Auf Rechnung der Sparkassen: Sterne-Hotel und Dampferfahrt
Der Kieler Piraten-Fraktionschef empört sich über üppige Einladungen der Sparkassen an Politiker. Die Sparkassen finden die Vorwürfe haltlos.
![](https://taz.de/picture/176292/14/0297_d.jpg)
BERLIN taz | Den einen oder anderen „Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft“ dürfte die großzügige Einladung zum „Deutschen Sparkassentag 2013“ erfreut haben: Die mehrtägige Veranstaltung unter dem Motto „Mit Menschen – für Menschen“ lockt nicht nur mit Reden von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück oder Kanzlerin Angela Merkel.
Den Teilnehmern winken auch kostenlose Übernachtungen im Vier-Sterne-Hotel am Dresdner Elbufer, ein stattliches Rahmenprogramm für die Gattin oder den Gatten mit Tagesausflügen in die Sächsische Schweiz oder zu Schloss Moritzburg. Ja, sogar an die Fahrer der Dienstlimousinen wurde gedacht, sie dürfen die „Bierstadt“ Radeberg besichtigen und abends während einer Raddampferfahrt auf der Elbe edlen Whisky testen. Und für alles übernehmen die gastgebenden Sparkassen die Rechnung.
Patrick Breyer, Fraktionschef der Piraten im Schleswig-Holsteinischen Landtag, hingegen war entrüstet, als er den Brief vom Sparkassen- und Giroverband in der Post fand. Natürlich bekomme er seit dem Einzug in den Kieler Landtag im Mai 2012 regelmäßig Einladungen von Lobbyorganisationen, sagt der Jurist: „Aber so etwas Üppiges habe ich noch nicht erlebt.“
Der Pirat kritisiert nicht nur das Verhalten der öffentlich-rechtlichen Sparkassen als „ethisch wie wirtschaftlich verantwortungslos“. Breyer ist der Ansicht: Auch Politiker, die solche Einladungen für sich und ihre Begleitung annehmen, verhalten sich unlauter. Schließlich gerate jeder Teilnehmer, der nicht selbst zahle, in die Gefahr, der Sparkassenlobby zum Dank verpflichtet zu sein.
Vorwurf Gratisurlaub
Und der Fraktionschef der Piraten setzt noch eins obendrauf: Durch das kostenlose Vergnügungsprogramm werde der „Sparkassentag 2013“ zum Gratisurlaub und sei damit ein Fall von „Korruption“. So weit will Timo Lange vom Verein Lobbycontrol nicht gehen. Er rät, mit Korruptionsvorwürfen sparsam zu hantieren. Das opulente Veranstaltungskonzept rund um den „Sparkassentag 2013“ sei schließlich nach geltendem Recht nicht illegal.
Dennoch hält der Lobbyismus-Fachmann andere Kritikpunkte des Piraten aus Kiel für durchaus berechtigt. Politiker zu Reisen einzuladen, das sei „ein beliebtes Mittel der politischen Landschaftspflege“ in Deutschland, sagt Lange. Und die Sparkassen hätten „hier ganz schön dick aufgetragen“. In den USA wären solche Einladungen an Kongressabgeordnete beispielsweise inzwischen nicht mehr drin.
„Dort gibt es sehr niedrige Grenzen für die Annahme von Geschenken und klare Regeln, wenn Politikerreisen von Dritten, insbesondere von Lobbyorganisationen, bezahlt werden sollen“, berichtet Timo Lange. In Deutschland dagegen fehle bis heute selbst eine klare Definition von Lobbyorganisationen.
Der Lobbycontrol-Sprecher sieht darin einen Auftrag an die Politik: „Wir müssen uns mit der Frage befassen: In welchem Rahmen ist so etwas zulässig? Wir brauchen hier zumindest mehr Transparenz darüber, wer eigentlich wen einlädt und wer bezahlt. Gerade die Themen Gratis-Reisen und Geschenke für Politiker sind in Deutschland stark unterbelichtet.“
Sparkassentag ist Fachtagung
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband verwahrte sich auf Anfrage der taz gegen die Kritik an der für April geplanten Veranstaltung. Die „im Internet kursierenden Vorwürfe der Korruption“ seien „völlig aus der Luft gegriffen und werden von uns entschieden zurückgewiesen“, teilte ein Sprecher mit. Im Übrigen sei der „Sparkassentag“ eine „Fachtagung“, zu der selbstverständlich auch „Repräsentanten des öffentlichen Lebens eingeladen“ würden.
Weitere Auskünfte? Fehlanzeige. Weder zur Höhe des Veranstaltungsbudgets wollte sich der Sprecher des Sparkassenverbands äußern noch den Vorwurf kommentieren, das generöse Verhalten der Sparkassenlobby gehe über das branchenübliche hinaus und sei gerade in Zeiten der Bankenkrise unangemessen.
Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer sieht zwei Wege, korrekt mit solchen Einladungen umzugehen: entweder selbst zahlen – oder zu Hause bleiben. Für ihn stehe fest: „Ich nehme so eine Einladung nicht an.“
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