Arbeitskampf bei Neupack: Geordneter Rückzug
Die Beschäftigten des Verpackungsherstellers Neupack erstreiken Verbesserungen durch eine Betriebsvereinbarung. Nicht alle sind damit glücklich.
HAMBURG taz | Der bundesweit beachtete Arbeitskampf beim Verpackungshersteller Neupack in Hamburg-Stellingen und im niedersächsischen Rotenburg/Wümme ist am Montag nach genau acht Monaten zu Ende gegangen – der Konflikt geht aber wohl weiter.
In der vergangenen Woche hatten sich die Inhaberfamilie Krüger und der Betriebsrat nach dem wohl längsten Arbeitskampf der jüngsten Geschichte darauf geeinigt, eine Betriebsvereinbarung für die rund 200 Beschäftigten abzuschließen sowie individuell daran gekoppelte Arbeitsverträge auszustellen. Unter anderem wird die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich von 39 beziehungsweise 40 auf 38 Stunden reduziert. Der niedrigste Stundenlohn soll künftig bei 9 Euro statt 7,80 Euro liegen.
Die Verhandlungen waren unter der Regie der Gewerkschaft Bergbau Chemie und Energie (IG BCE) geführt worden, die während des Streiks von ihrer Forderung nach einem Haustarifvertrag abrückte, als der Familienclan ihr auf ihre sozialpartnerschaftlichen Appelle hin die kalte Schulter zeigte.
Unterschrieben werden die Betriebsvereinbarung inklusive einer sogenannten Regelungsabrede vom Betriebsrat jedoch erst dann, wenn alle Unterlagen vorliegen und juristisch geprüft worden sind. Bis dahin gilt der Streik offiziell noch nicht als beendet.
Eine nur schwach besuchte Mitgliederversammlung der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten hatte den Kompromiss am Freitagabend geschluckt, nachdem die IG-BCE-Führung nicht mehr von der Rückzugslinie abzubringen war. Die Gewerkschaft hatte den Vollstreik Ende Januar ausgesetzt und nur noch zu punktuellen Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Die flexible Taktik der Gewerkschaftsführung war von den Belegschaften als „Flexi-Verarschung“ gegeißelt worden.
Laufende Verfahren gehen weiter
Dennoch sehen die Gewerkschafts-Chefs das Ergebnis als Erfolg. Es seien wesentliche Verbesserungen beim Entgelt, eine Verkürzung der Arbeitszeit und gerechte und vergleichbare Arbeitsbedingungen durchgesetzt worden, erklärte der IG-BCE-Bezirksleiter Nord, Ralf Becker: „Der Kampf hat sich gelohnt.“ Die Gewerkschaft IG Metall mahnt jedoch bei Regelungsabreden generell zur Vorsicht: Weil es keinen kollektiven Tarifvertrag gebe, sei es immer noch möglich, die Beschäftigten für die gleiche Arbeit unterschiedlich zu bezahlen.
Bis zuletzt war der Knackpunkt in den Verhandlungen bei Neupack eine sogenannte Maßregelungsklausel, durch die sich der Joghurtbecher-Hersteller verpflichtet, auf Sanktionen gegen die am Streik beteiligten Mitarbeiter zu verzichten – unter anderem auf die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Murat Günes. Neupack hat angekündigt, zwar grundsätzlich auf arbeitsrechtliche Maßnahmen zu verzichten. Ausgenommen davon seien jedoch Fälle, in denen schon Strafverfahren laufen. So wird letztlich ein straf- und kein arbeitsrechtlicher Beschluss darüber entscheiden, ob Günes seine Stelle behält. Er soll einen Vorgesetzten an der Streikpostenkette geschubst und eingesetzte Leiharbeiter genötigt haben. Beschäftigte bestreiten dies.
Unklar ist bisher auch, was mit den Dutzenden nun überzähligen Beschäftigten passiert. Denn Neupack hatte nach Streikbeginn am 1. November vorigen Jahres bis zu 60 polnische Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt, die aus arbeitsrechtlichen Gründen im Verlauf des Konfliktes befristet zum Teil bis 2014 eingestellt wurden.
Beobachter rechnen deswegen damit, dass sich die Lage bei Neupack so schnell noch nicht beruhigt. Weil die Inhaberfamilie Krüger sich geweigert hat, einen Tarifvertrag abzuschließen, ist die Belegschaft an keine Friedenspflicht gebunden, kann also jederzeit wieder streiken.
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