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Studie zu Rechtstendenzen im OstenDiagnose: Sachsenstolz

Immer wieder macht Ostdeutschland mit rechter Gewalt Schlagzeilen. Warum nur? Eine Studie suchte nach Antworten.

Bei Pegida weisen Flaggen den Weg vom Lokalpatriotismus zum Nationalismus Foto: dpa

Berlin taz | Bautzen, Tröglitz, Freital – längst sind diese Orte Chiffren rechter Gewalt. Brandanschläge auf Asylunterkünfte, Neonazi-Randale, Bedrohungen von Flüchtlingshelfern und Lokalpolitikern: Das sind die Schlagzeilen, mit denen Ostdeutschland immer wieder aufwartet, allen voran Sachsen. Warum nur?

Dieser Frage gingen Wissenschaftler des Göttinger Instituts für Demokratieforschung um den Politikprofessor Franz Walter nach. Der Auftrag erging vom Bundeswirtschaftsministerium, genauer von der dort angesiedelten Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke (SPD). Sie wird die Studie am Donnerstag vorstellen, der taz lag sie vorab vor. Zentrales Ergebnis: Das Problem liegt bei den Politikern vor Ort – und ihrem mangelnden Widerspruch zu rechten Umtrieben.

Vor allem zu Sachsen finden die Forscher deutliche Worte. Gerade dort gebe es ein „spürbares Bedürfnis nach einer kollektiven Identifikation mit einer möglichst positiven, moralisch ‚sauberen‘ regionalen Identität“. Es finde eine „Überhöhung des Eigenen, Sächsischen“ statt, die Fremdenfeindlichkeit ausblende – oder gar als „genuin sächsische Widerständigkeit“ auslebe. Und die Politik, vor allem der CDU, förderte dies, so die Studienautoren: Indem sie die Probleme „mit Sachsenstolz übertünchen“.

Die Wissenschaftler hatten sich von Mai bis Dezember 2016 die sächsischen Städte Freital und Heidenau sowie den Erfurter Stadtteil Herrenberg genau angeschaut. Alle Orte gelten als rechte Hochburgen. Dort führten die Forscher rund 40 Einzelinterviews mit Politikern und Bürgern, dazu mehrere Gruppendiskussionen und eine „teilnehmende Beobachtung“ vor Ort.

„Obsessive Sorge“

Die Studie nennt ein „Ursachenbündel“ für den in Ostdeutschland grassierenden Rechtsextremismus. Einen Teil davon sehen die Autoren schon vor Jahrzehnten angelegt: in der DDR. Das Aufwachsen in einer geschlossenen Gesellschaft, die damalige Migrationspolitik – Völkerfreundschaft ja, aber MigrantInnen nur als Gäste – und ein von jeher begrenzter Kontakt zu Zuwanderer: All diese Faktoren könnten für eine erhöhte Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland „nicht stark genug betont werden“.

Dazu komme die Erfahrung der Wiedervereinigung. Die Erwartungen der Ostdeutschen seien hier „überzogen“ gewesen. Als statt Wirtschaftswunder Jobverluste eintraten, blieb ein Gefühl der „kollektiven Benachteiligung“ zurück. Bis heute bestehe in Ostdeutschland eine „obsessive Sorge“, so die Autoren, die da lautet: „‚Die Fremden‘ könnten besser wegkommen als ‚wir‘ selbst.“

Nicht hilfreich sei auch eine Distanzierung vieler Ostdeutscher von Parteien und Verbänden nach der Wende, als „Gegenreaktion auf die Zwangskollektivierung im sozialistischen Alltag“. Eine demokratische Entwicklung sei so ausgebremst worden, ebenso die politische Bildung. Dazu komme eine „selektive Erinnerungskultur“.

So sagte ein Herrenberger Lokalpolitiker den Forschern, zu DDR-Zeiten habe es keine faschistischen Umtriebe gegeben. In Freital mochte sich laut Studie niemand an die Angriffe auf das örtliche Gastarbeiterwohnheim 1991 erinnern.

Generell, so die Wissenschaftler, komme es zu einer „unglücklichen Verquickung von Dispositionen“ in Ostdeutschland, die rechte Einstellungen beförderten. Die Politik vor Ort lasse diese zudem „eruptiv eskalieren“.

Harmoniesehnsucht der CDU

Harsche Kritik muss sich hier die sächsische CDU anhören. Vor allem ihre Vertreter seien es, die eine politische Kultur beförderten, „die das Eigene überhöht und Abwehrreflexe gegen das Fremde, Andere, Äußere kultiviert“, so die Studienautoren. Um „Ruhe und Ordnung“ zu schaffen, würden Probleme ausgeblendet und rechte Gewalttaten relativiert. Klare Worte blieben aus. Die Forscher sprechen von einer „Harmoniesehnsucht“. Selbst einige linke Parteien in Sachsen würden Gruppen, die auf Rechtsextremismus hinwiesen, als „Nestbeschmutzer“ angehen.

„Besonders ernüchternd“ seien die Erfahrungen in Freital gewesen, heißt es. Die seit 16 Jahren von der CDU geführte Stadt machte 2015 mit einer ganzen Reihe an Übergriffen auf Flüchtlinge und linke Politiker auf sich aufmerksam. Eine lokale Gruppe steht heute unter Terrorvorwurf vor Gericht. Jegliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus sei in der Stadt „von vornherein abzuwehren versucht“, Interventionen von außen „grundsätzlich mit Argwohn“ begegnet worden.

Für die Autoren ist klar: „Die Lösung liegt vor Ort.“ Ein Umsteuern der Politik auf dieser Ebene sei „möglich wie notwendig“. So gebe es etwa in Erfurt, ein überparteiliches Bündnis, dass sich klar gegen rechts positioniere. Allerdings geben die Forscher auch einen trostlosen Ausblick: Viele Ostdeutsche seien „für etwaige politische Gegenmaßnahmen nur sehr bedingt, meist überhaupt nicht mehr erreichbar“.

Die Ostbeauftragte Gleicke appellierte, aus der Studie „Schlussfolgerungen für die Stärkung der Demokratie und für den aktiven Kampf gegen Rechtsextremismus“ zu ziehen. Bereits der jüngste Jahresbericht der Bundesregierung warnte, Fremdenfeindlichkeit stelle „eine große Gefahr für die gesellschaftliche, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung der Neuen Länder dar“.

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59 Kommentare

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  • Wie ich anderen Berichten entnehmen knnte, sind evtl. einige der Interviews gefälscht, bzw. diese Personen nicht zu identifiziren:Nun gibt es im Stadtrat von Freital keine Frau Laski, wie im Abschlussbericht der Göttinger behauptet und einen Herrn Menke, mit dem die Göttinger ein Interview geführt haben wollen, den gibt es im Stadtrat auch nicht. Von einem Herrn Dreier, der Mitglied der Fraktion SPD/Grüne im Stadtrat Freital sein soll, ist im Stadtrat Freital auch keine Spur zu finden. Dasselbe gilt für Herrn Thiele, der Mitglied der Fraktion „Bürger für Freital“ im Freitaler Stadtrat sein soll. D.h. alle Mitglieder des Stadtrats, mit denen angeblich Interviews geführt worden sein sollen, sind im Stadtrat Freital nicht Mitglied. Ob die entsprechenden Interviews erfunden wurden oder die Mitgliedschaft im Stadtrat, warum auch immer nur behauptet wurde, ist uns derzeit nicht bekannt.

    Eine Erklärung dafür, dass sich Frau Laski, Herr Menke, Herr Dreier oder Herr Thiele nicht im aktuellen Stadtrat von Freital finden, könnte darin bestehen, dass die genannten nach Neuwahlen ausgeschieden sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Laufzeit des Projekts, dessen Abschlussbericht u.a. auf den Interviews mit den behaupteten Mitgliedern des Stadtrats Freital beruht, war von 2016 bis 2017. Der derzeitige Stadtrat Freital ist seit 2014 im Amt. Insofern haben die Göttinger offensichtlich Interviews mit nicht existenten Stadträten geführt oder erfunden oder gefälscht.

    • @Klaus Scheid:

      Und welchen "anderen Berichten" haben Sie diese tollen Informationen so entnommen? Die finden sich nämlich komischerweise nur auf rechten bis rechtsradikalen Seiten wie Achse des Guten und sciencefiles, auf die Sie schon weiter unten verlinkt haben... und auf deren Mangel an Seriosität Sie ja schon ein anderer Nutzer hingewisen hat.







      Wer freilich statt rechte Propaganda zu verbreiten mal einen Blick in die tatsächliche Studie wirft, findet ziemlich schnell die Antwort, warum einige der dort genannten Namen so nicht in der Realität existieren: Nämlich, weil diese Interviewpartner aufgrund der Bedrohungslage vor Ort um Anonymisierung gebeten haben, und die Namen in der Studie deshalb abgeändert wurden (leicht zu erkennen daran, dass bei diesen Teilnehmern nur ein geänderter Nachname statt der vollen Namensnenung angegeben ist):



      "In Anbetracht des brisanten Themenkomplexes der in einem sehr kleinräumigen Ort durchgeführten Interviews und der damit einhergehenden potenziellen Gefährdung bitten insbesondere die zum Komplex Erfurt-Herrenberg, aber auch einige der in Heidenau und Freital befragten InterviewpartnerInnen/Quellen um Anonymität innerhalb der Öffentlichkeit. Im Rahmen der geführten Interviews innerhalb des Stadtteils greift diese Maßnahme direkt im vorliegenden Bericht. Ebenso wurden die Namen der FokusgruppenteilnehmerInnen entfremdet, um deren Anonymität zu gewährleisten." (Studie "Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland", Fn. 460, S. 202.)







      [...]

       

      Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Zensur-Vorwürfe. Danke, die Moderation

      • Oskar , Autor Moderator ,
        @kami:

        Hallo Kami,

         

        danke für den Hinweis, wir haben den Link entfernt. Viele Grüße, Oskar

        • @ Oskar:

          Die "rechtsextreme" Welt berichtet es auch ... die TAZ leider nicht. Nach der globalen Beschimpfung der Ostdeutschen / Sachsen wäre jetzt eine globale Entschuldigung fälig, oder?

  • Es gibt also ein großes Problem vor allem in mehreren Neuen Bundesländern. Um die bestmöglichen Lösungen zu finden, kann man nach Ähnlichkeiten und Unterschieden im Bundesweiten Vergleich der Bundesländer suchen!

     

    Folgende statistische Auswertung zeigt, dass der Anteil von Menschen mit Migrationhintergrund in Mecklenburg-Vorpommern mit 3,8 %, in Sachsen-Anhalt mit 3,8 % , in Sachsen mit 4,4 % und in Brandenburg mit 4,6 % Deutschlandweit am geringsten ist. Zum Vergleich liegt der Anteil der Menschen mit Migrationhintergrund in Berlin bei 24,1 %, in Hamburg bei 28,3 %, in Nordrhein-Westfalen bei 24,5 % und in Baden-Württemberg bei 25,7 %.

     

    Insgesamt gesehen („Ost“-„West“-Vergleich) ergeben sich total unterschiedliche Dimensionen:

     

    96,7 % aller Menschen in Deutschland mit Migrationhintergrund leben in Westlichen Bundesländern und Berlin.

     

    Und lediglich 3,3 % leben in Östlichen Bundesländern.

    https://www.destatis.de/DE/Methoden/Zensus_/Tabellen/MHG_1_LaenderGemeinden.html

     

    Zwar basiert diese Auswertung auf Daten zum Stichtag 09.05. 2011, jedoch dürften die Anteile zumindest in den Neuen Bundesländern sich nicht großartig geändert haben.

     

    Wenn man die Einwanderung in Ostdeutschland intensivieren und ausweiten würde, dann könnte das durchaus helfen. Am Anfang würde man natürlich auf einen starken Wiederstand seitens rechter Gruppen treffen. Aber wir müssen ja bestimmte rote Linien ziehen. Eine davon heißt: die Freiheitliche Demokratische Grundordnung!

  • Das schaukelt sich alles noch mehr auf.

     

    Es geht doch garnicht darum das richtige zu tun, sondern Recht zu haben.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Tillich tickt wie die Sachsen-CDU, ist doch logisch.

    Der gestrige mdr-Kommentar zu diesem Thema in den ARD-Tagesthemen lässt tief in die Befindlichkeiten des Sachsentums blicken. Mit Konfrontation erreicht man dort nicht viel.

  • "Das Aufwachsen in einer geschlossenen Gesellschaft, die damalige Migrationspolitik – Völkerfreundschaft ja, aber MigrantInnen nur als Gäste – und ein von jeher begrenzter Kontakt zu Zuwanderer"

     

    Nun war eine Zuwanderung nach der Wende in Sachsen weder ökonomisch geboten, noch hat man sich dafür den Konsens der angestammten Bevölkerung eingeholt. Wie wurde denn da in Sachsen drüber demokratisch befunden? "Die Sachsen sind helle!" behaupten sie. Vor allem aber sind sie auch Herren im eigenen Bundesland und sie mögen nicht gern bevormundet werden. Sie haben ihre eigenen Denkweisen. In Sachsen gibt es eine harte linke Szene, sehr militante Fussballfans und Rechtsextreme. All das sind aber nur Randerscheinungen.

     

    Im übrigen war ja 1989 auch nie im Westen die Rede davon, dass Ausländer etwas anderes als Gäste seien sollen, weshalb man sie kulturelle Monaden bilden liess und Integration als ausländerfeindlich verstand, man darf sich nicht einfach erheben über die Sachsen und von oben herab analysieren.

  • "Die sächsische Union reagierte auf die Vorwürfe mit scharfen Attacken gegen Gleicke: „Man muss sich mittlerweile ernsthaft fragen, ob die so genannte Ost-Beauftragte der Bundesregierung ihren Job noch richtig versteht“, sagte Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Gleickes Aufgabe „sollte es eigentlich sein, als Stimme der ostdeutschen Länder in der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass sich der ökonomische und infrastrukturelle Aufholprozess beschleunigt“.

     

    Die in der Studie erhobenen Vorwürfe wies Kretschmer zurück. Der Kampf gegen Rechts sei für die sächsische Union eine wichtige Aufgabe. „Wir stehen seit jeher für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremisten.“ Zugleich warnte er davor, „den Menschen einzureden, dass Heimatliebe, eine starke regionale Identität und ein patriotisches Bekenntnis zu seiner Heimat Zeichen rechten Gedankenguts seien.“ Vielmehr sei dies „zusammen mit der Anerkennung unserer Leitkultur die Basis für eine erfolgreiche Integration von Zuwanderern.“"

    http://www.dnn.de/Mitteldeutschland/News/Saechsische-Union-attackiert-Ostbeauftragte-wegen-Extremismusstudie

     

    Sachsen scheint ein von August dem Starken großflächig vererbtes narzisstisches Problem zu haben.

     

    Und wenn es nicht so traurig und hoffnungslos wäre, könnte man darüber auch lachen:

     

    "Der Kampf gegen Rechts sei für die sächsische Union eine wichtige Aufgabe. „Wir stehen seit jeher für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremisten.“"

    • @Hanne:

      Sie scheinen sich sehr intensiv mit der sächsischen Politik auseinandergesetzt zu haben. Woran machen Sie fest, dass in Sachsen von der Politik nichts gegen Rechtsextremismus getan wird? Oder handelt es sich doch nur um ein diffuses Bauchgefühl Ihrerseits?

       

      "Sachsen scheint ein von August dem Starken großflächig vererbtes narzisstisches Problem zu haben." Soso...

    • @Hanne:

      Habe ich auch gerade im DLF gehört. Kretschmer kritisierte demnach vor allem die Hochrechnung von 40 Interviews auf eine 16 Millionen Bevölkerung.

    • @Hanne:

      Ergänzung aus der Tagespresse, es ist ja nicht so, dass Sachsen Studien über sich bräuchten, sie liefern ja andauernd selbst:

       

      Dynamo-Ultras äußern sich zu Vorfällen in Karlsruhe:

      http://www.sportbuzzer.de/artikel/dynamo-ultras-aussern-sich-zu-vorfallen-in-karlsruhe/

       

      "Die Ultra-Szene der SG Dynamo Dresden hat sich zu den Vorfällen in Karlsruhe geäußert. Doch statt Selbstkritik finden sich darin vor allem Forderungen an den DFB."

       

      "„Mittlerweile befindet sich die Fußballszene in einer Diktatur“ heißt es. Die Ultras bräuchten „Luft zum Atmen“, schreiben sie und schießen vor allem gegen das DFB-Sportgericht, von dem nun die nächste harte Strafe droht. „Wir sprechen diesem Gericht jede Legitimation ab. Der DFB ist ein Staat im Staat mit seinen eigenen Regeln und Gesetzen, die er nach Herzenslust selber umgeht, bricht oder einfach ignoriert“, so die Ultras. „Es muss wieder Vernunft einkehren und miteinander statt übereinander geredet werden“, heißt es. Von neuen Strafen werde man sich nicht abschrecken lassen. Das werde die Fans nicht aufhalten."

  • >>>Dort führten die Forscher rund 40 Einzelinterviews mit Politikern und Bürgern, dazu mehrere Gruppendiskussionen und eine „teilnehmende Beobachtung“ vor Ort.

  • Endlich mal eine fundierte Analyse. Ihren Ausführungen kann ich mich zur Gänze anschliessen, liebe Anamolie. Gut gebrüllt Löwin!

    Sicherlich hat das Phänomen des "sächsischen" Neonazismus auch spezielles Lokalkolorit. Allerdings kann ich diese vermeintlich typisch sächsischen Eigenschaften auch woanders finden als nur in Sachsen: Insbesondere ein „spürbares Bedürfnis nach einer kollektiven Identifikation mit einer möglichst positiven, moralisch ‚sauberen‘ regionalen Identität“, (...) „Überhöhung des Eigenen" (...), – oder vermeintlich „genuinen (xxx) Widerständigkeit“ - also, das kann ich auch exakt so in Bayern, speziell München und Oberbayern so verorten, (aber auch in Kölle, Berlin und und und...) ohne dabei gleich einen neonazistischen Automatismus konstatieren zu müssen. Lokalpatriotismus (meist sogar ironisch überhöht) und faschistischen Nationalismus sollte man lieber nicht miteinander verwechseln, weil man dann das Problem eher verharmlost.

    • @LittleRedRooster:

      Zum praktischen Vergleich empfehle ich Ihnen mind. 15 Jahre auch mal in Sachsen zu leben und das so richtig mit Familien- und Berufsalltag. Es kommen wie gesagt in Sachsen mehrere Punkte zusammen, damit ein Nationalismus bzw. ein Nährboden für Rechtsextremismus daraus wird. Und nur das sagt die Studie.

       

      Einer der Studienbegleiter kommt übrigens selbst aus Sachsen, siehe tagesthemen-Beitrag http://www.tagesschau.de/inland/studie-rechtsextremismus-ostdeutschland-101.html.

       

      Interessant ist auch der Beitrag von Eva Lodde (tagesschau24).

      • @Hanne:

        Was? 15 Jahre in Sachsen leben? Was hab ich verbrochen - und warum nicht gleich Sibirien?

  • Zitat: „Das sind die Schlagzeilen, mit denen Ostdeutschland immer wieder aufwartet, allen voran Sachsen. Warum nur?“

     

    Mag ja alles richtig sein, was in dieser Studie steht. Aber wenn sich Konrad Litschko für die taz nicht schwer geirrt hat, haben die „Wissenschaftler“ Schuldige ausgemacht, nicht Ursachen erforscht. Die Frage nach dem „Warum“ haben sie nicht beantwortet, sondern nur die nach dem „Wer“. Sie hätten vielleicht besser Kriminalbeamte werden sollen, anstatt sich als Demokratieforscher oder Politikprofessoren zu betätigen. Auf dem Gebiet scheinen sie deutlich mehr Talent zu haben.

     

    Es muss erst einmal ein „spürbares Bedürfnis nach einer kollektiven Identifikation mit einer möglichst positiven, moralisch ‚sauberen‘ regionalen Identität“ geben, damit Politiker es fördern können, indem sie einen spezifischen „Sachsenstolz“ erfinden. Mit solch einem Bedürfnis werden Menschen nicht geboren. Es ist kulturell erworben, muss erst künstlich hergestellt werden und sich entwickeln können, damit es ausgebeutet werden kann. Echte Wissenschaftler hätten das Bedürfnis haben müssen, dem Warum auf die Spur zu kommen, finde ich. Auch auf die Gefahr hin, Antworten zu finden, die dem einen oder anderen Leser (West) nicht gefallen. Statt dessen präsentieren sie der lechzenden Öffentlichkeit einen Sündenbock, der grade schwer en vogue ist: Das sogenannte Establishment.

     

    Nein, ich sage nicht, dass die verantwortlichen keine Verantwortung haben. Ich sagen nur, dass zu einem echten Desaster viele Zutaten gehören. Aus einer Axt wird nur im Märchen eine gute Suppe. Und selbst da gehören in Wahrheit noch ein paar andere Zutaten hinein.

     

    Übrigens: Wer die Wurzeln eines Übels nicht erkennen will, riskiert seine unkontrollierte Ausbreitung. Ist ja nicht so, dass „der Westen“ wirklich immun wäre, nur weil das manche Leute gerne hätten.

    • @mowgli:

      Verstehe ich nicht, da steht doch auch jede Menge „Warum“ drin. Zitat:

       

      „Die Studie nennt ein „Ursachenbündel“ für den in Ostdeutschland grassierenden Rechtsextremismus. Einen Teil davon sehen die Autoren schon vor Jahrzehnten angelegt: in der DDR. Das Aufwachsen in einer geschlossenen Gesellschaft, die damalige Migrationspolitik – Völkerfreundschaft ja, aber MigrantInnen nur als Gäste – und ein von jeher begrenzter Kontakt zu Zuwanderer: All diese Faktoren könnten für eine erhöhte Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland „nicht stark genug betont werden“.“

       

      Und:

       

      „Dazu komme die Erfahrung der Wiedervereinigung. Die Erwartungen der Ostdeutschen seien hier „überzogen“ gewesen. Als statt Wirtschaftswunder Jobverluste eintraten, blieb ein Gefühl der „kollektiven Benachteiligung“ zurück.“

       

      @ ANAMOLIE: Das, in Verbindung mit dem jahrzehntelangen Heranzüchten autoritärer Charaktere durch den autoritären Staat, liefert doch eine überzeugende Erklärung für die Entstehung rechter Gesinnung, meinen Sie nicht?

      • @Ruhig Blut:

        Ja, natürlich. Doch was jetzt betrachtet werden muss, ist der Mensch, der den Schaden davon getragen hat. Man kann sich nur auf seine Prägung einlassen. Vorwurfsvolle Begegnung und Umerziehung halte ich für nicht angezeigt, weil der autoritäre Charakter lebenslang einer bleiben wird.

        • @lions:

          Das ist das, was mich auch so erschreckt, das Zusehen, dass das auch aktuell sozial immer weiter vererbt wird.

           

          Und dennoch habe ich ab und zu das Bedürfnis das auch mal jemandem direkt zu sagen, dass es auch anders als autoritär und unfreundlich geht. Bzw. ist es mir ein Anliegen, meine relative Unabhängigkeit bei sozialem Funktionieren in der Gesellschaft zu betonen und vorzuleben.

           

          Was machen wir denn mit den vielen Menschen vor Ort mit einem ähnlichen "Schaden"? Wie soll das gehen? Ich (und auch andere) sind da wirklich ratlos.

          • @Hanne:

            Ja klar, ich kenne auch kein Generalrezept. Im Gro ist es aber doch die Sicherheit, die man solchen Menschen bieten muss, damit ihr angstvolles Wesen nicht fordergründig wird; Dem schreinenden Kind den Bauch streicheln. Ob die wirtschaftlichen Mittel überhaupt dafür vorhanden sind, ist ein anderes Blatt.

            Ich bin wenig zuversichtlich, dass das Problem rechte Gesinnung im Osten in den Griff zu bekommen ist.

            Eine Maßnahme wäre bspw, die Erziehung außerhalb der Familie unter die Lupe zu nehmen. Ich habe meine 3 Kinder schon aus Kitas genommen, weil hyperautoritäre Erziehung dort zugegen war. War nicht einfach, dahingehend was zu finden, was ein Kind zur freien Persönlichkeitsentwicklung benötigt.

            • @lions:

              Haben Sie Psychologie studiert? Für mich klingen Ihre Analysen wenig glaubhaft, eher nach einer Frappuccino-Runde im Cafe um die Ecke. Nach einer Studie, die Ihre steilen Thesen nur im Ansatz plausibel macht, muss ich wohl gar nicht erst fragen...

            • @lions:

              Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung, allerdings halte ich Ihre Einschätzung für zu pessimistisch. Auch wenn Menschen vielleicht nicht in der Lage sind, ihre durch frühkindliche Prägung gebildeten Persönlichkeitsdispositionen völlig abzustreifen, bin ich doch davon überzeugt, dass wir alle in einem gewissen Maß fähig sind, unser Wesen nachhaltig zu verändern. Voraussetzung dafür ist der entsprechende Wille, und der wiederum kann sowohl emotional durch neue Erfahrungen als auch rational durch neue Einsichten erzeugt werden. Das zeigt mir meine persönliche Beobachtung.

              Und auch bei Leuten, die nicht willens sind, solche Erfahrungen und Einsichten zuzulassen, ist es vielleicht möglich, den Furor in andere Bahnen zu lenken. Autoritär bedeutet ja nicht automatisch rechts und fremdenfeindlich. Bspw. wäre viel gewonnen, wenn man etwa den rechten Ossis deutlich machen könnte, dass die noch ärmeren Migranten am allerwenigsten Schuld an ihrer Misere haben. Konkretes fällt mir dazu aber auch nicht ein, zumindest nicht als Maßnahme, die erkennbar vom Staat oder anderen Feindbildern ausgeht.

            • @lions:

              "fordergründig" heißt vordergründig

    • @mowgli:

      Und da haben Sie voll recht.

  • Sehr interessante Studie, die hier gut verständlich beschrieben wird.

    Die ehemaligen DDR-Bürger hier waren vom gesellschaftlichen Zentrum Ostberlins und Mecklenburgs eher abgeschnitten.

    Die CDU, die nur Einfluss und Macht sichern wollte, hat durch ihre Toleranz und Verharmlosung des Rassismus daran nichts verändert, sondern verfällt ihm eher durch rechtsextreme Sympathisanten im eigenen Partei- und Amtsapparat.

    Nur eine Loslösung und Verurteilung der Betreffenden und dann eine ehrliche Politik, auch wenn sie aneckt, kann das Problem lösen.

  • Teil 1

     

    Einfach für die Tonne! Die Aufzählung von Symptomen als ursächlich für das Phänomen zu erklären, ist schlicht oberflächlich. Die so geartete Bevölkerung fußt auf der Prägung des Individuums. Da muss man ansetzen und nicht in einer politisch affektierten Weise dem Problem so oberflächlich zu begegnen. Keimzelle ist nur der autoritäre Charakter. Von diesen Charakteren gibt es in Ostdeutschland überdurchschnittlich viele. Die Fortführung einer traditionellen deutschen Erziehung mit Höhepunkt 3. Reich und weitergehend, wenn auch abgeschwächt, in der DDR haben die Entstehung der autoritären Charaktere mit starken Kollektivbewusstsein beflügelt. Diese Erziehung ist bis heute in machen Kinderstuben der Regionen noch präsent. Der autoritäre Charakter sucht lebenslang die Autorität, die gleichbedeutend mit der elterlichen Obhut als existenziellen Ersatz dessen gesehen wird. Betroffene nehmen jede Autorität an, wenn letztere ihrer Angst vor existenzieller Autonomie begegnen. Das kann auch die Demokratie sein. Es klingt fast paradox, doch ihre Entscheidung für diese entspringt keinem liberalen Gedanken. Das wird deutlich, wenn die Demokratie nicht mehr als offener Brotkorb wahrgenommen wird. Diese Autorität wird dann fallen gelassen.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @lions:

      Ich halte Ihre Analyse für vollkommen schlüssig, bin mir jedoch nicht sicher, ob nicht das, was für den Osten patent (also offen zu Tage tritt), im Westen latent genauso ist. Zwar kenne ich die ostdeutsche Mentalität nicht so gut wie die westdeutsche (wenn man sowas überhaupt kennen kann), aber mir scheint der wesentliche Unterschied darin zu liegen, dass man im Osten eher bereits ist, seinem Unmut von und durch rechts Luft zu machen, während der Westen gelernt hat, dass das nicht erwünscht ist und eher beißgehemmt ist. Was den autoritären Charakter betrifft, glaube ich nicht an Unterschiede zwischen West und Ost. Man braucht sich nur die Abertausende Arbeitnehmer anzusehen, die jeden von oben (der Firmenleitung) angeordneten Scheiß nicht nur schlucken, sondern stets auf's Neue wieder davon überzeugt sind, ferner all jene, die jeder modischen Sau hinterherhetzen, die sie durch die Straßen flitzen sehen. Der autoritäre Charakter hat viele Ausprägungen. Ich denke, es ist viel zu kurz gedacht, ihn auf seine rechte zu reduzieren.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Es ist z.B. gesellschaftlich auch nicht erwünscht, Kinder zu schlagen und die einen schaffen es gut und sind selbst überzeugt davon, dass das richtig ist, die anderen weniger, aber dazu zu stehen, dass Kinder geschlagen werden sollen, ist eine andere Nummer, wenn ich das jetzt mal so vergleichen darf mit der "Bereitschaft seinen Unmut" durch Schlagen der Kinder Luft zu machen. Dann ist es gesellschaftlich dennoch verwerflich und muss nicht gelobt werden, dass es manche dennoch tun (im Gegensatz zu den anderen).

         

        Ich finde man muss und darf da Sachsen nicht verharmlosen oder aufwerten als das "Volk", dass als einziges seine Meinung sagt und auch so handelt. Genau das ist es nämlich, was mit Sachsenstolz und Wir von dort ausgeht. Ein Ihr interessiert nicht bzw. wenn dann nur in Abgrenzung und nicht als größeres Wir.

         

        Und Autorität hat hier in Sachsen - ich sitze seit 18 Jahren wirklich mittendrin - eine ganz andere Dimension als z.B. in Rheinland-Pfalz, NRW, Baden-Württemberg etc. Auch wenn es dort ebenso Kuscher und Hinterherläufer gibt.

         

        Interessant wäre gewesen, Heilbronn mit in die Studie einzubeziehen, da scheint auch ein "interessantes" Gemisch zu wirken.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Ja, natürlich ist es nicht eitel Sonnenschein, was in den alten Bundesländern dahingehend vorherrscht. Doch eines scheint mir doch signifikant zu sein: Der durchschnittliche Westdeutsche ist sich im Anteil Eigenverantwortung für seine Existenz bewusster. Läuft was schief, zeigt er nicht sofort auf die Oberen. Autonomie im Kapitalismus hat ihren Preis und der ist die Beugung unter die wirtschaftliche Dominanz. Wahre Autonomie ist das nicht, aber es beinhaltet die Toleranz und Verständnis für Gleichgebeutelte, und das sind bspw andere Ethnien, Flüchtlinge, Behinderte usw. Es ist eine autonome Haltung, die freilich unter diesen Bedingungen mit: "Die Demokratie endet am Werktor" zu kämpfen hat. In Ostdeutschland ist diese Gewissheit aber heutzutage stärker ausgeprägt und die Arbeitnehmerrechte werden hier viel seltener wahrgenommen.

        Die Gefahr, die Menschen der alten Bundesländer eingehen ist, dass die Autonomie zunehmend mit der materiellen Absicherung verknüpft wird und der demokratische Willen mit dem Schwund an Sicherheit auch hier Talfahrten auslöst. Wie sattelfest die Menschen der ABL darin sind, würde sich in einer länger anhaltenden Wirtschaftskrise zeigen, aber da bin ich zuversichtlicher als in den NBL.

  • Teil 2

     

    Es wird nichts nützen, rechtsaffinen Menschen zu verdeutlichen, es wäre falsch, den demokratischen Boden zu verlassen, denn die existenzielle Angst wird ihnen damit nicht genommen. Es wird keine schnelle politische Lösung dafür geben, außer man gäbe ihnen, was diese wollen- Die autoritäre, aber versorgende Geborgenheit, die sie in ihrem Bestreben seit Kindheitstagen forcieren. So entmutigend wie es auch klingen mag: Dieser Charaktertyp wird nur sehr langsam verschwinden, vorausgesetzt in Ostdeutschland kehrt soziale Sicherheit ein und nur dieses wirkt sich in folgenden Generationen auf folgende Charaktere aus. Es wäre ein langwieriger Prozess. In der alten BRD ist das Phänomen dadurch abgeschwächt, weil die Abkehr vom 3. Reich weitgehend möglich wurde, via raschen Wirtschaftsaufschwung, der damit verbundenen sozialen Sicherheit und relativ freien Entfaltbarkeit der neuen Generation, die sich der elterlichen, immer noch autoritärer Prägung widersetzen konnte - Stichwort Studentenbewegung. Die Ursache liegt also in der unterschiedlichen Weise der Überwindung faschistisch- autoritärer Ideen, die in der DDR teilweise noch gefragt waren; In der alten BRD nur noch rudimentär wirkten. Der autonome Charakter entfaltet sich in der liberalen, sozial gesicherten Kinderstube. Die oberflächliche, multiple Determinierung vom Individuum weg ist also ein Irrweg und ich kann diesen als hierin ernannte Experten nur raten, ihre Gedanken der Abstraktion des Problems zu widmen... oder sich mal den alten E. Fromm reinzuziehen, der sich der Frage stellte, warum der Faschismus sich in D so heimisch fühlt.

    • @lions:

      In Ihrer etwas unstrukturierten Bleiwüste steht einiges, dem ich zustimmen würde.

       

      Aber rein interessehalber: Haben Sie die Studie gelesen (ich nicht) oder beziehen Sie sich auf das, was Sie aus dem Artikel von Herrn Litschko darüber erfahren haben?

      • @Zwieblinger:

        Ja, ich habe sie gelesen!

        Hier: http://www.beauftragte-neue-laender.de/BNL/Redaktion/DE/Downloads/Anlagen/studie-rechtsextremismus-in-ostdeutschland-kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=4

        Was mich daran stört ist, dass immer wieder auf ein autoritäres Denken hingewiesen wird, was impliziert, dass es abstellbar wäre, ohne auf den Umstand einzugehen, dass der autoritäre Charakter nicht abstellbar ist. Man kann nur auf seine Bedürfnisse eingehen, anstatt zu konstatieren, seine Erwartungen waren einfach zu hoch; Das ist gesellschaftsanalytisch zu billig. Genauso eine Diagnose "Sachsenstolz", die allenfalls ein Folge sein kann.

         

        Wie können Sie in einer Wüste etwas fruchtbares finden? Mit einem Bleidschungel könnte ich durchaus leben :)

        • @lions:

          Leider gehört es aber für einen Staatsbürger in einer Demokratie dazu, sein Denken zu reflektieren. Ich möchte behaupten, dass das nicht nur in Sachsen ein Problem ist. Dazu gehört auch, autoritäres Denken zu reflektieren. Wie Sie zu Recht bemerken, haben das Teile der Alt-68er ja geschafft, denen das auch in Sachen Elternhaus nicht umbedingt in die Wiege gelegt war. Wer Demokratie möchte, muss sehen, dass sie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt. Dass ggf. 1989 ein naiveres Bild über Demokratie und Kapitalismus herrschte, das kann ich einigermaßen nachvollziehen, dass aber Menschen heute noch nicht verstanden haben, dass es kein Recht auf Glück und Reichtum gibt, sondern nur ein Recht auf die Möglichkeit hierzu durch eigene Anstrengung und dann im Umkehrschluss Menschen, die sie nicht einmal kennen für ihr eigenes Unglück verantwortlich machen, das verstehe ich beim besten Willen nicht. Übrigens egal ob in Ost, West, Süd oder Nord. Man mag dann sagen, andere Systeme als eine kapitalistische, demokratische Struktur sind besser. Aber dann lebt man hier im falschen Land.

  • Antwort zu @“SASCHA“:

     

    Teil I. von II.

     

    “Es war nunmal Staatsdoktrin, dass es keine Faschisten gibt.“

     

    Der reale Zustand war durchaus der MfS-Staatssicherheit bekannt. Auch hieraus erklärt sich (nicht nur) die Notwendigkeit ihrer antifaschistischen Existenz.

     

    Für ost- und Westdeutschland gilt aber auch die Vorgeschichte -auch vor 1945- gleichermaßen:

     

    1. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung und die (rechten) SPD-Führer, sie verweigerten gemeinsam -vor und nach 1933- den antifaschistischen und antikapitalistischen Kampf.

     

    2. Auch die (beamten-staatliche) rassistisch-antisemitische Gesetzgebung 1935, führte nicht zu einem Aufstand der vor allem sozialdemokratisch geprägten Arbeiterklasse in Deutschland. So auch nicht der antisemitische Pogrom von 1938.

     

    3. Mit der allgemeinen Verbesserung der Beschäftigungslage und in Folge der ideologischen Wirkung der Olympischen Spiele 1936, stand auch die Mehrheit der Bevölkerung passiv bzw. Aktiv) hinter dem kapitalfaschistischen Regime.

     

    4. Der Überfall auf Polen 1939 wurde keineswegs von der deutschen Bevölkerungsmehrheit begrüßt [- auch nicht von der Mehrheit der Wehrmacht, der rund 10. Mio. an der Ostfront]. Aber auch in baldiger Erwartung des voraussichtlichen Reichtums -aus imperialistisch-wirtschaftlicher Ausbeutung- und dessen Verteilung an die Bevölkerung, bestand keine Bereitschaft mehr, bei der großen -zuvor ablehnenden- Mehrheit, sich am (möglichen) antifaschistischen Widerstand zu beteiligen.

     

    5. Ebenso, in Folge der militärischen imperialistischen Aggression gegen Frankreich. Auch hier konnte sich die beteiligte Wehrmacht, SS, Ordnungspolizei und Gliederungen, am (vorgefundenen) französischen Wohlstand und Reichtum vor Ort, hemmungslos bedienen. Auch mit Front-Päckchen und Beutegut für die deutsche Heimat und die (eigenen) Familien.

     

    Siehe auch folgenden Teil II.

  • "Dazu komme die Erfahrung der Wiedervereinigung. Die Erwartungen der Ostdeutschen seien hier „überzogen“ gewesen."

     

    Wo diese Erwartungen wohl herkamen - "blühende Landschaften" und so.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Selbst einige linke Parteien in Sachsen würden Gruppen, die auf Rechtsextremismus hinwiesen, als „Nestbeschmutzer“ angehen."

     

    Wieviele linke Parteien gibt es denn in Sachsen?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @74450 (Profil gelöscht):

      "Wieviele linke Parteien gibt es denn in Sachsen?"

       

      Sie meinen, aus rein sächsischer Sicht?

      Viele.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @571 (Profil gelöscht):

        :) Nagut, dass die aus sächsicher Sicht linke CDU etwas gegen Antifa-Projekte hat überrascht mich nicht. Aber war das vom Autor wirklich so gemeint?

        • @74450 (Profil gelöscht):

          Ich schätze mal, gemeint waren neben der Linkspartei ganz klassisch SPD und Grüne.

  • Das Ergebnis ist natürlich sehr traurig für den "Frei"staat. Es sollte Geld gesammelt werden für Gruppen, die ihre demokrtischen Rechte und Pflichten gegen die dortige Politik und Justiz in bundesweiten Gerichten durchsetzen müssen.

    Und vielleicht für ein Schämforum für dortige Politiker und Justizangestellten

  • Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat ein Innenminister von Sachsen der sofort nach Amtsantritt sämtliche Aktivitäten gegen Rechts eingestellt hat.Zur Belohnung ist er jetzt Bundesinnenminister.

    • @Hans Peter Sommer:

      Dann gab es das Problem wohl vor diesem Innenminister noch nicht?

  • Mir hier in Sagsen... sagt schon einiges.

    Ich stimme den Aussagen zu: gesellschaftlicher/bürgerlicher Wiederstand gegen rechts wird in Sachsen kriminalisiert.

    Achso:

    Das die Erwartungen an die Wende überzogen waren kann ja sein. Das dass Volkseigentum verscherbelt wurde bedarft allerdings einer gesonderten Aufarbeitung.

    • @FriedrichH:

      Wie begründen Sie diese doch recht subjektiv wirkende Meinung? Ich nehme an, eine (möglichst seriösere als die hier diskutierte) Studie haben Sie nicht vorzuweisen? Aber das Bauchgefühl scheint unter den hier aktiven Foristen ohnehin ausschlaggebender. Wenig überraschend, dass sich die Claqueure dieser "Studie" inhaltlich ähnlich dünn äußern...

  • Etwas Fragwürdige Studie, aber wohl im Kern war.

     

    Seltsam ist das Beispiel mit der selektiven Erinnerungskultur. Dass sich an keine Rechten Straftaten zu DDR Zeiten erinnert wird und dann ein Beispiel aus BRD Zeiten herangezogen wird. 1991 gab es keine DDR mehr.

     

    Es ist auch bekannt, dass es in der DDR keine freie Presse gab und gerade Rechtsextreme Taten nicht veröffentlicht wurden. "Weil es in der DDR keine Rechten gibt, sondern sie alle in der BRD sind." Solche Straftaten wurden maximal im Bekanntenkreis bekannt. Es war nunmal Staatsdoktrin, dass es keine Faschisten gibt.

     

    Sachsen hat nicht nur das CDU Problem, welches laut Studie den Nährboden bereitet, auch war das Partnerland Bayern und die bayrische Justiz hat die sächsische aufgebaut. Beides Länder die eine Justiz aufweist, die auffällig genau nach Links schaut. Wenn man mal Fälle wie die vom Pfarrer Lothar König betrachtet.

     

    Dann gibt es in Ostdeutschland allgemein auch den Demographischen Wandel. Nach der Wende sind viele gut ausgebildete Kräfte in "den Westen" gegangen, weil ihre Betriebe von der Treuhand gerne mal unter dem Tisch verscherbelt wurden. Das es besser ging haben Länder wie Polen und Tschechien bewiesen. Andersherum kamen Bürokraten und Goldgräber "Besserwessies" und vertriebene Rechtsextreme aus dem Westen in den Osten.

     

    Das die politische Bildung in Ostdeutschland nicht so gut angenommen wird, könnte auch mit 40 Jahren Staatlicher Indoktrination zu tun haben. Die die Menschen im Osten vorsichtiger im Umgang mit den staatlichen Stellen macht.

     

    Einfach idealer Nährboden für "Widerstand".

     

    Warum Sachsen so auffällt hat wohl 3 Gründe, Justiz aus Bayern, CDU Dauerregierung seit der Wende und aber in erster Linie der mediale Fokus auf Sachsen, der Rechtsextreme Kräfte auf Sachsen bündelt. Weil dort bekommen sie leicht Aufmerksamkeit.

    • @Sascha:

      Es gibt hierzu bisher wenig gesichertes Zahlenmaterial. "1991" scheint ein Druckfehler bzw. bereits im Ursprungsdokument in der Studie vorhandener Fehler zu sein.

       

      Auch wenn´s mir schwerfällt hier die "Welt" zu verlinken aber dieser Bericht gibt einen kleinen EInblick ins Thema:

      https://www.welt.de/kultur/history/article157726595/Hunderte-fremdenfeindliche-Angriffe-in-der-DDR.html

      • @esgehtauchanders:

        De Artikel bestätigt mein gesagtes. Natürlich gab es solche Übergriffe, dass diese aktiv verdrängt werden wie im Artikel behauptet ist aber unwahr, einfach weil es vertuscht wurde und die Leute davon nix erfuhren. Verdrängen kann man letztlich nur Dinge, von denen man auch erfahren hat.

    • @Sascha:

      "Solche Straftaten wurden maximal im Bekanntenkreis bekannt."

      Und wenn mensch diverse Ersatzaushilfshitler dazunimmt, die zum Glück nur maximal mit der Schnauze agier(t)en, wußte/weiß jede/r daß menschenverachtendes Gedankenschlecht nicht qua Parteibeschluß weggezaubert werden kann. Ob die Partei nun SED oder CDU heißt. Und Sachsen hat da kein Alleinstellungsmerkmal in D., bei den "alten Ländern" isses verdeckter und im Rest der "neuen" wird nicht immer überregional unfreiwillige Werbung gemacht. Ich bin Thüringer und Bern äh Björn ist auch kein Einzelkämpfer...

  • »Rechtstendenzen im Osten«

     

    Oder: Warum die antifaschistische und antikapitalistische DDR implodieren musste.

     

    »Das Aufwachsen in einer geschlossenen Gesellschaft, die damalige Migrationspolitik – Völkerfreundschaft ja, aber MigrantInnen nur als Gäste – und ein von jeher begrenzter Kontakt zu Zuwanderer: All diese Faktoren könnten für eine erhöhte Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland „nicht stark genug betont werden“.« -

     

    »So sagte ein Herrenberger Lokalpolitiker den Forschern, zu DDR-Zeiten habe es keine faschistischen Umtriebe gegeben. In Freital mochte sich laut Studie niemand an die Angriffe auf das örtliche Gastarbeiterwohnheim 1991 erinnern.«

     

    Fakt ist: Das kapitalfaschistische und rassistisch-antisemitische Deutschland wurde von den -äußeren- alliierten Mächten überwunden und nicht von einem -inneren- antifaschistischen Widerstand in Deutschland! Die große Mehrheit der Deutschen hat sich aktiv und passiv am imperialistischen Faschismus beteiligt. Mit seltenen Ausnahmen, vor allem der bürgerlichen Humanisten und Kommunisten, es gab keinen nennenswerten antifaschistischen Widerstand in Deutschland.

     

    Die zeitweilige Existenz der antifaschistischen DDR beruhte im wesentlichen auf einer Entscheidung des sowjetischen Alliierten, in politischer Absprache und Übereinkunft mit den westlichen Alliierten.

     

    Die linkssozialdemokratische, humanistische und kommunistische, die antifaschistische Minderheit beim Aufbau und bei der Sicherung der (zeitweiligen) Existenz der Deutschen Demokratischen Republik, sie hatten keine Mehrheit in der ostdeutschen Bevölkerung und damit auch keine ausreichende antifaschistische Basis auf ihrer Seite.

    • @Reinhold Schramm:

      Teil II.

       

      6. Im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Sowjetunion, da hatte bereits auch die rassistische und antisemitische Volksbildung und Vor-Prägung, ihre tiefenpsychologischen Wurzeln in den deutschen Köpfen erreicht.

       

      7. Selbst im Frühjahr 1944, da erreichte noch die Rüstungsproduktion ihre Spitze [- mitgetragen von der in der kriegswichtigen Produktion verbliebenen deutschen Arbeiterklasse, - vor allem in der Schwerindustrie]. Erst nach den zunehmend ausbleibenden Rohstoffen, [ab April/Mai und Frühsommer 1944[, da brach auch die Rüstungsproduktion zunehmend zusammen.

       

      8. An der Vertreibung und Vernichtung der Millionen Juden in Europa [und Hunderttausenden in Deutschland], daran konnten sich auch Millionen Deutsche bereichern [an deren Vermögen, Fabriken und Geschäfte, Villen, Häusern und Grundbesitz, Miet-Wohnungen, Möbel, Kücheneinrichtungen und Inventar].

       

      Die Ostdeutsche und Westdeutsche Bevölkerung empfand die äußere “Befreiung“ vom Faschismus -in ihrer Mehrheit- als sozioökonomische Niederlage! Und keineswegs als Befreiung vom deutschen Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und kapitalfaschistischen Imperialismus!

       

      Auch hieraus erklärt sich die Massenflucht nach 1945, vor und nach der staatlichen Gründung der DDR. Aber zum Teil auch der “Volksaufstand“ 1953 und der Bau der Mauer an der westlichen Staatsgrenze der DDR von 1961.

       

      Warum kam es nicht zu einer gewaltsamen Verhinderung der folgenden Implosion der DDR? Den staatlichen Sicherheitsorganen, insbesondere der Volksarmee und deren Führung und dem Ministerium für Staatssicherheit, ihnen war es bewusst, dass die große Mehrheit der Erwachsenenbevölkerung, aber auch die Mehrheit in der SED, FDGB und anderen Blockparteien, nicht hinter der weiteren Existenz der DDR stand.

      • @Reinhold Schramm:

        Weiterer historischer Nachtrag zum Antifaschismus und zur "Arbeiterklasse":

         

        Nachtrag zur NSDAP: In den 1940er Jahren erreichte die (freiwillige) Mitgliederzahl rund 7,3 Millionen. Der Anteil aus der sozioökonomischen Arbeiterklasse [AK ohne antifaschistisches Klassenbewusstsein] lag bei rund 30 Prozent unter allen Mitgliedern der NSDAP. Damit hatte die kapitalfaschistische, nationalistische und rassistisch-antisemitische NS-Partei, einen größeren Anteil aus der Arbeiterklasse, als die SPD und KPD -zusammengenommen- vor 1933 in ihrer Mitgliedschaft erreichten.

         

        Fazit auch hierzu: Die soziologische Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse (AK) beinhaltet nicht zwangsläufig (vorhandenes) Klassenbewusstsein. Proletarische Antifaschisten und Antikapitalisten werden nicht als solche geboren. Was auch Karl Marx, Friedrich Engels und andere Repräsentanten der Arbeiterbewegung schon im 19. Jahrhundert (und ebenso fast analog zuvor) erkannten: Es bedarf der Bildung und Herausbildung von sozialem, psychologischen, ökonomischen und gesellschaftspolitischen Bewusstsein, – über die Rolle, Tätigkeit und Funktion in der Klassengesellschaft. Hierfür bedarf es (differenzierte) Bildungseinrichtungen für die (differenzierte, wissenschaftlich-technische) Arbeiterklasse. Diese Aufgabe erfüllten in historischer Zeit Arbeiterbildungsvereine und Gewerkschaften der Basis, aber auch die seinerzeit noch vorhandenen sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien [- die politischen Klassenorganisationen, die es heute so in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gibt].

        • @Reinhold Schramm:

          Wer also für Merkel ist, der ist klassenbewusster Arbeiter, oder wie?

           

          In einer Diktatur ist die Mitgliedschaft in der Staatspartei obligatorisch. Daraus kann man nichts ableiten.

           

          Heute macht die Arbeiterklasse bei der neoliberalen Migrationspolitik der offenen Grenzen ja auch fleisßg mit. Und dass sie Klassenbewusstsein zeigen, wollen wir doch lieber nicht.

          • @Ansgar Reb:

            Lesen Sie bitte nochmals meine kurzen Beiträge [mehr Zeilen sind nicht möglich]. / Im deutschen Kapitalfaschismus war die Mitgliedschaft in der NSDAP freiwillig. / Die bundesdeutsche Arbeiterklasse zeigt heute wie damals kein Klassenbewusstsein. Dafür sorgt auch die deutsche Bildungs- und Medienlandschaft. Wer mehr möchte, der bekommt keine Arbeit im Staat [berufsverbot] und auch keine nennenswerte Einwirkungsmöglichkeit in den sozialdemokratischen und christdemokratischen Gewerkschaften und Verbildungseinrichtungen. Der bleibt lebenslänglich außen vor. Gegebenenfalls sorgt dafür auch der Kapital- und VS-Staats- und Verfassungsschutz; aber auch die Selbstzensur - fast aller (bürgerlichen) Parteien und Medien.