Bildungskonsens in NRW: Rot-Grün kippt die Schule für Alle
Schulkonsens in Nordrhein-Westfalen: SPD, Grüne und CDU erfinden eine weitere Schulform. Und das gegliederte System kommt in die Verfassung.
DÜSSELDORF taz | Nordrhein-Westfalens Schullandschaft wird bunter. Das ist das Ergebnis des "Schulkonsenses", auf den sich die rot-grüne Minderheitsregierung mit der CDU-Opposition verständigt hat. Danach kommt zu den bestehenden Schulformen jetzt noch eine weitere hinzu: die "Sekundarschule". Ohne Oberstufe ausgestattet, soll mit ihr als Alternative zur Haupt- und Realschule den sinkenden Schülerzahlen begegnet werden. Ein integriertes Schulsystem soll es hingegen nicht geben.
Von einer "historischen Verständigung" sprach Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Dienstag in Düsseldorf: "Wir haben für Nordrhein-Westfalen einen Schulfrieden für die nächsten zwölf Jahre geschlossen." Auch die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann übte sich in Politprosa: "Es geht darum, Kontinuität zu wahren und Aufbruch zu ermöglichen."
Die Jubelarien Krafts und Löhrmanns auf der Pressekonferenz mit den Landes-CDU-Fürsten können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rot-Grün große Kröten schlucken musste. Zwar soll die Hauptschule nicht länger in der Landesverfassung verankert sein, ersetzt wird der entsprechende Passus jedoch durch eine Festschreibung des Status quo: "Das Land gewährleistet in allen Landesteilen ein ausreichendes und vielfältiges öffentliches Bildungs- und Schulwesen, das ein gegliedertes Schulsystem, integrierte Schulformen sowie weitere andere Schulformen umfasst."
Die CDU freut sich
Damit verabschieden sich SPD und Grüne von ihrem Traum einer Schule für Alle. Diese sollte ein längeres gemeinsames Lernen mit individueller Förderung kombinieren, damit auch die Talente der sozial benachteiligten Kinder gefördert werden.
Vorbei. "Es wird definitiv in Nordrhein-Westfalen keine Einheitsschule geben", freute sich CDU-Landeschef Röttgen. Das sei ein "Ergebnis, hinter dem man stehen kann". Der Konsens werde "Bedeutung auch über Nordrhein-Westfalen hinaus" haben, so Röttgen zuversichtlich. Auch CDU-Landtagsfraktionschef Laumann lobte die Einigung: "Da ist verdammt viel CDU drin."
Neben der neuen Sekundarschule werden in NRW auch künftig weiterhin Haupt- und Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Berufskollegs und Förderschulen - "soweit sie trotz Inklusion erforderlich sind" - existieren. "Von Landesseite wird keine Schulform abgeschafft", heißt es in der rot-grün-schwarzen Vereinbarung.
Die Sekundarschule muss mindestens dreizügig sein. In Jahrgang 5 und 6 wird gemeinsam gelernt. Ab der 7. Klasse kann in getrennten Bildungsgängen unterrichtet werden. Sie werde in ihrem Aufbau der Gesamtschule "sehr ähnlich" sein, erläuterte Ministerpräsidentin Kraft. Der große Unterschied: Sie umfasst keine eigene gymnasiale Oberstufe. Damit beinhalte die gefundene Einigung eine "Systemstärkung der Gymnasien", sagte Röttgen.
Der Weg von der Sekundarschule zum Abitur soll durch "verbindliche Kooperation" mit einem Gymnasium, Berufskollegs oder einer Gesamtschule sichergestellt werden. Der Bildungsgang über eine Sekundarschule zum Abitur dauert allerdings ein Jahr länger als am Gymnasium.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück