+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel befiehlt Evakuierung eines Viertels des Libanon
Laut UN wurden bei einem ersten Angriff auf Nordlibanon viele Frauen und Kinder getötet. Ein Viertel des Landes stehe unter Evakuierungsbefehl.
Frauen und Kinder bei Angriff auf Nordlibanon getötet
Bei seinem ersten Angriff auf den Norden des Libanons am Montag wurden laut UN vor allem Frauen und Kinder getötet. „Wir hören, dass unter den 22 getöteten Menschen zwölf Frauen und zwei Kinder waren“, sagte Jeremy Laurence, der Sprecher des UN-Menschenrechtsbüros.
Bei dem Angriff auf Aitou im Nordlibanon sei ein vierstöckiges Wohngebäude getroffen worden, sagte Laurence. Das israelische Militär hatte am Montag erstmals die überwiegend von Christen bewohnte Region angegriffen. Angesichts der bekannten Fakten habe das UN-Menschenrechtsbüro ernste Bedenken im Hinblick auf das humanitäre Völkerrecht, also das Kriegsrecht und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, sagte Laurence. Er fordert eine Untersuchung des Vorfalls. (reuters)
Evakuierungsbefehl für ein Viertel des Libanons
Der Libanon steht nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen zu mehr als einem Viertel unter Evakuierungsbefehl des israelischen Militärs. Die Nahost-Direktorin des UN-Flüchtlingshilfswerkes, Rema Jamous Inseis, erklärte am Dienstag in Genf: „Jetzt stehen über 25 Prozent des Landes unter einem direkten israelischen Militärbefehl zur Evakuierung“. Es gebe Anordnungen für die Bewohnerinnen und Bewohner von zwanzig weiteren Ortschaften, ihre Häuser umgehend zu verlassen. „Die Menschen folgen diesem Aufruf zur Evakuierung und fliehen mit fast nichts“, sagte die Nahost-Direktorin.
Israels Militär geht nach eigenen Angaben gegen Ziele der Hisbollah vor, die mit der Hamas im Gazastreifen und dem Iran verbündet ist. Trotz ihrer Schwächung durch die gezielte Tötung von Kommandeuren und Anführern seitens Israel ist die Hisbollah im Libanon noch immer einflussreich. In dem Land leben schiitische und sunnitische Moslems, Drusen sowie maronitische und orthodoxe Christen, was sich auch in der Machtverteilung widerspiegelt.
Nach Angaben der libanesischen Regierung wurden in den vergangenen zwölf Monaten mindestens 2309 Menschen durch israelische Angriffe getötet – die meisten von ihnen seit Ende September. Mehr als 1,2 Millionen Menschen seien auf der Flucht. Das israelische Militär hat im Kampf gegen die radikale Hisbollah-Miliz den Beschuss des Libanons seit geraumer Zeit verstärkt. Im Visier waren bislang vor allem der Süden, wo die Hisbollah traditionell stark vertreten ist, die Bekaa-Ebene im Osten sowie die Hauptstadt Beirut. (reuters)
Polizist bei Anschlag in Israel getötet
Bei einem Anschlag in Israel ist nach Behördenangaben ein Polizist getötet worden. Vier weitere Menschen seien verletzt worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. Der Attentäter eröffnete den Angaben zufolge auf einer Schnellstraße südlich von Tel Aviv das Feuer auf Autofahrer. Er sei daraufhin selbst von einem Zivilisten erschossen worden.
Die Polizei teilte mit, es liefen noch Ermittlungen zum genauen Hintergrund des Vorfalls. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr ist es auch in Israel wieder vermehrt zu Anschlägen von Palästinensern gekommen. (dpa)
Israel will weder Irans Atom- noch Ölanlagen angreifen
Israel will seinen geplanten Vergeltungsschlag gegen den Iran einem Bericht zufolge auf militärische Einrichtungen konzentrieren und Atom- und Ölanlagen verschonen. Das habe der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der US-Regierung mitgeteilt, berichtete die Zeitung Washington Post unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Beamte. Bei ihrem Telefonat am 9. Oktober habe Netanjahu dem US-Präsidenten Joe Biden gesagt, er plane, militärische Infrastruktur im Iran anzugreifen.
