Attentat in Toulouse: Der Roller-Mörder schlägt wieder zu
Bei dem Attentat in Toulouse sterben drei Kinder und ein Lehrer. Es gibt Ähnlichkeiten zu Soldatenmorden vor wenigen Tagen, angeblich gibt es eine Spur zu Neonazis.
PARIS taz | Als die Eltern ihre Schulkinder gestern um acht Uhr ins jüdische „Collège Ozar Hatorah“ von Toulouse brachten, stieg plötzlich ein schwarz gekleideter Unbekannter vor dem Schulgebäude von seinem Motorroller. Ohne jede Vorwarnung begann er sogleich, mit einer Pistole auf die Anwesenden zu feuern.
Weil die Waffe, eine Parabellum 9 mm, versagte, zog er eine zweite Pistole vom Kaliber 11,43 hervor, schoss weiter und verfolgte die Kinder bis ins Innere der Schule. Dann stieg er auf sein Motorrad und floh. Ein 30-jähriger Religionslehrer, dessen 3- und 6-jährige Söhne und ein drittes 8-jähriges Kind starben vor Ort. Ein 17-jähriger Jugendlicher wurde sehr schwer verletzt. Augenzeugen sagen, der Täter habe wahllos „auf alles geschossen, was sich bewegte“.
Ein Nachbar, der die Synagoge besuchen wollte, die sich auf dem Schulgelände befindet, berichtet, wie er sich mit Schülern und Eltern im Keller in Sicherheit gebracht habe, bis die Polizei kam. Vor der Schule bot sich ein Bild des Schreckens: Viele Eltern wussten zuerst nicht, ob ihre Kinder am Leben waren. Erst zwei Stunden später konnten die Schüler die von der Polizei abgeriegelte Schule verlassen.
„Alle Kinder der Schule sind wie meine Kinder“, sagte eine der Mütter, die wenig später unter Tränen mit ihrer Tochter in den Armen die Schule verließ. Andere hatten die größte Mühe, Worte zu finden. Unvorstellbar, was passiert wäre, wenn der um diese Zeit erwartete Schulbus schon eingetroffen wäre. Die Schule zählt rund 200 Schüler.
Kein Polizist vor der Schule
Warum war an diesem Tag nicht ein Polizist vor der Schule, wie dies zur Sicherheit religiöser Institutionen doch sonst der Fall sei, fragte Patrick Rouimi, der Sprecher der Eltern. Das Innenministerium ordnete sogleich verschärfte Sicherheitsvorkehrungen für konfessionelle Privatschulen im Süden Frankreichs an.
Staatspräsident Nicolas Sarkozy traf noch vor Mittag in Begleitung mehrerer Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaft in Toulouse ein. Er werde alles tun, um den Täter zu finden, versicherte er. Der Staatschef sprach von einer „nationalen Tragödie“. Für heute, Dienstag, kündigte er eine Schweigeminute in allen Schulen Frankreichs an. Der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, François Hollande, und seine rechte Rivalin Marine Le Pen sprachen sich dafür aus, den Wahlkampf auszusetzen.
Der Staatsanwalt von Toulouse, Michel Valet, bestätigte den Journalisten vor Ort, dass gewisse Ähnlichkeiten mit den jüngsten Soldatenmorden in Toulouse und Montauban existieren. In allen drei Fällen ermittelt die Antiterrorpolizei. Stets handelte es sich um einen Angreifer auf einem Motorrad und eine großkalibrige Waffe.
Bei den Soldatenmorden am 11. und 15. März, bei denen drei der Angegriffenen starben, wurde dieselbe Waffe eingesetzt. Zumindest eine der beiden gestern verwendeten Waffen war vom selben Typ. Nach Informationen der französischen Zeitung Le Point geht die Polizei einer möglichen Spur von Neonazis nach. Drei Soldaten aus Neonazi-Kreisen sollen vor einiger Zeit aus der Militäreinheit in Toulouse entlassen worden sein.
Drei der attackierten Soldaten waren nordafrikanischer Herkunft, einer stammte aus den Französischen Antillen. Jetzt richtete sich der Angriff gegen eine jüdische Schule. Noch steht aber nicht definitiv fest, dass es in allen drei Fällen derselbe Täter war. In Montauban konnte eine Augenzeugin den Täter beschreiben: Gesucht wird ein Mann mittlerer Statur mit einer Narbe oder einer Tätowierung unter einem Auge. In Toulouse soll eine Überwachungskamera an der Schule den Angriff gestern aufgezeichnet haben.
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