Blockupy in Frankfurt/Main: Farbeier im Corporate Design
Blockupy-Aktivisten bewerfen die Europäische Zentralbank in Frankfurt großflächig mit Farbeiern. Die Polizei reagiert insgesamt gelassen.
FRANKFURT/MAIN taz | Es ist ein letzter Satz, aber eigentlich erst der erste. „Die Demonstration ist hiermit beendet", hallt die Stimmme vom Lautsprecherwagen - und das heißt übersetzt: Das Spielfeld ist hiermit eröffnet.
Keine zwei Sekunden vergehen, da klettern die ersten vermummten Aktivisten über die robuste Zufahrtspforte, andere folgen. Minuten später sind es ein paar dutzend. Sie werfen Farbeier. Und so sind die Fensterfassaden der Europäischen Zentralbank in Frankfurt rasch mit großen Farbflecken markiert. Grün, rot, blau. Es sind die Blockupy-Farben. Das ist: Corporate Design für Autonome.
Über 2000 Menschen haben am Samstagnachmittag in Frankfurt gegen die Krisenpolitik europäischer Regierungen protestiert - und was an diesem Nachmittag in Frankfurt geschah ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich. Anders als in den Jahren zuvor hat die Frankfurter Polizei einen radikalen Strategieschwenk gemacht. Umarmen, umarmen, umarmen.
Die Hintergrund ist offenbar. Schließlich war die Behördeweit über Hessen hinaus in die Kritik geraten, als sie bei Blockupy-Protesten im Juni 2013 über Stunden hinweg eine große Demonstrantengruppe eingekesselt hatte und damit die Demonstration in Teilen faktisch verhindert hatte. Weil auch zahlreiche Journalisten an ihrer Arbeit behindert worden waren, hatte der Einsatz auch ein politisches Nachspiel.
Großherzige Offenheit
Am Wochenende war nun - fast erheiternd - zu beobachten, mit welch großherziger Offenheit die Polizei die verschiedenen Demonstrationen und Aktionen des Blockupy-Bündnisses begleitete. Zwar kam es an der Europäischen Zentralbank zu vereinzelten Pfeffersprayeinsätzen - im wesentlichen ließ die Polizei aber selbst den Farbeierwerfern freien Zu- und Abgang über die Absperrzäune rund um die EZB.
Selbst die Durchsagen waren leicht zu verwechseln mit jenen vom Demo-Wagen. Polizeisprecher so: „Hey Leute, wir wollten Euch nur nochmal sagen: Ihr macht Euch da gerade strafbar." Als der Einsatz beendet war, twitterte die Polizei dann: „Der überwiegende Teil der Teilnehmer hat ihren Protest kreativ im gesetzlichen Rahmen vorgetragen" - was auch stimmt. Es fehlte eigentlich nur, dass sich die Behörden nochmal ganz herzlich bedanken.
Bereits am Freitag hatten die Beamten auf Twitter den Aktivisten und der interessierten Öffentlickeit einen guten Service geboten - und mit zahlreichen Infos und Fotos dokumentiert, mit welchen Mitteln Demonstranten in Frankfurt etwa an die vor Europas Außengrenzen ums Leben gekommenen Flüchtlinge erinnert hat. Es war die Polizei, die Fotos von den roten Gedenkkerzen twitterte, die Aktivisten zuvor aufgestellt hatten.
Wieder im März
Seit Donnerstag hatte das Blockupy-Bündnis in Frankfurt mit zahlreichen Veranstaltungen und Demonstrationen ein sogenanntes Protest-Festival veranstaltet, das noch bis Sonntag weitergehen soll. Hinter dem Bündnis stehen zahlreiche linke Gruppen, die seit Jahren in Frankfurt an einer transeuropäischen Vernetzung von Kapitalismuskritikern arbeiten.
Tatsächlich macht der Prozess langsam Fortschritte. Inzwischen reisen zu den Treffen regelmäßig dutzende Aktivisten aus ganz Europa an. Eigentlich wollten sie in diesem Herbst die feierliche Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank zum Anlass nehmen, um einen internationalen Protestgipfel zu veranstalten. Allerdings verzichtete die Zentralbank, in deren Neubau seit Anfang November gearbeitet wird, bislang auf eine solche Feierlichkeit. Jedoch machte auch sie ihren Gegnern ein schönes Geschenk zum Wochenende - und verkündete, dass diese Eröffnung nun am 18. März 2015 stattfinden wird.
In zahlreichen linken Jahreskalendern für 2015 ist dieser Termin nun notiert - dann sollen nach den Wünschen des Blockupy-Bündnisses mehrere tausend Menschen die Bankenmetropole Frankfurt mit Blockaden und Protestaktionen lahmlegen. Wenn die Polizei dann wieder so schön twittert und umarmt, dürfte es sicher ganz lustig werden.
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