Netanjahus Büro teilte zu dem Bericht mit: „Wir hören uns die Ansichten der Vereinigten Staaten an, aber wir treffen unsere endgültigen Entscheidungen auf der Basis unserer nationalen Sicherheitsinteressen.“
Vor zwei Wochen hatten Irans Revolutionsgarden rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat gefeuert. Israel kündigte daraufhin Vergeltung an.
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Ein israelischer Angriff auf den Iran solle vor den US-Wahlen am 5. November erfolgen, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter Beamter der Zeitung weiter. Würde Israel nicht reagieren, könnte das vom Iran als Zeichen der Schwäche interpretiert werden.
US-Präsident Biden hatte deutlich gemacht, einen israelischen Angriff auf iranische Atomanlagen nicht zu unterstützen. Laut Analysten könnte ein Angriff auf Ölanlagen die Energiepreise nach oben treiben, eine Attacke auf Atomanlagen hingegen eine weitere Eskalation auslösen und die USA in den Konflikt hineinziehen. Netanjahus Plan, lediglich militärische Einrichtungen anzugreifen, sei in Washington mit Erleichterung aufgenommen worden.
Allerdings dringen prominente israelische Politiker weiter auf einen Angriff auf iranische Atomanlagen. „Israel darf diese einmalige Gelegenheit zur Zerstörung des iranischen Atomprogramms nicht verpassen“, schrieb der frühere israelische Ministerpräsident Naftali Bennett Anfang Oktober auf der Plattform X. „Wenn wir es jetzt nicht tun, sehe ich nicht, dass es jemals passieren wird.“ (dpa)
Medien: Israel fliegt Angriffe im Nordosten des Libanons
Die israelischen Streitkräfte sind Medienberichten zufolge Luftangriffe auf den Nordosten des Libanons geflogen. Getroffen worden seien mehrere Gebiete in der Bekaa-Ebene und rund um die Stadt Baalbek, berichtete der Hisbollah-nahe Fernsehsender Al-Majadin. Der Fernsehsender MTV meldete mindestens zehn Luftschläge in Baalbek und dem Umland. Auf einem Video, das aus dem Dorf Duris stammen soll, war ein brennendes Gebäude zu sehen.
Baalbek gilt israelischen Medienberichten zufolge als Hochburg der Schiiten-Miliz Hisbollah. Die Region wurde seit Beginn der Eskalation Ende vergangenen Monats bereits mehrfach von der israelischen Luftwaffe bombardiert. Die israelischen Streitkräfte greifen nach eigenen Angaben immer wieder Stellungen der proiranischen Miliz an. Die Hisbollah feuert ihrerseits weiterhin Raketen auf Israel ab. Nach Angaben des israelischen Militärs wurden am Montag etwa 115 Geschosse registriert, die aus dem Libanon auf Israel abgefeuert wurden.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte an, die Hisbollah weiterhin hart im ganzen Libanon zu bekämpfen. (dpa)
Israels Militär: Kommandozentrale der Hisbollah entdeckt
Israelische Bodentruppen haben im Südlibanon nach Angaben des Militärs eine unterirdische Kommandozentrale der Hisbollah entdeckt. Der Komplex habe der Elitetruppe Radwan gedient, teilten die Streitkräfte mit. Dort seien Waffen, Munition und Motorräder gefunden worden. Der unterirdische Komplex war nach Militärangaben so konzipiert, dass Radwan-Einheiten sich dort ausrüsten und dann zu Fuß oder auf Motorrädern in israelisches Territorium eindringen konnten. Bei der Entdeckung der Anlage sei ein Radwan-Kämpfer getötet worden. (dpa)
Missionschef: Unifil hält ihre Stellungen
Trotz der israelischen Aufforderung zum Abzug sollen die Soldaten der UN-Beobachtermission im Libanon (Unifil) ihre Arbeit vorerst fortsetzen. „Es wurde die Entscheidung gefällt, dass Unifil derzeit alle ihre Stellungen hält, obwohl sie von den israelischen Streitkräften zum Abzug aus ihren Positionen nahe der Grenze aufgefordert wurde“, sagte der Chef der UN-Friedensmissionen, Jean-Pierre Lacroix.
