„Die Abstimmung kommt verfrüht“

Christopher Fomunyoh vom National Democratic Institute über die Wahlen in Kamerun am 7. Oktober

Christopher Fomunyoh,

62, ist Regionaldirektor für West- und Zentralafrika des National Democratic Instituts (NDI) mit Sitz in Washington. Seit dem vergangenen Jahr wurde in seinem Heimatland Kamerun immer wieder darüber spekuliert, ob er bei der Präsidentschaftswahl am 7. Oktober gegen Amtsinhaber Paul Biya antritt

Interview Katrin Gänsler

taz: Herr Fomunyoh, in West- und Zentralafrika ist die Bevölkerung jung. Je nach Land sind bis zu 67 Prozent jünger als 25 Jahre alt, die meisten Präsidenten jedoch weit über 60. Gibt es ein Land, dem der Generationswechsel gelungen ist?

Christopher Fomunyoh: Vergleicht man beide Regionen, so muss man sagen, dass Westafrika durch Wahlen viele Fortschritte gemacht hat. In den 15 westafrikanischen Staaten werden 14 von Präsidenten regiert, die in ihrer ersten oder zweiten Amtszeit sind. Das ist eine große Verbesserung. Togo bleibt die einzige Ausnahme. Im Vergleich zu Zeiten, in denen Präsidenten ihr Leben lang im Amt blieben und es nur eine Partei gab, ist das ein Zeichen, dass sich eine Wahldemokratie festigt.

Und in Zentralafrika?

Dort verhält es sich anders. Es gibt kein einziges Land, in dem andere politische Parteien durch Wahlen an die Macht gekommen sind. Es ist also noch ein langer Weg.

Ein Beispiel ist Ihr Heimatland Kamerun, wo Präsident Paul Biya seit 1982 regiert. Gewählt wird dort am 7. Oktober. Eine Wende?

Mit dem aktuellen Konflikt, besonders durch die Krise im anglofonen Teil, werden die Grundfeste des kamerunischen Staates in Frage gestellt. Das ist eine existenzielle Krise für etwa acht Millionen Kameruner. Ich hatte von der Regierung und dem Präsidenten erwartet, dass die Beendigung dieser Krise Priorität hat, bevor Wahlen organisiert werden. Doch wenn es diese Priorität nicht gibt, halte ich es für verfrüht, die Wahlen durchführen zu lassen.

Menschen in den beiden ­anglofonen Regionen klagen seit langer Zeit über Marginalisierung durch die französisch dominierte Regierung. Ist es überhaupt möglich, in diesen Gebieten Wahlen durchzuführen?

Eventuell nicht. Ich möchte kein Schwarzmaler sein, aber ich befürchte, dass sie weder organisiert werden können, noch werden Menschen an der Wahl teilnehmen. Aufgrund der anhaltenden Krise können sie gar nicht in die Wahllokale gehen. Die Zahl der Ermordeten, Vertriebenen und Flüchtlinge ist hoch. Es geschehen viele schreckliche Dinge.

Was würde passieren, wenn die Wahlen lediglich in den acht übrigen, also den frankofonen Regionen stattfinden würden?

Das würde die Krise nur noch mehr verschärfen. Die Nachricht würde lauten: Die Menschen dort gehören gar nicht nach Kamerun, weshalb auch keine Wahlen stattfinden. Mitte Juli habe ich in Kamerun gesagt: Ich kann nicht mit gutem Gewissen über die Leichen dort gehen, das tägliche Leiden sehen und Wahlkampf betreiben.

„Die aktuelle Krise stellt die Grundfeste des kamerunischen Staates in Frage“

Bewohner der anglofonen Region fordern einen eigenen Staat. Ist das eine Lösung?

Als die Krise vor zwei Jahren begann, es aber noch keine Toten gab, keine niedergebrannten Dörfer, keine Flüchtlinge, habe ich gesagt: Man muss durch Dialog die Wurzeln der Unzufriedenheit ermitteln. Es braucht eine Plattform, wo Gefühle ausgedrückt werden können. Nach den ganzen Vorfällen darf man nicht pauschalisieren und sagen: Jeder, der die Spaltung will, gehört erschossen, oder jeder, der für Föderalismus ist, betrügt den Staat. Dann wird das Problem nie gelöst. Wir müssen den Menschen zuhören und ihre Vorschläge einbeziehen.

Ist das mit Präsident Paul Biya möglich?

Das schuldet jeder Präsident der Bevölkerung seines Landes. Sie hat ihm das Mandat gegeben, er muss Verantwortung übernehmen. Allerdings könnte einer Regierung, die seit fast 40 Jahren im Amt ist, das Gespür fehlen, wie man mit neuen Krisen umgeht und vernünftige Auswege erarbeitet.