Dating in der Pandemie: Als Corona monogam machte
Corona hat Distanz geschaffen. Statt mit Dates, sprach unsere Kolumnistin mit ihren Pflanzen. Doch es gibt Hoffnung auf Nähe.
W enn wir ehrlich sind, hatten klassische monogame Beziehungen vor der Pandemie einen mittelmäßigen Ruf. Sie galten bei vielen als spießig, langweilig und nicht mehr zeitgemäß. Vielleicht spreche ich nur aus meiner Berliner Bubble heraus, aber nach und nach kristallisieren sich andere, vermeintlich aufregendere Beziehungsmodelle heraus.
Links und rechts von mir merkte ich die Entwicklung. Einige Freunde wagten offene Beziehungen, andere setzten eher auf Freundschaft-Plus-Modelle und viele trennten sich von langjährigen Partner*innen. Die Rapperin Megan Thee Stallion sang vom Hot Girl Summer und alle brachten sich in Stellung (sorry).
Dann kam Corona. Anfangs dachten wir ja alle, dass es zwei Wochen Homeoffice, Netflix und chillen bedeutet. Die Ernüchterung folgte schnell: Miss Rona is here to stay. Monate später hatte sich unsere Sprache verändert: Wir redeten selbstverständlich von Inzidenzwerten, Abstandsregeln und Hygienekonzepten. Lockdown light, harter Lockdown und Brücken-, und Wellenbrecherlockdown wurden Teil unseres Vokabulars. Auch unsere Gewohnheiten veränderten sich: „Maske, Handy, Schlüssel“, sagen wir jedes Mal laut, bevor wir das Haus verlassen.
Ich persönlich rede seit der Pandemie sehr viel mehr mit mir selbst (und meinen Pflanzen). Ich kenne jedes Testzentrum in meiner Nähe (praktisch, weil alle vier Stunden ein neues aufmacht), bin versiert in Selbsttests und kenne jede Ecke in meiner Nachbarschaft, die sich zum Spazierengehen eignet. Es liegt nahe, dass sich auch unsere Art zu daten verändert. Viele Orte, an denen man sich früher zum Date getroffen hat, sind nicht mehr zugänglich. Natürlich gibt es Alternativen zu Kino, Restaurant und Bar, aber ein romantisches Candlelight-Dinner beim Lieblingsitaliener lässt sich auch mit viel Fantasie schlecht durch ein kleines Picknick auf einer Parkbank bei 5 Grad ersetzen.
Monogam voll im Kurs
Im Sommer 2020 ging man mit neuen Bekanntschaften spazieren, Eis essen und saß viel an Berliner Ufern rum. Für einen kurzen Augenblick fühlte es sich gar nicht so schlimm an. Im Herbst war es schlagartig vorbei mit diesem vorsichtigen Optimismus. Hot Girl Fall klingt eben auch ganz anders als Hot Girl Summer. Ab November 2020 waren viele plötzlich in (monogamen) Beziehungen. Aufmerksame Leser*innen dieser Kolumne kennen das Phänomen „Cuffing Season“.
Im Herbst letzten Jahres wurde Cuffing Season auf die Spitze getrieben. Wer sich kein*en Partner*in schnappen konnte, legte sich einen Hund zu oder die siebte Monsterapflanze fürs Wohnzimmer. Plötzlich waren (monogame) Beziehungen wieder hoch im Kurs. Mal schauen, wie lange das hält und wie dieser Sommer wird. Der Impffortschritt und die rückläufige Inzidenz lassen darauf hoffen, dass 2021 zumindest ein Hot Girl Fall möglich ist. Ich hoffe, denn langsam gehen mir die Gesprächsthemen mit meinen Pflanzen aus.
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