Bei den Kämpfen zwischen den israelischen Streitkräften und der Hisbollah waren die Blauhelme in den vergangenen Tagen mehrmals unter Feuer geraten, mindestens vier Soldaten wurden dabei verletzt. Die UN-Mission überwacht das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon bereits seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10.000 UN-Soldaten aus mehr als 50 Ländern beteiligt, darunter auch die Bundeswehr. (dpa)
UN-Sicherheitsrat kritisiert Angriffe auf Unifil
Nach dem wiederholten Beschuss von Stellungen der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) zeigte sich der Weltsicherheitsrat besorgt um die Sicherheit der dort stationierten Blauhelmsoldaten. „Wir rufen alle Parteien dazu auf, die Sicherheit des Personals und der Einrichtungen von Unifil zu respektieren“, sagte die Schweizer UN-Botschafterin Pascale Baeriswyl als amtierende Präsidentin des Sicherheitsrats im Namen aller 15 Mitglieder. „Wir erinnern daran, dass UN-Friedenssoldaten und UN-Liegenschaften niemals Ziel von Angriffen werden dürfen.“
Angesichts der Kämpfe zwischen den israelischen Streitkräften und der Hisbollah äußerte der UN-Sicherheitsrat auch seine Besorgnis über zivile Opfer, die Zerstörung der Infrastruktur und die steigende Zahl an Binnenflüchtlingen. „Wir rufen alle Parteien dazu auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten“, sagte Sicherheitsratspräsidentin Baeriswyl. (dpa)
Australien belegt fünf Iraner mit Sanktionen
Die australische Regierung hat Sanktionen und Einreiseverbote gegen fünf iranische Staatsbürger verhängt. Ihnen werde vorgeworfen, zum Raketenprogramm der Islamischen Republik beigetragen zu haben, sagte die australische Außenministerin Penny Wong am Dienstag. Das Abfeuern von mindestens 180 ballistischen Raketen auf Israel am 1. Oktober habe „eine gefährliche Eskalation“ markiert, die das Risiko eines umfassenderen Krieges in der Region erhöht habe. „Australien wird den Iran weiterhin für seine rücksichtslosen und destabilisierenden Handlungen zur Verantwortung ziehen“, sagte Wong.
Die neuen Sanktionen zielen auf zwei Direktoren und einen weiteren hochrangigen Vertreter der iranischen Organisation der Luft- und Raumfahrtindustrien (AIO), den Direktor der Shahid Bagheri Industrial Group und den kaufmännischen Direktor der Shahid Hemmat Industrial Group ab. Damit wächst die Liste der von Australien mit Sanktionen belegten Personen und Organisationen oder Unternehmen mit Verbindungen zum Iran auf 200 an. (ap)
China ruft zum Dialog zwischen Israel und Iran auf
Der chinesische Außenminister Wang Yi hat sich in Gesprächen mit seinen Amtskollegen in Israel und dem Iran besorgt über die eskalierenden Spannungen im Nahen Osten gezeigt. Peking rief die beiden verfeindeten Länder dazu auf, Gespräche zu führen, um ihren Konflikt zu lösen und nicht in einen „Teufelskreis“ zu geraten, wie die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua unter Berufung auf ein Telefonat Wangs mit dem israelischen Außenminister Israel Katz berichtete.
Wang forderte demnach zudem eine Waffenruhe im Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas sowie die Freilassung aller Geiseln aus der Gewalt der palästinensischen Extremisten. Die „humanitären Katastrophen“ im Gazastreifen müssten beendet werden, sagte Wang laut Xinhua zu Katz. Der chinesische Top-Diplomat sprach auch mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi, der bekundete, sein Land sei besorgt über das Risiko einer „umfassenden Eskalation“ des Konflikts und wolle nicht, dass sich dieser ausweite. (ap)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient