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Einigung beim ImpfgipfelMerkel verspricht mehr Transparenz

Impfstoffe bleiben im 1. Quartal knapp. Aber die Hersteller sollen nun laufend einen Plan mit Daten zu den erwarteten Lieferungen bereitstellen.

Bis Ende des Sommers soll es ein Impfangebot für alle geben, sagt Kanzlerin Merkel Foto: Sven Hoppe/dpa

Berlin taz | Die Bür­ge­r*in­nen haben wegen zu langsamer Corona-Impfungen gezürnt – die Regierenden wollten Tatkraft beweisen und beriefen ein Gipfeltreffen der wichtigsten Beteiligten ein. Am Montagabend kamen dann die Ergebnisse: „Wir wollen künftig nach bestem Wissen und Gewissen voraussagen, wann wie viel Impfstoff zur Verfügung steht“, versprach Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

„Die Länder haben ein besseres Management der Impftermine für die Bürgerinnen und Bürger angemahnt.“ Da, wo Unsicherheit herrsche, werde die Regierung mit Schätzungen arbeiten, die sie laufend anpasst, wenn neue Informationen zur Verfügung stehen. Die Kanzlerin wiederholte ihr Versprechen, spätestens bis zum Ende des Sommers am 21. September jedem Deutschen ein Impfangebot machen zu können.

An dem Gipfel waren die Bundesregierung, Vorstandsmitglieder der Impfstoffhersteller, die Pharmahersteller und -verbände sowie die EU-Kommission beteiligt. Das Bundesgesundheitsministerium hat nach dem Gipfel auch seine Schätzungen zu verfügbaren Impfdosen öffentlich gemacht. Demnach erhält Deutschland bis Ende März Ampullen der drei bislang zugelassenen Hersteller Biontech, Moderna und AstraZeneca, um rund neun Millionen Menschen die nötigen zwei Spritzen zu setzen. Zusammen mit den Lieferungen aus dem Vorjahr sind dann knapp zehn Millionen Menschen geimpft.

In der Zeit von April bis Juni geht es dann richtig los. Dann kommt genug Impfstoff für weitere 49 Millionen Bundesbürger. Die Gesamtzahl kommt dann bereits den pessimistischeren Schätzungen zur Impfbereitschaft der Deutschen nahe; für die neun Millionen Kinder in Deutschland sind die Präparate ohnehin nicht zugelassen.

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Bis Ende September steigt die Zahl der möglicherweise Geimpften auf 144 Millionen. Das wäre ungefähr zweimal mehr, als es definitiv impfwillige Deutsche gibt. Der schnelle Anstieg liegt auch daran, dass dann der Tübinger Hersteller Curevac und der Pharmakonzern Johnson & Johnson mit großzügigen Lieferungen beginnen wollen. Vom Wirkstoff von Johnson & Johnson ist nur eine Spritze nötig.

Die Kanzlerin verwies zugleich darauf, dass sowohl Curevac als auch Johnson & Johnson für ihre Präparate noch keine Zulassung haben und diese Werte daher mit einer Unsicherheit behaftet seien. „Wir können jedoch auch dann jedem ein Impfangebot machen, wenn Johnson & Johnson und Curevac keine Zulassungen erhalten“, sagte Merkel. Es werde den Punkt geben, an dem so viel Impfstoff zur Verfügung stehe, dass auch die Hausarztpraxen die Immunisierung anbieten können.

Die in den kommenden Monaten verfügbare Impfstoffmenge wirkt also schon wieder deutlich größer als auf dem Höhepunkt des Ärgers über die knappen Lieferungen in der vergangenen Woche. Die Politiker zeigen nach Ansicht von Fachleuten aus der Branche derzeit jedoch auch eine Neigung, Produktionssteigerungen als Erfolge ihrer Machtworte zu verkaufen – obwohl diese von den Herstellern seit Monaten vorbereitet wurden. „Impfstoffherstellung braucht immer einen intensiven technischen Vorlauf“, sagt Han Steutel, der Präsident des Verbands forschender Pharmaunternehmen (VFA).

Die Kooperationen mit anderen Herstellern, die das Mainzer Unternehmen Biontech jetzt eingeht, um mehr Dosen anbieten zu können, sind seit dem vergangenen Jahr in der Mache. Schon im Herbst hat Biontech in seinen Präsentationen dargestellt, dass es ein Netz von Herstellungspartnern knüpft. Da nicht sicher war, wie viele Verträge zustande kommen, hat Biontech seine erste Vorhersage für die Gesamtmenge zunächst ohne üppige Zusatzkapazitäten aufgestellt. Daher konnte das Unternehmen seine Versprechung für die Jahresproduktion nun um 700 Millionen Dosen auf zwei Milliarden heraufschrauben. Von der Mehrproduktion kommt nun ein guter Teil der EU zugute.

Das neue Biontech-Werk im hessischen Marburg hat inzwischen eine Lizenz erhalten und will im Februar die Produktion aufnehmen. Von drei Partnern im Dezember 2020, als Biontech erste Genehmigungen erhalten hat, ist die Zahl der beteiligten Produktionsstätten auf nun 13 einschließlich des Werks in Marburg gestiegen. „Wir werden dieses Netz weiter stärken und sind in Gesprächen mit zusätzlichen Partnern“, teilte Biontech mit.

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Nach Einschätzung des VFA würde eine Zwangsübertragung von Produktionsgenehmigungen in dieser Phase auch nur wenig bringen. „Die Originalunternehmen haben selbst größtes Interesse daran, dass so viel wie möglich von ihren Covid-19-Impfstoffen geliefert werden“, stellt der VFA fest. Sie sind deshalb bereits Kooperationen eingegangen, wo immer das sinnvoll ist.

Gerade die Herstellung von mRNA-Impfstoffen erfordert spezialisierte Maschinen, eigene Techniken und besonderes Können. Die Vorreiter Biontech, Moderna und Curevac müssen ihre Partner also erst anlernen. Da es um Substanzen geht, die gesunden Menschen gespritzt werden, ist trotz Eile und hoher Mengen nur allerbeste Qualität akzeptabel. Nach Einschätzung des VFA lässt sich der Aufbau solcher Herstellungseinrichtungen nur innerhalb enger Grenzen beschleunigen.

Dass jetzt die größte Nervosität und Mehrnachfrage gerade in der europäischen Heimat herrschen würde, konnte auch Biontech in der vergleichsweise entspannten Stimmung der Herbstmonate nicht vorhersehen – wohl aber, dass es so etwas wie ein Zuviel an Corona-Impfstoff nicht gibt.

AstraZeneca verweist im Kontrast dazu darauf, dass das Unternehmen wegen der späten Bestellung durch die EU auch erst später Kapazitäten aufgebaut hat. Das Unternehmen wolle damit kaschieren, den Vertragspartnern zu viel versprochen zu haben, lautet eine Einschätzung aus EU-Kreisen.

Impfallianz zwischen Curevac und Bayer

Die Politik will dennoch das Ihrige tun, um die Pharmahersteller bei der Massenproduktion des Impfstoffs zu unterstützen. Sie will bei der Beschaffung von Nadeln für Spritzen und anderem Zubehör helfen, „wo das mit Geld und Einsatz möglich ist“, wie Merkel sagt. Auch bei der Versorgung mit Grundstoffen wollen die Regierungen politische Unterstützung leisten.

Ebenfalls vielversprechend ist die Allianz des Pharmakonzerns Bayer mit dem Biotechnik-Unternehmen Curevac aus Tübingen. Dieser will zwar erst ungefähr ab Mai mit der Produktion beginnen, dann jedoch mit Hilfe des Großkonzerns die Herstellung schnell ausweiten. Ein Standort soll Wuppertal sein. „Bis Ende des Jahres werden wir mehrere hundert Millionen Dosen zur Verfügung haben“, sagte Franz-Werner Haas, der Chef von Curevac.

Im kommenden Jahr, also 2022, will das Unternehmen eine Milliarde Impfdosen herstellen. Dann vermutlich nur noch für den Weltmarkt – bis dahin ist Merkels Plänen zufolge schließlich jeder Deutsche, der für die Impfung infrage kommt, geimpft.

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