Krise der DFB-Männer: Es gibt keine Liebe mehr
Die Nationalmannschaft der Männer steckt tief in der Krise. Noch schlimmer für den DFB – immer weniger Menschen interessieren sich für das Gegurke.
E s ist zum Heulen. Der deutsche Nationalmannschaftsfußball der Männer liegt darnieder. Selbst als in den Jahren von 2002 bis 2004 die ganze Welt über die Deutschen als Nation von Rumpelfüßlern gelacht hat, war es nicht ganz so schlimm. Da herrschte immerhin noch die Hoffnung, dass es Deutschland zur Not mit einer Mannschaft bestehend aus Torwart, Libero und neun Vorstoppern ganz weit in jedem Turnier bringen kann. Und jetzt? Nichts. Keine Stabilität hinten, keine Qualität im Sturm und dazwischen null Kreativität trotz guter Ballkontrolle. Und das Verrückteste: Den meisten Deutschen ist das scheißegal.
Und das, obwohl 2024 eine Fußball-Europameisterschaft in Deutschland stattfinden wird. Im eigenen Land! Auch das treibt kaum jemandem Angstschweiß auf die Stirn. Sollen sie sich doch blamieren, scheint sich Fußballdeutschland zu denken. Man hat sich sowieso an Blamagen gewöhnt. 2018 in Russland war das Vorrundenaus noch so etwas wie ein Schock.
Aber dieser arrogante DFB, der zur Mission Titelverteidigung nach Russland gereist war und dabei vergessen hatte, dass dafür vielleicht auch mal ein Spiel gewonnen werden muss, hat damals schon jede Menge Kredit verloren. Dann kam die Pandemie-EM 2021, bei der sich die Deutschen mit einem 2:2 gegen die Fußballgroßmacht der 1950er Jahre Ungarn in die K.-o.-Runde gewürgt hat. Dass sich die DFB-Auswahl in Katar schon wieder blamiert hat, hat dann schon keinen mehr gewundert.
Hinschauen wollten sowieso immer weniger Leute – wegen des finsteren Emirats Katar die einen, wegen der organisierten Menschenfreundlichkeit des DFB mit einer wachsweichen Kapitänsbinde, auf der die knallharte Parole „One Love“ stand, andere. Und wieder andere, weil das ideenlose Ballbesitzspiel des Teams einfach nur noch narkotisierend wirkte.
Bunte Eingreiftruppe
Wie der DFB, der so tat, als habe ihn das absehbare Desaster in Katar wirklich überrascht, dann auf die WM-Performance reagierte, hat dann vielen den Rest gegeben. Eine Task Force, die den deutschen Fußball retten sollte, wurde gebildet. Deren Zusammensetzung wirkt wie ein schlechter Scherz von Oliver Welke in der „heute-Show“.
Red-Bull-Manager Oliver Mintzlaff saß da drin, der damalige Bayern-Boss Oliver Kahn, die Fußball- und Fußballmanagerrentner Rudi Völler und Karl-Heinz Rummenigge, der Fußballgescheitmeier und professionelle Miesepeter Matthias Sammer, der selbsternannte, neue starke Mann des Fußballs Hans-Joachim Watzke, hauptberuflich Boss des Dauernichtmeisters Borussia Dortmund, und DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der Macher des One-Love-Desasters und gewiss auch sonst nicht gerade ein Fußballfachmann. Diese bunte Truppe kam dann auf die Idee, Rudi Völler zum DFB-Direktor für die Nationalmannschaft zu machen.
Der liefert nun genau das, was von ihm zu erwarten war. Aber dass es den deutschen Fußball wirklich nicht weiter bringt, wenn sich der DFB-Direktor gegen das Gendern ausspricht und Klimaklebern rät, sich ja nicht in Italien auf eine Straße zu pappen, weil die Leute da unten dafür nicht so viel Verständnis haben wie in Deutschland, ist dann auch schnell klar geworden. Nun hat Völler mal eben eine Portion Euphorie für die Heim-EM im nächsten Jahr bestellt. Ob Amazon da helfen kann?
Des Direktors merkwürdige Drohungen
Dass Völler nun den Nationalspielern, die sich bei den jüngsten Testspielpleiten gegen Polen und Kolumbien teilweise so verhalten haben, als hätte sie jemand mit Sekundenkleber am Rasen befestigt, mit dem Rausschmiss aus der Nationalmannschaft droht, auch das kann nicht wirklich hilfreich sein. Zum einen ist das ein schwerer Eingriff in den Arbeitsbereich von Bundestrainer Hansi Flick, und zweitens hieße das ja, es stünden haufenweise Spieler parat, die die in Ungnade gefallenen ersetzen könnten. Die Namen dieser Spieler wüsste man nun doch schon zu gerne.
Nun hat Hansi Flick dem DFB-Präsidenten versprochen, dass im September, wenn die Deutschen gegen Japan und Frankreich zu Testspielen antreten, alles besser werde. Und der hat ihm das glatt abgenommen. Vielleicht bleibt ihm ja auch gar nichts anderes übrig. Sein Verband ist klamm. Einen Trainerrauswurf kann er sich vielleicht gar nicht leisten.
Die Kassen sind leer. Weil der DFB Millioneneinnahmen nicht korrekt verbucht haben soll, wurde ihm für die Jahre 2014 und 2015 die Gemeinnützigkeit aberkannt. Es drohen Steuernachzahlungen im zweistelligen Millionenbereich. Rückstellungen sorgen für ein dickes Minus im Verbandshaushalt.
Jürgen Klopp, für den etwa die Bild-Zeitung schon die Rolle als Messias des deutschen Fußballs reserviert hat und der beim FC Liverpool 18 Millionen Euro verdienen soll, müsste dem DFB seine Dienste beinahe schon ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Klopp kann kaum ernsthaft Thema beim DFB sein. So wie die Nationalmannschaft kaum noch Thema im Land des vierfachen Weltmeisters ist.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument