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Demos gegen die BankenDie kosmopolitische Ära

Sie sitzen im Kreis und reden. Die neuen "Occupy"-Protestierer sind nicht nur eine Herausforderung für die Politik – sondern auch für viele AltaktivistInnen.

Demonstranten am Montag vor dem Reichstag in Berlin. Bild: dpa

BERLIN/FRANKFURT taz | Dies ist einer dieser neuen Nachmittage auf der Reichstagswiese in Berlin. Hier, innerhalb der Bannmeile vor dem Bundestag, stellt sich heute eine Frage, die in der Lage ist, der parlamentarischen Republik einen neuen Denkmodus zu verpassen: "Wer ist hier der Versammlungsleiter?", fragt ein Polizist in die Runde der Demonstrierenden, die hier unorganisiert auf der Wiese stehen. Versammlungsleiter? Diese Frage wird noch für Probleme sorgen.

Hunderttausende Menschen demonstrierten am Wochenende weltweit für "echte Demokratie" und gegen die Macht der Banken. Auch in Deutschland, international bestaunt für seine schwächelnden Globalisierungsproteste, schlugen Demonstranten in der Bankenmetropole Frankfurt ihre Zelte auf, demonstrieren täglich vor dem Bundestag. Doch eines ist dort anders als bisher: Es fehlen die Fahnen der Parteien, die Logos von Attac - und auch Gewerkschafter geben sich kaum zu erkennen. Ein Protest ohne die üblichen Wortführer? Ist das überhaupt eine "Bewegung"?

Es ist Montagmittag in Frankfurt am Main. Hier, vor der Europäischen Zentralbank, steht das große gelbe Euro-Zeichen, vielen bekannt aus der "Tagesschau". Daneben steht das Inventar dieser neuen Versammlung, ein Küchenzelt, 40 Schlafzelte. Und gerade ist hier wieder Vollversammlung: Ob auf den Buttons "Occupy Frankfurt" stehen soll, wird diskutiert. Oder ob "Wir sind 99 Prozent" nicht besser wäre. So hieß die Losung des Protesterfolgs in den USA.

Dem Mann ohne Namen, gegeltes Haar, dunkle Lackschuhe, gefällt der zweite Slogan besser. "Ich finde richtig, was die machen. Ich habe große Sympathie dafür. Denn das ist eine Bewegung ohne Parteifahnen, die für alle offen ist." Er steht am Rand und beobachtet die Szene. Er ist Banker, sagt er. Seinen Namen will der Mann mit Schlips nicht nennen, auch nicht sagen, für welche Bank er arbeitet.

Unterstützung von Schlipsträgern

Benedikt, 26, ist einer der Besetzer hier und wundert sich: "Wir hätten nicht erwartet, dass wir auch Unterstützung von Schlipsträgern bekommen." Banker kommen hier vorbei und BürgerInnen, die ihr Erspartes schon verloren haben - bei den Banken: Wie passt das zusammen?

"Kindisch", sagt ein Passant, sei das, was hier passiert. "Keine Forderungen, keinen Fokus, kein Programm." Es klingt wie die abgekämpfte Stimme eines Altaktivisten. Es stimmt: Dieser Platz an der Europäischen Zentralbank ist nicht die neue Parolenzentrale der Republik. Es ist ein radikaler Ort des Fragens.

"Was wir hier erleben, sind erste Sortierprozesse", sagt der Berliner Politaktivist und Professor für Politikwissenschaft, Peter Grottian. "Ob daraus eine Dauereinrichtung werden kann, ist eine sehr offene Frage." Grottian wundert sich an diesem Montag, dass hier in Frankfurt, wo das globalisierungskritische Netzwerk von Attac seine Zentrale hat, kaum Attac-Mitglieder zu sehen sind. "Die Füßchen, die diesen Protest tragen, sind noch recht schwach und unerfahren." Und es fehlten professionelle Strukturen, sagt er.

Andere, globale Regeln

Doch war nicht gerade die diffuse Masse die Stärke jener beispielgebenden Bewegung, die sich in den USA die Parole auf die Transparente druckte: "Wir sind 99 Prozent"? Kann es nicht sein, dass in Deutschland gerade etwas entsteht, das ausnahmsweise nicht getragen ist von den ewig gleichen Politdebatten der Altvorderen? Dass dieser Protest nach anderen, globalen Regeln spielt?

Roland Roth ist Professor für Politikwissenschaft und forscht an der Hochschule Magdeburg-Stendal über soziale Bewegungen. Er sagt: "Es gibt eine kosmopolitische Ära der Aufmerksamkeit. Das gilt auch für Bewegungen." Zwar gebe es derzeit noch keinen organisatorischen Kern, der eine internationale Agenda formulieren könnte - doch vielleicht brauche es das auch gar nicht. "Die Agenda", sagt Roth, "entsteht erst mit dem Protest."

Die Ratlosigkeit taugt wieder zum Programm. Das zeigt auch ein beachtenswertes Dokument im Internet. Dort würdigte die "Interventionistische Linke", eine Strömung linksradikaler Aktivisten, die ansonsten gern auf alles eine Antwort haben, nun in einer Erklärung die neue Bewegung: "Wir wissen, dass gerade die Linke erst einmal zuhören muss: dass sie das Zuhören wieder lernen muss."

Da hat die radikale Linke eines gemein mit diesem armen, ratlosen Polizisten auf der Reichstagswiese. Seit einigen Minuten schon redet er nun durch das "Human Mic", das ist das "Mikrofon der Menschen". Er adressiert sie alle hier und sucht, vergeblich, einen Versammlungsleiter. "Das ist hier keine Versammlung! Wir sind alle alleine hier!", ruft ein Mann. Die Wortführer fehlen. Aber vielen gefällt das.

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11 Kommentare

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  • A
    Šašek

    Von den USA mit ihren OWS-Protesten gibt es jetzt viel zu lernen. Im Vergleich dazu habe ich sowas über die Proteste in Spanien nicht gehört, obwohl ich mir sehr gut vorstellen kann, dass es dort ähnlich lehrreich ist/war. Neben dem "Sprachproblem" hat das sicherlich auch etwas mit einem subtilen Nationalstolz zu tun, in dessen Hierarchie eben die Amis hipper (und als Nation reicher und größer usw.) sind als etwa die Spanierinnen und Spanier. Also für mich selbst muss ich dieses Unterbewusstsein zugeben und würde es auch den Autorinnen dieses Artikels unterstellen.

  • R
    RPH

    Reicht doch , wenn ich mir am 1.Mai ein bisken die Füsse vertrete . Himmel ! Arsch in den Sattel , Leute !

  • V
    vic

    "Wer ist hier der Versammlungsleiter?"

     

    Diese Frage beschreibt recht gut den Fehler im System.

  • I
    iiiwo

    "Da hat die radikale Linke eines gemein mit diesem armen, ratlosen Polizisten auf der Reichstagswiese"...???Aha, interessant,stimmt aber inhaltlich nicht.Ihr habt textlich nur einen Übergang gesucht.Bitte schreibt nicht immer so einen Quatsch.Es gibt übrigens nicht Die Linke,und auch nicht Die radikale Linke.Danke.

  • OM
    Occupy Münster

    Die Altaktivisten, die vielleicht früher mal aktiv waren, sind doch auf dem Marsch durch die Institutionen unterwegs beim Picknick hängengeblieben, und haben es sich bequem gemacht. Diese Generation hat der jüngeren heute NICHTS mehr zu sagen. Sie hatten ihre Zeit. Die Heutige verstehen sie nicht mehr. Jetzt sind wir dran.

  • C
    Christian

    Leithammel untereinander erkennen sich immer, der Polizist steckt in einem hierarchischen System wenn er auf ein Gegenüber trifft das NICHT hierarchisch ist, was macht er dann? Er kratzt sich am Kopf und fragt sich es muss doch jemanden geben der hier das Sagen hat. Das ist das alte Denken das abgelegt werden muss, vor ein paar Jahren wurde schon mal von einem neuen WIR-Bewusstsein geredet, aber so richtig kam das nicht zur Geltung. Jetzt scheint es sich ausgebildet zu haben. Sehr schön, weiter so!

  • W
    Westberliner

    Die am Anfang des Artikels beschriebene Szene mit dem Einsatzleiter der Polizei kann man hier gut sehen:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=jI5y-Fi7rew

  • HM
    Hallo Mc Fly

    Wer AltaktivistInnen schreibt, der hat nichts verstanden. Es ist schon peinlich die "sind die piraten links?"-Artikel zu lesen. Jetzt wird es aber zeit die JournalistinInneninnen-Feder in Rente zu schicken.

  • A
    Andreas

    "Keine Forderungen, keinen Fokus, kein Programm."

     

    Es ist noch sehr rudimentär und steckt sozusagen in der Alpha, aber wenn es jemanden interessiert, ich hab ne Antwort:

     

    http://www.die-demokratische-revolution.org/

     

    Das ist das erste Mal das ich den Link öffentlich poste, also nich wundern wenn da noch nichts los ist (kommt noch). Würd mich freuen wenn jemand einen Kommentar da lässt.

    Viele Grüße,

     

    A.

  • W
    Webmarxist

    "Hunderttausende Menschen demonstrierten am Wochenende weltweit für "echte Demokratie" und gegen die Macht der Banken. Auch in Deutschland, international bestaunt für seine schwächelnden Globalisierungsproteste, schlugen Demonstranten in der Bankenmetropole Frankfurt ihre Zelte auf, demonstrieren täglich vor dem Bundestag. Doch eines ist dort anders als bisher: Es fehlen die Fahnen der Parteien, die Logos von Attac - und auch Gewerkschafter geben sich kaum zu erkennen. Ein Protest ohne die üblichen Wortführer? Ist das überhaupt eine "Bewegung"? "

     

     

     

     

    Die Bewegung ist basisdemomatisch. Das ist echte Demokratie. wo jeder gleichberechtig ist und keinen Anführer gibt. Ein klein bisschen anarchistisch. Anarchie heißt Herrschaftslosigkeit.

  • HJ
    Hessie James

    Es kann nicht Schaden das Versammlungsrecht zu kennen und die höchstrichterlichen Entscheidungen dazu.