Call A Reporter: Karstens Geschäft

Er steht vor einem Supermarkt in Prenzlauer Berg und wartet auf Leergut. Aus dem Alltag eines Flaschensammlers.

Installationen wie diese hier in Nürnberg sollen es den Flaschensammlern leichter machen. Bild: Francesca Tramuta/dpa

Karsten steht vor der Leergutannahme und wartet – darauf, dass ihm die Leute ihre Pfandflaschen schenken, statt sie im Automaten zu entsorgen. „Warum anstehen? Pfandgut hier reinlegen“, steht auf dem Schild an seinem Fahrradanhänger. Karsten, 51, ist Flaschensammler und verbringt drei Tage die Woche vor dem Kaiser’s in der Winsstraße in Prenzlauer Berg. Eine Anwohnerin hatte uns auf seine dezente Sammeltechnik aufmerksam gemacht.

Leergut zu sammeln sei ein hartes Geschäft in Berlin, sagt Karsten. „Vorher war ich am Olympiastadion tätig, da klauten sich die Sammler gegenseitig die Flaschen aus den Kisten.“ Deshalb beschloss Karsten, fortan in seinem Kiez zu arbeiten: „Hier gibt es weniger Konkurrenz.“ Kürzlich hätten ihm zwar einige Roma seinen Platz streitig machen wollen, aber man habe sich geeinigt. „Die sind jetzt auf der anderen Seite vom Kaiser’s.“

Seit seiner Kindheit lebt Karsten in Prenzlauer Berg. Als kleiner Junge wurde er von einem Diplomatenauto angefahren und hat sich dabei an der Wirbelsäule verletzt. Die Rückenschmerzen machten ihm noch während seiner Ausbildung zum Drucker beim Neuen Deutschland zu schaffen. Kurz bevor die Mauer fiel, fand man in seinem Hirn einen Tumor. Das warf Karsten komplett aus seinem bisherigen Leben: Mit 26 Jahren ging er in Frührente.

Seitdem schlägt er sich mit Improvisation durch. Neulich habe ihm ein Ehepaar außer Pfandgut auch Turnschuhe geschenkt: „Nagelneu! Die rochen noch nach Leder.“ Es leben jetzt viele wohlhabende Menschen in Prenzlauer Berg, sagt Karsten. Und manche seien durchaus großzügig. Immer wieder nicken ihm die Passanten freundlich zu. Einige kennen Karsten noch von früher: „Da habe ich oft meine Mutter mit dem Rollstuhl durch die Gegend geschoben.“

Die neuen Schuhe hat Karsten heute zu Hause gelassen, stattdessen trägt er den Fanschal der Eisbären Berlin. Nachher will er noch zur O2-Arena, wo ein Heimspiel der Mannschaft stattfindet. Dort putzt er an einem Stand und wird in Bratwurst entlohnt.

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