Die Haltung der Linkspartei zur EU: „Neoliberal und militaristisch“
Vor dem Europawahl-Parteitag hat die Linke die härtesten EU-Kritiker in ihren Reihen weitestgehend eingehegt. Ganz verstummt sind sie nicht.
BERLIN taz | Wolfgang Gehrcke zählt zum linken Flügel der Linksfraktion im Bundestag und ist eine vernehmliche außenpolitische Stimme der Partei. Mittwochabend sitzt er im IG-Metall-Haus in Berlin und debattiert mit Axel Schäfer, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion. Der Titel der von dem Linkspartei-Linksaußen Diether Dehm moderierten Debatte lautet: „Ist EU-Kritik ’antieuropäisch‘?“
Die Anführungszeichen sollen zeigen, dass „antieuropäisch“ ein Phantom ist, so wie die „DDR“ früher für die Springerpresse. Dehm und Gehrcke hatten durchgesetzt, dass die EU im Europa-Wahlprogramm der Linkspartei als „neoliberal, militaristisch und weithin undemokratisch“ bezeichnet wurde.
Der Parteivorstand hatte diese Passage nach öffentlicher Kritik wieder aus dem Leitantrag für den Parteitag am kommenden Wochenende in Hamburg gestrichen. Eigentlich sollte auch Sahra Wagenknecht mitdiskutieren – doch sie hat abgesagt. Sie will sich, so ist zu hören, nicht weiter für Dehms Anti-EU-Feldzug einspannen lassen.
SPD-Mann Schäfer plädiert beseelt für Europa. Die EU sei „die wichtigste Errungenschaft der Linken seit 150 Jahren“. Sie sorge für friedlichen Austausch, sei aber ein fragiles Gebilde und bedürfe, bei aller Kritik an der Troika, konstruktiver Mitarbeiter.
Wie schon Lenin wusste …
Aus Gehrckes Sicht dagegen ist die EU von Konzernen beherrscht und auf dem Weg zur aggressiven Militärmacht. Schäfers Gegenargument, dass es keine geplante Aufrüstung der EU-Staaten gebe und die deutschen Militärausgaben nach 1990 sanken, verhallen unerwidert. Gehrcke zitiert lieber Lenin, der schon gewusst habe, dass „Vereinigte Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder illusionär oder reaktionär“ seien. Das, so Gehrcke, sei noch immer wahr.
Die Linksparteispitze ist vor dem Parteitag zum Kompromiss entschlossen. Ost-Reformer und der Landesverband Hessen haben sich auf eine gemeinsame Fassung für die Präambel des Wahlprogrammes geeinigt. Damit sind Konflikte in Hamburg weitgehend eingehegt. Diese Einigung auf eine EU-freundlichere Fassung hält der linke Realo Jan Korte für „sinnvoll“.
Streit wird es in Hamburg allerdings doch geben: Es werden Kampfkandidaturen für die Europalisten zwischen gemäßigtem und linken Flügel erwartet.
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