Angela Merkel in der Türkei: Lob für Flüchtlingspolitik
Die Bundeskanzlerin besuchte ein Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze. Die Türkei verlangt Visafreiheit für die Einreise in EU-Staaten.
EU-Ratspräsident Tusk sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, Davutoglu und Vize-EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans, die Türkei sei „heute das beste Beispiel für die Welt insgesamt, wie wir mit Flüchtlingen umgehen sollten“. Keiner habe „das Recht, belehrend auf die Türkei einzuwirken, wenn es darum geht, wie man sich richtig verhält“. Die Flüchtlingsströme über die Ägäis hätten seit dem am 18. März geschlossenen EU-Türkei-Abkommen „deutlich abgenommen“.
Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter Amnesty International, kritisieren hingegen, die Türkei sei kein sicheres Zufluchtsland. Den Vorwurf, die Türkei schicke Flüchtlinge gegen ihren Willen nach Syrien zurück, wies der türkische Ministerpräsident zurück. „So etwas machen wir nicht“, sagte er.
Merkel, Tusk und Timmermans hatten zuvor das Flüchtlingslager Nizip 2 nahe Gaziantep besucht, in dem nach türkischen Angaben 5000 Menschen leben, darunter 1900 Kinder. Über dem Eingang zum Flüchtlingslager prangte ein Banner mit der Aufschrift „Willkommen in der Türkei, dem Land, das die meisten Flüchtlinge der Welt aufnimmt“.
Forderung nach Visafreiheit
Merkel weihte außerdem mit Davutoglu ein mit EU-Geldern finanziertes Kinderschutzzentrum des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Gaziantep ein. Es gebe viele Waisen, viele Kinder mit Behinderungen, viele traumatisierte Eltern, fasste die Kanzlerin ihre Eindrücke zusammen.
Davutoglu untermauerte die Forderung Ankaras nach einer Visafreiheit für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum. „Das ist für die Türkei essentiell“, sagte er. Wenn es in diesem Punkt Verzögerungen gebe, werde Ankara die Rücknahme von Flüchtlingen stoppen.
Die Visa-Befreiung ist Teil des EU-Türkei-Pakts zur Begrenzung des Flüchtlingsandrangs in die EU. Zuvor hatte bereits Präsident Recep Tayyip Erdogan gewarnt, die Umsetzung des Pakts sei an die Gewährung der Visafreiheit gekoppelt.
Menschenrechte als Thema
Ein Entwurf der EU zu den geplanten Visaregelungen soll am 4. Mai vorliegen. In mehreren EU-Staaten gibt es aber Bedenken gegen die Reiseerleichterungen. Ungarns Regierungschef Viktor Orban, einer der entschiedensten Kritiker Merkels in der Flüchtlingskrise, sagte der Wirtschaftswoche dazu: „Wir sind der Türkei ausgeliefert. So etwas ist nicht gut.“ Die Sicherheit der Europäischen Union dürfe „sich nicht in der Hand einer Macht außerhalb der EU befinden“.
Über die Lage der Menschenrechte werde mit der Türkei immer wieder offen gesprochen, sagte Merkel bei der Pressekonferenz erst auf Nachfrage. So werde immer wieder deutlich gemacht, dass Werte wie Pressefreiheit und Meinungsfreiheit unveräußerlich seien.
Der Besuch der Delegation aus Brüssel und Berlin fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Sicherheitskräfte nahmen im Zentrum des Landes sechs mutmaßliche Islamisten fest, die einen Anschlag auf Staatsgäste geplant haben sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana