piwik no script img

Anzeigenfinanzierte Gratis-E-BooksBei Tolstoi poppt Werbung auf

Ein Startup will anzeigenfinanzierte E-Books auf dem deutschen Markt etablieren. Bezahlen muss man dann mit seiner Aufmerksamkeit für die Werbeinhalte.

Lesen mit Zusatzinformation: aufgepoppte Anzeige im E-Book. Tabelle: readfy.com

Gerade noch sitzt man gebannt vor dem Smartphone, ist ganz vertieft in die Schilderung einer der großen Schlachten aus dem Klassiker „Krieg und Frieden“. Und plötzlich poppt ein Banner auf und bewirbt eine App.

So stellen sich Felix Bauchspieß und seine Kollegen des Startups readfy das E-Book-Reading in Zukunft vor. Sie bieten einen Dienst an, bei dem User kostenlos E-Books auf ihrem Smartphone oder Tablet-Computer lesen können. „Wir wollen das Spotify für E-Books werden“, sagt Geschäftsführer Bauchspieß.

Finanziert werden soll das ganze, genau wie beim Musikanbieter Spotify, über Werbeeinnahmen. Über einen Vertriebspartner, der die einzelnen Verlage unter Vertrag hat, kommen Bauchspieß und Kollegen an die Titel. So auch an das bekannte Werk Tolstois.

Projekte in der Vergangenheit gescheitert

Ganz neu sei die Idee nicht, wie Steffen Meier, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren, weiß. Immer wieder sei solch ein Konzept in der Verlagsbranche diskutiert worden. „In der Vergangenheit scheiterten derlei Projekte aber daran, dass für viele Verlage, speziell für Buchverlage, die Anzeigenakquise ein komplett neues Feld ist.“

Genau da setzt das Düsseldorfer Startup an. Zunächst wird mit einem Google-Werbenetzwerk gearbeitet, durch das die Werbekunden akquiriert werden. Ab 3. Februar geht readfy mit einer Testphase an den Start. Dabei soll erprobt werden, in welcher Form die Einblendungen am besten funktionieren. Später wolle man die Anzeigenplätze dann selbst verkaufen, sagt Bauchspieß. So könne kundenfreundlicher gearbeitet und die Werbung besser an die Inhalte der Bücher angepasst werden.

Der dänische Verlag Bookboon setzt ein ähnliches Konzept mit selbstverlegten deutsch- und englischsprachigen Fachbüchern bereits seit Jahren erfolgreich um. Die Gratis-Downloads werden mittels großflächiger Anzeigen aus den Personal-Abteilungen von Unternehmen finanziert. Mit ihnen werden potentielle Fachkräfte angeworben, da sich die Bücher von Bookboon inhaltlich vor allem an Studenten aus IT, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften richten.

Das Angebot von readfy soll populäre Genres abdecken: Krimis, Ratgeber, Science Fiction oder Fantasy. Beim Start sind die Downloads auf 5.000 Stück limitiert. Insgesamt sind jedoch von Beginn an 15.000 Titel verfügbar und weitere sollen folgen. Die Verlagsbranche reagiere zwar vorsichtig, denn erstmal müsse sich zeigen, dass die Finanzierung allein durch Werbung funktioniere, meint Bauchspieß. Jedoch werde händeringend nach neuen Geschäftsmodellen gesucht, so der readfy-Geschäftsführer weiter.

Wie reagieren Leser auf Werbung?

Dass solch ein Angebot den kompletten E-Book-Markt revolutioniert und Kunden nie wieder für Bücher zahlen werden müssen, hält Steffen Meier für ausgeschlossen: „Es werde dann eben gleichzeitige Angebote geben. Bei dem einen zahlt man selbst für das Produkt und beim anderen zahlt im Endeffekt der Anzeigenkunde. Und beides würde auch aus Verlags- wie Kundensicht gleichberechtigt nebeneinander stehen.“

Ob die Kunden jedoch positiv auf Werbeunterbrechungen beim Lesen reagieren? Der Erfolg von AdBlockern zeigt, dass Werbung im Textumfeld häufig als störend empfunden wird. Auch um den von Amazon gesponserten Kindle gab es viel Wirbel. Es wurde daraufhin ein kostenpflichtiges Angebot zum Entfernen der Werbeinhalte angeboten.

Readfy sieht jedoch vorerst von einem Angebot für klassische E-Book-Reader ab und setzt auf die Smartphone-App und mobile Tablet-Geräte. Zu den Büchern wolle man außerdem Tools für ein „social reading“ anbieten wie Rezensions-, Diskussions- und Empfehlungsoptionen.

Zeitgleich zum Launch startet eine Crowdinvesting-Kampagne auf der Plattform Companisto. So wollen die Macher von readfy Anteilseigner gewinnen, die zusätzliches Kapital in ihr Projekt fließen lassen.

Die amerikanische Firma Oyster, ein Flatrate-Betreiber für E-Books, konnte auf diese Weise erst vor kurzem 14 Millionen US-Dollar einnehmen. Bei der deutschen Crowdinvesting-Plattform Companisto streben die Jungunternehmer erstmal 500.000 Euro an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Werbe Pop-ups wenn ich mich mit einem Buch entspannen will? Das hat mir gerade noch gefehlt!

  • "„Es werde dann eben gleichzeitige Angebote geben. Bei dem einen zahlt man selbst für das Produkt und beim anderen zahlt im Endeffekt der Anzeigenkunde"

     

    "... beim anderen zahlt im Endeffekt der Anzeigenkunde" - Das ist eben die große Verschleierung, der auch ständig diejenigen unterliegen, die so vehement gegen die "Zwangsgebühren" für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk agitieren. "Im Endeffekt" zahlt eben, auch für die Programme der Privatsender, nicht der Anzeigenkunde, sondern der wird seinerseits bezahlt, nämlich von der beworbenen Industrie. Aber auch die bezahlt nicht "im Endeffekt", sondern die hat einen Werbeetat, und der schöpft aus den verkauften Produkten, woraus denn sonst?

    "Im Endeffekt" bezahlen also wir Konsumenten, und zwar mit einer Zwangsgebühr beim Kauf jeder Packung Müsli, jeder Scheibe Alpenkäse, jedes neuen hochauflösenden Fernsehbildschirms.

    So geht Technik, nämlich die der Werbeindustrie, die uns, einschließlich Taz-Redakteurinnen, offenbar erfolgreich weismacht, wir, die Konsumenten, bekämen irgendetwas umsonst, nur weil wir uns ihren Mist ansehen.

     

    Im übrigen ist "Krieg und Frieden" ein denkbar schlechtes Beispiel, in welchem sie uns offenbar auch noch ihren Werbemist unterjubeln wollen. Tatsächlich im Wortsinne ganz umsonst. Denn Bücher, deren Autoren länger als 70 Jahre tot sind, unterliegen keinem Copyright mehr. Da Tolstoi schon 1919 gestorben ist, ist das ebook "Krieg und Frieden" für 0 EUR erhältlich, ganz ohne Werbung.

     

    Kann man selber im Internet finden, da ich hier auch keine Werbung machen will, z.B. für ein ausbeuterisches Mega-Unternehmen, das mit A anfängt und mit mazon aufhört.