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Asylrecht im KoalitionsvertragEtwas weniger Schikane

Union und SPD mildern einige Härten des Asylrechts ab. Ein Teil der Geduldeten kann auf Integration hoffen. Die Residenzpflicht bleibt aber teilweise erhalten.

Ein paar Härten weniger: Flüchtlinge fordern eine andere Asylpolitik. Bild: dpa

BERLIN taz | Noch ist offen, wer künftig das Innenministerium leitet. In Sachen Asylpolitik sind jedoch einige Härten, an denen der bisherige Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) festgehalten hat, abgemildert worden – zumindest im Innern. An der Abschottung nach außen will die Große Koalition nichts ändern.

Profitieren wird ein Teil der rund 36.000 Menschen, die seit mehr als sechs Jahren mit einer Duldung leben – dem schwächsten Aufenthaltsstatus, der jede Integration ausschließt. Für sie soll es eine lange geforderte Bleiberechtsregelung geben. Bedingung ist die „überwiegende Lebensunterhaltssicherung“. Offen sind die weiteren Ausschlusskriterien. Die Behörden dürften vor allem solchen Ausländern das Bleiberecht verweigern, die in der Vergangenheit „mangelhaft“ an der Vorbereitung ihrer eigenen Abschiebung mitgewirkt haben.

Eine der schikanösesten und umstrittensten Regelungen des Asylrechts wird gelockert: Künftig soll die EU-weit einzigartige Residenzpflicht vom Landkreis auf das Bundesland ausgeweitet werden. Bis auf Sachsen und Bayern war dies aber ohnehin schon überall der Fall.

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Für Aufenthalte bis zu einer Woche außerhalb des Bundeslandes soll künftig eine bloße Mitteilung an die Ausländerbehörde ausreichen. Bislang war ein förmlicher, gebührenpflichtiger Antrag nötig – den die Behörden nach Gutdünken ablehnen konnten. Für Studium, Berufsausübung und -ausbildung soll künftig ein Anspruch auf Befreiung von der Residenzpflicht bestehen. Frei im Land bewegen dürfen sich Asylsuchende und Geduldete nicht.

Bei der Jobsuche benachteiligt

Die Behandlung unbegleiteter 16- und 17-Jähriger als voll verfahrensmündig wird beendet. Künftig genießen alle unbegleiteten Minderjährigen Schutz. Erst mit 18 können sie ihr Verfahren betreiben.

Das Arbeitsverbot wird auf drei Monate verkürzt. Die EU hatte schon kürzlich eine Beschränkung auf höchstens neun Monate verfügt. Erhalten bleibt aber der sogenannte Nachrangigkeitsvorbehalt: Nur wenn kein Deutscher einen Job will, darf ein Asylbewerber ihn annehmen. Vor allem in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit bleibt der Jobmarkt so verschlossen.

Die Prüfung von Asylverfahren soll künftig nicht länger als drei Monate dauern. Tatsächlich war die bislang teils Jahre währende Dauer für viele Asylsuchende zermürbend. Flüchtlingsorganisationen fürchten, dass Schnellverfahren dazu dienen können, Asylsuchende möglichst schnell wieder abzuschieben, ohne ihnen ausreichend Zeit zu geben, ihre Verfolgung nachzuweisen.

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7 Kommentare

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  • K
    Klarstellung

    Falls sich jemand wundert, warum im Koalitionsvertrag für Studium, Berufsausübung und -ausbildung ein (Regel-)Anspruch auf Befreiung von der Residenzpflicht vereinbart ist, obwohl es das heute schon gibt - diese Passage bezieht sich auf Geduldete, da ist das bisher eine Ermessensregelung. Weil es nur schwer verständlich ist, dass Asylbewerber hier besser gestellt sind, wird das im Koalitionsvertrag glattgezogen.

  • V
    Vorrangprüfung

    Die Vorrangprüfung zugunsten von Deutschen, EU-Bürgern und sonst Bevorrechtigten (z.B. türkischen Staatsangehörigen) fällt nach einem Jahr weg, wenn eine Ausbildung aufgenommen werden soll. Bei einer Beschäftigung als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin fällt sie nach vier Jahren weg. In Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit dürfte das praktische Problem eher in einer fehlenden Qualifikation bzw. in fehlenden Sprachkenntnissen liegen. Interessant ist dazu folgende Vereinbarung im Koalitionsvertrag (S. 109): "Asylbewerbern und Geduldeten werden wir in Zusammenarbeit mit den Ländern

    den frühen Spracherwerb ermöglichen."

