piwik no script img

Diskussion um Syrien-InterventionAssad warnt die USA

Nach dem vermuteten Einsatz von Chemiewaffen in Syrien treiben die USA die Pläne für einen Militärschlag voran. Präsident Assad streitet die Vorwürfe ab.

Angehöriger der Rebellen östlich von Damsakus. Bild: reuters

ISTANBUL/PARIS dpa/taz | Bereits am Montag sollen die UN-Inspekteure beginnen: Unter dem Eindruck einer drohenden Militärintervention hat Syrien ihnen jetzt doch Zugang zu den angeblich mit Giftgas bombardierten Gebieten zugesagt. Die deutsche UN-Diplomatin Angela Kane erreichte am Sonntag die Vereinbarung mit Außenminister Walid al-Muallim.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe den Leiter der Gruppe, den schwedischen Professor Åke Sellström, angewiesen, dem Vorfall höchste Priorität zu geben, hieß es in New York. Ban bestätigte, dass Syriens Regierung die „nötige Zusammenarbeit“ zugesagt habe. Dazu gehöre die „Einstellung der Feindseligkeiten an der Stelle des Vorfalls“. Die Opposition hatte zuvor bereits erklärt, sie könne im Rebellengebiet die Sicherheit der Experten gewährleisten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von einer wichtigen Vereinbarung in einer dramatischen Lage. „Ich begrüße, dass die Untersuchung jetzt unverzüglich erfolgen soll“, erklärte der FDP-Minister am Sonntag nach einem Telefonat mit Kane.

Bei dem Angriff am Mittwoch sollen nach Angaben der Rebellen mehr als 1.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Eine unabhängige Bestätigung gibt es nicht. Ärzte ohne Grenzen erklärte, dass in von der Organisation betreuten syrischen Krankenhäusern 3.600 Menschen mit Symptomen von Nervengift behandelt worden seien. 355 von ihnen seien gestorben.

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat die Vorwürfe von westlichen Regierungen zurückgewiesen, aus politischen Gründen Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt zu haben. Zudem warnte er die USA vor einer militärischen Intervention in Syrien. Assad äußerte sich in einem am Montag veröffentlichten Interview der russischen Zeitung "Iswestia". Den USA drohe ein Scheitern wie in allen vorherigen Kriegen, etwa wie in Vietnam, sagte Assad auf die Frage, was passieren würde, wenn die USA Syrien angreifen würden.

Sarin oder VX?

Die Hinweise, dass in Syrien tatsächlich Giftgas ein- oder freigesetzt wurde, verdichten sich. Infrage kämen Sarin oder VX, wovon die syrischen Streitkräfte nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste 700 Tonnen bzw. 100 Tonnen besitzen. Das Problem: Sarin und VX dringen durch die Atemwege und die Haut ein und lassen sich nur bis maximal sechs Tage später im Blut, Urin oder in anderen Körperflüssigkeiten der Opfer nachweisen. Ein von holländischen Forschern entwickeltes DNA-Verfahren, das einen Nachweis bis zu vier Monate später ermöglicht, ist sehr aufwendig und funktioniert nur für Sarin. Im Boden lassen sich Spuren von Sarin und VX zwar mehrere Wochen nach einem Giftgaseinsatz nachweisen. Doch beweiskräftig können Bodenproben nur sein, wenn sie möglichst schnell nach einem Einsatz von unabhängigen Experten am Ort des Geschehens entnommen werden. (Andreas Zumach)

Unterdessen zogen nach US-Medienberichten vier Zerstörer im östlichen Mittelmeer zusammen, die jeweils mit Marschflugkörpern als Hauptwaffen ausgestattet sind. Zu den in Washington erwogenen „Optionen“ scheinen sowohl gezielte Luftangriffe auf syrische militärische Ziele, die Schaffung einer regionalen Flugverbotszone als auch die Entsendung von Kriegsmaterial an die syrischen Rebellen zu gehören.

USA: Syriens Einlenken zu spät

US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron kündigten nach einem Telefonat eine „ernste Antwort“ an, sollte das Assad-Regime nachweislich verantwortlich für den Einsatz von Giftgas in Syrien sein. Frankreichs Präsident François Hollande machte Assad für den Giftgas-Einsatz verantwortlich.

Es gebe ein „Bündel Belege“ dafür, dass am 21. August Chemiewaffen eingesetzt worden seien, erklärte Hollande dem Élyséepalast zufolge. Alles deute darauf hin, dass das Regime dafür verantwortlich sei. Frankreich sei entschlossen, „diese Tat nicht ungestraft zu lassen“.

Die New York Times und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsbeamten, das Weiße Haus habe „kaum Zweifel“ daran, dass Assads Regime Chemiewaffen eingesetzt habe. Syriens Einlenken komme „zu spät, um glaubwürdig zu sein“.

Obama hatte bislang ein militärisches Eingreifen gescheut und damit eine Konfrontation mit Syriens Hauptverbündetem Russland vermieden. Zuletzt war spekuliert worden, die drei westlichen Mitglieder des Weltsicherheitsrats – die USA, Frankreich und Großbritannien – könnten mit einem Luftschlag reagieren. Diplomaten aus den Staaten der sogenannten Kontaktgruppe der Freunde Syriens berieten am Wochenende über mögliche, auch militärische Schritte.

Deutsche zurückhaltend

Papst Franziskus forderte die internationale Gemeinschaft auf, nachdrücklicher nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Die Welt müsse alles tun, um den Bürgerkrieg in Syrien, der Zerstörung und Tod bringe, durch Dialog zu beenden, sagte Franziskus nach dem Angelus-Gebet vor Gläubigen auf dem Petersplatz.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück riet zu „Zurückhaltung, was die Diskussion über militärische Interventionen betrifft“. Er sehe nicht, welche Möglichkeiten es da gebe. Falls sich die Bundesregierung einer härteren Haltung anschließen wolle, sei die „intensive Einbeziehung des Bundestages“ nötig.

Der Stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff nannte die Lage in Syrien „völlig unübersichtlich“ und mahnte: „Ein vorschnelles Eingreifen von außen garantiert keineswegs, dass die Bevölkerung insgesamt besser geschützt wird.“

Auch die außenpolitischen Fraktionssprecher von CDU und SPD, Philipp Mißfelder und Rolf Mützenich, plädierten für deutsche Zurückhaltung. „Deutschland arbeitet zu Recht weiter an einer politischen Lösung“, sagte Mißfelder zu Spiegel Online.

Mützenich begrüßte die deutsche Einbindung in die diplomatischen Bemühungen. Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz forderte im Focus, mehr christliche Syrienflüchtlinge aufzunehmen. Anders als die Muslime könnten die Christen in den Nachbarländern nicht sicher leben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • I
    isioma

    Woher hast Du die Infos? Ich würde sie gern im FB verbreiten.

  • S
    Sören

    Das Assad-Regime ist in dieser Angelegenheit äußerst unglaubwürdig. Wenn es keine Verantwortung für den Einsatz der chemischen Waffen trägt, hätte es doch direkt und von sich aus um eine UN-Untersuchung bitten müssen. Aber erst nachdem die USA und andere Ländern den Druck deutlich erhöht haben, hat man eingelenkt. So macht man sich verdächtig, und erweckt den Eindruck, bewusst eine Untersuchung zu verzögern.

     

    Man hat jetzt aber gesehen, dass Assad auf Druck reagiert. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass er eher in Verhandlungen geht, wenn der Druck aufrecht erhalten bleibt. Assads Verleich mit Vietnam ist ziemlich lächerlich. Weder planen die USA eine Bodenoffensive, noch geht es um einen ideologischen Kampf.

     

    Wenn man Massenvernichtungswaffen gegen das eigene Volk einsetzt, hat man wohl keine moralische Authorität. Man kann nur hoffen, dass der UN-Sicherheitsrat endlich konstruktiv zusammenarbeitet. Wenn Russland hier blockiert, weil es um seinen Verbündeten Assad und Einfluss in der Region fürchtet, ist das ein unerträglicher Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges. In der hängt Putin mental wohl aber auch fest.

  • W
    Wolfgang

    Wann erfolgt ein Militärschlag der NATO gegen das Atomprogramm Saudi-Arabiens?

     

    Die Wand der USA-NATO-BRD-BND-CIA-NSA-Lügenpropaganda zu durchstoßen, hinter der die imperialistischen Kriegsabenteuer vorbereitet wurden und werden, die wirklichen Triebkräfte, die Methoden der imperialistischen Aggression und das Geheimnis der Kriegsentstehung aufzudecken, um den Menschen rechtzeitig die Augen zu öffnen - das gehört heute zu den dringendsten Aufgaben aller Streiter für Frieden, Demokratie und Menschenrechte.

     

    Sollte die Bundesregierung einen NATO-Militärschlag gegen Syrien billigen, so beteiligt sich die Bundesregierung und bürgerliche Parlamentsmehrheit an ein Kriegsverbrechen!

  • I
    Ich..ich..ich

    Wir müssen uns doch ehrlich sein, uns geht es nur so gut weil es den anderen so schlecht geht. Deutschland befindet sich mit der Nato seit Jahren in Angriffskriegen. Unsere Wirtschaft profitiert direkt davon und wir haben viele Arbeitsplätze dadurch geschaffen. Wenn wir jetzt neben Afghanistan, Irak, lybien auch noch Syrien erobern geht's uns noch besser:). Keiner von uns geht auf die Straße und protestiert gegen das tägliche Morden von unschuldigen, also muss man davon ausgehen, dass wir aus egoistischem denken das ganze tolerieren und akzeptieren. Wir wissen sogar das wir täglich belogen werden, aber das ist uns auch egal, Hauptsache mir geht's gut. Wir passen uns nur unseren Politikern an. Freu mich schon auf die Invasion der Ami Freunde und die Berichterstattung auf RTL mit nem großen Banner links oben "KRIEG Gegen ASSAD". Die Sender freuen sich auch schon, den die Quoten wird's richtig nach oben treiben! So wie damals als sie in den Irak einmarschiert sind. Hat viel gebracht, wenn man sich die Lage im Irak anschaut und die ganzen irakischen Flüchtlinge die kopflos durch die Münchner Fußgängerzone spazieren und von der Schickeria herabwertend betrachtet werden. So lang es mir gut geht alles prima!

  • T
    toddi

    So,so jetzt geht die Diskussion also schon gar nicht mehr darum, von wem C Kampfstoffe eingesetzt wurden. Wir befinden uns auf der Zielgeraden im Krieg gegen Assad oder besser gegen den Iran. Was immer Bestandteil der Pläne der US Hardliner und ganz besonders der pro-israelischen Lobbys war, wird nun mit Mediengetöse wie es die Nazis nicht besser hingekriegt hätten "Die Auslösung des Konfliktes wird durch eine geeignete Propaganda erfolgen. Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht.“ den Massen verkauft.Seid Ihr euch eigentlich bewusst das Ihr Mittäter für eine Zeilengage am Krieg und damit dem Tod viele Hunderttausender Menschen werdet bzw streng genommen bereits seid.

    Dieser Krieg wird, wenn die Russen und BRISC nicht stillhalten (und das ist die perfide Spekulation bzw. Erpressung) sehr schnell Weltkriegsdimensionen erreichen - mit entsprechender Atomarer Gefahr. Also ihr Lohnschreiber ich erwarte eine Stellungnahme!! Warum werden Informationen bewusst verschwiegen??? zb.Rußland hat dem UN-Sicherheitsrat während der Dringlichkeitssitzung am Mittwoch Satellitenbilder vorgelegt, aus denen hervorgeht, daß nicht die syrische Armee, ...für den Giftgasangriff verantwortlich ist. (2) der Angriff sei aus einem Gebiet erfolgt, das von der Gruppe Liwa Al-Islam ... kontrolliert werde. (3) Die syrische Armee habe inzwischen Tunnel ... in denen große Mengen an Gasmasken und Antidots gegen chemische Waffen gelagert wurden, zum Teil aus deutscher (!) Prod. Die Rebellen waren offenbar professionell vorbereitet. (4) Unter den Opfern des Giftgasangriffs sind Soldaten der regulären syrischen Armee. (5) Propagandamaterial mit Berichten über die Opfer sei schon vor dem eigentlichen Giftgasangriff hergestellt worden.“Im Grunde geht es hier nicht mehr um die prima ins westliche Kalkül passenden chemischen Angriffe .Es geht bereits um die Frage von (Eroberungskrieg) Krieg oder Frieden - und die der Verantwortung ...

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    Empathie heisst auch, sich die Dinge bei sich selbst vorstellen und daraus zu erkennen, wie man selbst in der Situation als Betroffener reagieren wuerde - das faellt im Westen voellig weg - es wird verdraengt, das Verdraengte projiziert man auf andere - man wuerde selbst auf die eigenen Leute schiessen in der Situation - vgl man tut s bei relativ kleinen Dingen laengst - wie erst dann - was in Syrien passiert ist virtuell ueberall da - fragt eure Staaten, was sie in der Situation von Syrien tun wuerden, konfrontiert mit zigtausend Terrorrebellen - die Aufregung um die Gifttoten ist sentimental (vergisst dabei alle anderen Opfer). Sentimentalitaet blockiert echte Gefuehle. Sentimentale Reaktionen sind pathologisch.

     

    Tote Kinder schlimmer als tote Ewachsene einzustufen betreibt Wertefragmentierung. Spaltet ab. Ist ein Symptom von Sentimentalitaet. Vor Symptomsuche bei Opfern, sollte man bei sich selbst mal welche suchen. Bspw auch auf Obamas verniedlichende Rote Linie reinfallen. Jeder Schuss ueberschreitet eine rote Linie.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Vorgestellt, dieselbe Lage bestuende in den USA mit unzaehligen Orten in der Hand von Terroristenrebellen, bspw inkl Millionenstaedte wie Chicago. Ein Haeuserkampf wuerde allein mit Chicago die US Armee aufreiben. Die Amerkaner wuerden unzimperlich jede Waffe einsetzen. Keine Tabus mehr kennen. Die flippten bei zwei Wolkenkratzern aus und legten Irak in Schutt und Asche, dann Afghanistan, Libyen, und vermutlich Syrien und dabei die verteidigend, gegen die sie anderswo vorgehen und mit der Begruendung alle Staaten inkl der UNO ausspionieren. Wer das alles wg zwei Wolkenkratzern macht, was macht der, wenn er das Problem von Syrien hat. Die Ametikaner werfen immer mit Steinen durchs eigene Glasdach.

     

    Deutschland flippte bei 30 Terroristen voellig aus, Grundrechte aushebeln, Rufe nach Vergeltung, Sippenhaft und Ruebe ab.

     

    Rebellenorte in Syrien bedeutet, jeder, der eine andere Meinung aeussert, wird erschossen, Friedenaktivisten werden gekoepft und gehaengt. Von da ist es nicht weit paar tausend Leute wie beim 9/11 als Maertyrer einzusetzen um andere zum Eingreifen zu provozieren.

     

    Jeder Schuss ueberschreitet bereits eine rote Linie, man faellt nicht auf Obamas Verniedlichungen rein.

     

    Es ist laengst die Frage, wie wuerde man bei sich selbst auf so eine Situation reagieren. Tuerkei massakriert wg einem Park bereits die eigenen Leute. Und bruellt jetzt wieder mit am Lautesten.

     

    Die Medien, durchgehend empathielos.

  • W
    Wolfgang

    Ein durchsichtiges Manöver der NATO-Staaten - als Vorbereitung für einen Militärschlag gegen den Iran und zum Aufbau der (künftigen) Atommacht Saudi-Arabien im Nahen Osten!

     

    Wo bleiben die "Drohungen und Warnungen" an Saudi-Arabien, Katar und die VAE? - und deren 'Freiheitskämpfer' und Rebellen? Wann erfolgt ein Militärschlag gegen das Atomprogramm Saudi-Arabiens? Wann verabschiedet sich die Wirtschaft der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands von den Beteiligungen Saudi-Arabiens? - zum Beispiel durch Beschlagnahme! Auch sollte man die dortigen Chemieanlagen nicht übersehen!