Bodenfunde: Schädliche Schatzsuche

Das Oldenburger Landesmuseum warnt vor den Umtrieben illegaler „Archäologen“ – und hat eine Ausstellung mit pädagogischer Mission auf die Beine gestellt: Statt der Raubgräberei zu frönen, soll die Bevölkerung Hand in Hand mit den Profis arbeiten

Gutes Beispiel: Laien und Archäologen beim Sondengang durch das römische Schlachtfeld im niedersächsischen Harzhorn. Bild: Christa S. Fuchs

Sonny Carter fand sein Weihnachtsgeschenk toll: einen Metalldetektor. Ungünstig, dass der Siebenjährige damit prompt eine Weltkriegsbombe im Wald fand – und stolz nach Hause brachte. Eine Katastrophe verhinderte der Kampfmittelräumdienst.

Das „Abenteuer“ des kleinen Engländers ist noch kein halbes Jahr her, aber schon Thema im Museum. Das Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch widmet sich den Gefahren der Raubgräberei: persönlichen Risiken ebenso wie wissenschaftlichen Schäden. Raubgräber wollen Schätze – Archäologen Erkenntnisse. „Der Fund-Zusammenhang ist für uns oft wichtiger als die Objekte selbst“, sagt Kuratorin Christina Wawrzinek.

Doch die Versuchung ist groß. „Im Boden Deutschlands liegen 32.000 Zentner Gold, Silber und Juwelen verborgen!“, verhieß Bild vor einer Weile. Und wenn Detektoren ab 17 Euro zu haben sind – dann kriegt Papa zu Weihnachten doch keine Motorsäge. Die zerstörerische Wirkung dieser Gerätschaften ist durchaus vergleichbar: „In Deutschland gibt es bereits komplett fundleere Landstriche“, sagt Wawrzinek.

Anhand des spektakulären Goldfunds von Gessel bei Syke arbeitet ihre Ausstellung die Sorgfalt einer fachgerechten Ausgrabung gegenüber dem nächtlichen Gescharre mit Taschenlampe und Spitzhacke heraus. 2010 schlugen in Gessel die Detektoren an. Daraufhin kam es zu einer „En-bloc-Bergung“: Mit stabilisierenden Gipsbinden und Feuchthalte-Folien wurde der fragliche Erdbatzen ins Labor gebracht, in den Computertomografen geschoben – und dann erst angeknabbert.

Natürlich darf als Gegenbeispiel die Himmelsscheibe von Nebra nicht fehlen, zumindest nicht als Kopie. Die aber ist so originalgetreu, dass man jeden Spitzhacken-Kratzer auf dem Sensationsfund erkennt, den 1999 Militaria-Sammler im Thüringer Wald machten. Auch die Reinigung der 2.000 Jahre alten Astronomie-Karte mit Spüli und Stahlwolle hinterließ Spuren.

Das Exempel der Himmelscheibe zeigt allerdings auch die potenziellen Gewinnspannen: Nachdem sie die Thüringer zunächst für einen wertlosen Eimerdeckel gehalten hatten, verkauften sie die Scheibe für 32.000 Mark. Kurz darauf hatte sich der Schwarzmarkt-Wert beinahe verzehnfacht. Und als schließlich der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt zum Schein auf ein Kaufangebot einging und die Hehler in der Schweiz traf, sollte er bereits 700.000 Mark zahlen. Stattdessen klickten die Handschellen.

Weltweit setzt der illegale Antikenhandel geschätzte zehn Milliarden Dollar pro Jahr um – eine Verdoppelung gegenüber den 90ern. Damit übertrifft er den Waffen-Schwarzmarkt. Durch Luftaufnahmen irakischer Tempelstädte, die wie ein Schweizer Käse wirken, macht die Ausstellung diese Dimension fassbar: Jeder Quadratmeter ist durchwühlt. Abnehmer gibt es genug: „80 Prozent der Objekte des Londoner Antikmarktes sind illegal“, sagt Wawrzinek.

Wer nach Größenordnungen der heimischen Antikenhehlerei fragt, bekommt kaum Auskünfte. „Das ist ein großes Dunkelfeld“, sagt Eckhard Laufer – der Mann, der die Frage am ehesten beantworten könnte. Laufer ist Deutschlands einziger Archäologie-Polizist. Seine Spezialstelle mit Sitz im hessischen Landeskriminalamt gibt es erst seit 2010. Konkrete Schätzungen gebe es bisher nicht, sagt Laufer, klar sei jedoch: „Die Schatzsuche intensiviert sich.“ Der finanzielle Schaden gehe „in die Millionen – das ist kein Kavaliersdelikt“.

Das muss er freilich mal Leuten wie Helmut Thoma sagen: Der Ex-RTL-Boss brüstete sich kürzlich im Interview, eigenhändig ein Grab im syrischen Palmyra ausgenommen zu haben. Die Trophäen zieren seither sein Wohnzimmer. In den norddeutschen Ländern gehören archäologische Funde dem Staat – was allerdings nicht für Fossilien gilt.

Die Oldenburger leisten Basis-Aufklärung. Um zu veranschaulichen, dass Objekt-Datierungen nur mit unversehrten Bodenschichten funktionieren, haben sie einen Vertikalschnitt durch den heimischen Marktplatz nachgebaut: 2,30 Meter über den Besucherköpfen liegen die Pflastersteine, darunter folgt Schicht für Schicht mit schönen Funden, bis hinunter zum Eiszeitsand.

Zur Ausstellungs-Didaktik gehören auch niedrig angebrachte Texte für Kinder. Eine naheliegende Idee, wie sie auch in Celle zur Anwendung kommt – insgesamt jedoch erstaunlich wenig verbreitet ist. Zudem wurde ein Schatz als „Geocash“ versteckt, der mit Hilfe eines GPS-Gerätes aufzuspüren ist.

Wie aber kann die Lust an „echter“ Schatzsuche archäologisch-korrekt kanalisiert werden? Vielleicht durch „Citizen Science“: Laien und Archäologen arbeiten Hand in Hand oder Sonde an Sonde – wofür es Niedersachsen und Schleswig-Holstein Lehrgänge gibt. Gemeinsames Scherbensortieren inklusive. Paradebeipspiel der bürgerunterstützten Wissenschaft ist das römische Schlachtfeld am Harzhorn: Unermüdliche Ehrenamtliche gingen mehrfach das gesamte Areal ab, um Hunderte Sandalennägel und Katapult-Projektile zu orten. Deren Kartierung erlaubt die Rekonstruktion des Schlachtverlaufs – ganz ohne Explosionsgefahr.

„Raubgräber – Grabräuber“: bis 8. September, Oldenburg, Landesmuseum Natur und Mensch
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