  • R
    Residenzpflicht

    Etliche EU-Staaten brauchen keine Residenzpflicht, weil sie Asylbewerber erst einmal internieren (die taz hat darüber berichtet), andere gewähren nur bei Aufenthalt am zugewiesenen Ort Sozialleistungen. Die deutsche Regelung ist also im EU-Vergleich nicht besonders restriktiv. Verlassensgenehmigungen müssen weder förmlich beantragt werden noch sind sie gebührenpflichtig. Es gibt nämlich weder eine entsprechende Formvorschrift noch einen gesetzlichen Gebührentatbestand. Eine Verlassensgenehmigung ist nicht erforderlich für Termine bei Behörden oder Gerichten. Sie muss erteilt werden, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Grundsätzlich liegen diese Voraussetzungen vor bei Schulbesuch, Studium, betrieblicher Aus- und Weiterbildung oder einer erlaubten Beschäftigung, ebenso bei Terminen bei Anwälten, UNHCR oder Flüchtlingsorganisationen.

  • G
    gast

    Das mit der Residenzpflicht für Asylsuchende ist nicht nur eine Schickane, sondern auch eine sehr gute Einnahmequelle Bayerns.

     

    Die dürfen nicht mal von München nach Augsburg fahren, wenn sie erwischt werden gibt es Geldstrafen. Noch nicht genug in Sachsen wurde darum ein Afrikaner, der bei der Karawane den Residenzbereich verlassen hat für eine Demo kriminalisiert und soll abgeschoben werden.

     

    In Nachbarländern kann jeder ohne besondere Erlaubnis reisen nur nicht in Deutschland. Da muss man zur Behörde und wenn die nein sagen, dann hat die Person zu bleiben. Das ist Beschneidung der Freiheitsrechte. Was ist daran kriminell, wenn ein Asylsuchender mal raus will aus der Stadt um Freunde zu besuchen, oder an einer Trauerfeier oder Hochzeit teilzunehmen.

  • http://www.taz.de/Haitianer-in-Dominikanischer-Republik/!128412/

     

    einfach dort nachlesen: auch in oesterreich wurde diskutiert wie man richtig verheiratet zu sein hat und die polizei verhaelt sich ebenso, der unterschied zu richtigen nazidiktaturen ist aber, dass es keine zeugen gibt und man versucht die zeugen auszurotten und das als reich und demokratisch darstellt...

    es ist wohl klar, dass die naziprozesse dazu dienen die justiz und polizei reinzuwaschen, denn rechtswidrige gesetze duerfen polizisten nicht vollziehen!

  • N
    nichtsdestotrotz

    Grundsätzlich haben Sie natürlich recht, die unmenschliche Politik bleibt bestehen, auch wenn einzelne kosmetische Verbesserungen vorgenommen werden. Wenn Sie aber Herrn Jakobs sonstige Artikel lesen werden Sie feststellen, dass er alles andere als ein Apologet der deutschen Asylpolitik ist, und auch dementsprechend berichtet. Fakt ist nunmal, auch wenn die Gesamtscheiße weiter zum Himmel stinkt, für die Betroffenen ist auch die kleinste Verbesserung ein Fortschritt.

    Nichtsdestotrotz gilt: Bleiberecht für Alle, kein Mensch ist illegal

  • Dieser Artikel ist erschreckend positiv und so langsam frage ich mich, warum die taz so wohlwollend den Asylhardliner gegenüber berichtet? Kommen wir erstmal zu den faktischen Fehler: Also in den veröffentlichten Dokumenten steht nichts von 3 Monaten Arbeitsverbot, sondern von 6 Monaten. Im Übrigen gilt die Vorrangregel auch nicht nur für Deutsche, sondern für alle EU-Bürger (Arbeitnehmerfreizügigkeit!), d.h. ein Asylsuchender müsste nachweisen, das niemand in der gesamten EU seinen Job machen kann. De facto heißt das also, dass die Ämter immer noch völlig willkürlich die Erlaubnis erteilen oder verweigern können, denn ein Grund findet sich damit immer.

     

    Warum die "Lockerung" der Residenzpflicht hier - wenn auch eingeschränkt - begrüßt wird, ist wirklich fragwürdig. Wie der Artikel ja auch feststellt gilt diese Regelung eh schon in 14 von 16 Bundesländern. Wenn eine Regelung nicht mehr angewendet wird, dann tut auch die Abschaffung nciht mehr sehr weh.

     

    Negative Aspekte werden hier gar nicht behandelt und das finde ich eine sehr unausgewogene Berichterstattung: So sollen zahlreiche Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten anerkannt werden und zwar einzig mit dem Ziel, Roma aus diesen Ländern schneller wieder abzuschieben. Wer die Menschenrechtslage der ROma in diesen Staaten kennt, kann darüber nur den Kopf schütteln.

     

    Ebenso sollen die Herkunfts- und Translitländer noch stärker in die Abwehr eingebunden werden, d.h. Flüchtlinge sollen gar nicht erst in die Nähe der EU kommen (weil die untergehenden Schiffe im Mittelmeer sind halt doch schlechte Publicity...). Na schönen Dank für solche Neuerungen!