und fürs bedingungslose Grundeinkommen als Weiterentwicklung der bereits existierenden Sozialhilfe alias Hartz4 bin ich auch.

    Aber das bedingslose Grundeinkommen damit begründen zu wollen, dass Rundenboni in Spielen funktionieren, ist mir dann doch etwas zu "krass".

    Wenn er keine bessere Begründung findet, sollte er lieber dagegen argumentieren. Sonst könnten die Fortschrittsfeinde ihn als Paradebeispiel missbrauchen, um das bedingungslose Grundeinkommen lächerlich erscheinen zu lassen...