Berlin Charlottenburg: BMW verdrängt Asylbewerber
Eine schicke neue Repräsentanz will BMW schon, aber nicht neben einem Flüchtlingsheim: Der Autobauer soll beim Senat die Auflösung der Unterkunft erwirkt haben.
Eines der größten Unternehmen Deutschlands will sich offenbar keinen Hinterhof mit Flüchtlingen teilen. Nach Informationen der taz nimmt die BMW AG Anstoß an einem Asylbewerberheim neben der neuen Firmenrepräsentanz in Charlottenburg, die im Frühjahr 2014 öffnen soll.
„Ein zukunftsweisendes, CO2-neutrales Gebäude, welches ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit steht“, werde gerade an der Ecke Kaiserdamm/Messedamm fertiggestellt – so verspricht es die BMW-Website. Weniger zukunftsweisend scheint das Bauprojekt in sozialer Hinsicht zu sein. Denn die Motorenbauer aus Bayern stört es, dass in einem Altbau am hinteren Blockrand Asylbewerber untergebracht sind. Das behaupten mehrere Bezirkspolitiker aus Charlottenburg-Wilmersdorf, und auch aus Kreisen der Landesregierung ist es zu hören – wobei dort niemand zitiert werden möchte.
Rund 230 Asylsuchende bewohnen derzeit das Heim vis-à-vis der Stadtautobahn. Von der Lärmbelästigung einmal abgesehen, ist es eines der besseren Heime Berlins. Die Zimmer verfügen über eigene Kochnischen, Nasszellen und Einbauschränke. Der Vermieter, die Firma Golden Lion mit Sitz in Baden-Württemberg, würde das Gebäude auch weiterhin als Asylheim bereitstellen. „Wir haben einen Vertrag mit dem Land Berlin bis Ende 2013 und bieten es auch darüber hinaus an“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Klein.
Auch für Berlin wäre eine Vertragsverlängerung von Vorteil, denn in der Stadt herrscht angesichts steigender Flüchtlingszahlen akuter Mangel an Unterkünften. Wenn Anfang 2014 wie geplant die Erstaufnahme in der Motardstraße schließt, dürfte das Problem noch drängender werden. Zudem ist der Weiterbetrieb eines bestehenden Heimes kostengünstiger als ein Neubau. Eine abschließende Stellungnahme, wie es mit dem Charlottenburger Heim weitergeht, war aus der Sozialverwaltung bis Redaktionsschluss nicht zu haben.
Antrag nciht zielführend
Bereits im vergangenen Sommer hatte Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) im Fachausschuss erklärt, das Asylheim solle auf Wunsch von BMW aufgegeben werden. Das Land konnte aber den Vertrag, der eigentlich im Sommer auslief, bis Jahresende verlängern. Im November dann beschäftigte sich der Integrationsausschuss von Charlottenburg-Wilmersdorf erneut mit dem Thema. Die Grünen beantragten, den Standort zu verlängern.
Ausschussvorsitzende Nadia Rouhani (Grüne) sagte der taz, Bezirksbürgermeister Reinhard Neumann (SPD) halte den Antrag für nicht zielführend. „Er sprach von einer Zusage des Senats gegenüber BMW, das Heim nicht über den Termin der Eröffnung der Niederlassung hinaus zu belegen. Jetzt sei es zu spät, daran etwas zu ändern.“
Neumann selbst bestätigt das nur teilweise: „Es gibt klar die Erwartung von BMW, dass das Heim schließt, wenn sie öffnen. Das hat mir das Unternehmen bei einer Baustellenbesichtigung mitgeteilt. Unser Bezirk wurde auch dahingehend informiert, dass das Heim zum Jahresende schließt.“
BMW will nicht bestätigen, Einfluss genommen zu haben. „Da besteht ein Vertrag zwischen dem Senat und dem Grundstückseigner. Den respektieren wir“, so Unternehmenssprecherin Birgit Hiller. „Was wir darüber hinaus mit der Stadt besprechen, sind interne Prozesse, die wir nicht kommentieren.“ Kein überzeugendes Dementi. Zwei Grünen-Politikerinnen berichten, Gesprächswünsche seien von BMW abschlägig beschieden bzw. nicht beantwortet worden.
Auch Senatssprecher Richard Meng dementierte eine Zusage der Senatskanzlei an BMW, das Asylheim auf Wunsch des Unternehmens zu schließen. Er bestätigte der taz allerdings eine Anfrage von BMW aus dem Jahr 2011, wie lange die Unterkunft noch geöffnet bleibe. „Wir haben dem Unternehmen schriftlich mitgeteilt, dass die Sozialverwaltung mit drei Jahren Laufzeit plant“, so Meng. Das entsprechende Schreiben durfte die taz nicht einsehen.
Die Grüne Canan Bayram ist empört: „Genauso wenig wie sich das Land Berlin von rechten Bürgerinitiativen vorschreiben lässt, wo es Flüchtlingsheime betreibt, sollte es sich das von Wirtschaftsunternehmen vorschreiben lassen.“
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