EU-Türkei-Deal: Athen spielt mit
Im Eilverfahren regelt das griechische Parlament, wie Flüchtlinge in die Türkei abgeschoben werden sollen. Schon ab Montag werden die Rückführungen beginnen.
Die EU unterstützt im Gegenzug die Türkei mit Geld und sagt zu, für jeden zurückgeschickten Flüchtling einen syrischen Asylbewerber direkt aus der Türkei auf legalem Wege aufzunehmen. Damit soll Menschenschmugglern und Schleusern die Geschäftsgrundlage entzogen und verzweifelte Menschen davon abgebracht werden, ihr Leben bei der Überfahrt zu griechischen Inseln in nicht seetauglichen Booten zu riskieren.
Aus Athener Kreisen verlautete, dass die Deportationen auf Lesbos beginnen sollen, mit Migranten aus Afghanistan, Pakistan und anderen Staaten, den keine Aussicht auf Asyl gegeben wird. Der Transport soll unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden – mit einem Polizisten für jeden Migranten. An Bord von Bussen sollen die Beamten die Migranten von Flüchtlingslagern auf den Inseln zu gecharterten Booten bringen.
Aus einem dieser Camps auf Chios brachen in der Nacht zum Freitag Hunderte Menschen aus und gelangten zur größten Stadt der Insel, wo sie friedlich protestierten. Die Menge skandierte Parolen wie „Freiheit“ und „Nicht Türkei.“ Zuvor waren bei Auseinandersetzungen zwischen afghanischen und syrischen Asylbewerbern in dem sogenannten „Hotspot“ fünf Menschen verletzt worden. Für Samstag wurden auf Chios weitere Proteste von Flüchtlingen erwartet.
Es waren die jüngsten in einer ganzen Reihe tätlicher Auseinandersetzungen in den überfüllten Unterkünften und anderen Orten in Griechenland, in denen nach der Schließung der Balkanroute mehr als 52.000 Menschen festsitzen, die eigentlich nach Mitteleuropa wollten. Mehr als 11.000 harren allein am Grenzübergang Idomeni aus und weigern sich, von dort in Lager zu übersiedeln.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rief Griechenland und die Türkei auf, die Sicherheit der Asylsuchenden zu gewährleisten. Besonders für 4000 Menschen in Lagern auf den griechischen Inseln werde die Lage immer schlechter, hieß es.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äußerte Sorgen über das Schicksal der Syrer nach ihrer Rückführung in die Türkei. Seit Mitte Januar seien von dort Syrer in ihre kriegszerrüttete Heimat abgeschoben worden. Täglich seien das rund 100 Menschen, die oft in der Türkei nicht registriert gewesen seien. „Die EU-Staats- und Regierungschefs haben vorsätzlich die grundlegendste Tatsache ignoriert: Die Türkei ist kein sicheres Land für syrische Flüchtlinge“, sagte John Dalhuisen, Amnesty-Direktor für Europa und Zentralasien.
Die griechische Regierung regierte nicht direkt auf die Kritik, Migrationsminister Ioannis Mouzalas versicherte dem Parlament aber, dass die Menschenrechte der Asylbewerber gewahrt würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja