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Amnestiegesetz in RusslandPutin selektiert

Das Amnestiegesetz wird nachgebessert. Greenpeace- und Pussy-Riot-Mitglieder können freikommen. Putin-Kritiker Chodorkowskij bleibt jedoch in Haft.

Fröhliche Spielchen: Vor Olympia in Sotschi möchte Putin das Image Russlands aufpolieren. Bild: dpa

MOSKAU taz | Die russische Duma hat das geplante Amnestiegesetz auch auf die inhaftierten Greenpeace-Aktivisten ausgedehnt. Am Mittwoch nahm das Parlament entsprechende Änderungen in den Text auf, der am Vortag in erster Lesung gebilligt worden war.

Präsident Wladimir Putin hatte der Duma das Gnaden-Dekret aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der russischen Verfassung im Dezember vorgelegt. Für den Kremlchef ist dieser Gnadenakt die neunte Amnestie seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000. Ursprünglich war geplant, dass bis zu 25.000 Inhaftierte auf freien Fuß gesetzt werden sollten. Inzwischen gehen Beobachter nur noch von 2.000 Häftlingen aus.

Moskau dürfte mit der Amnestie unmittelbar vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele Anfang Februar sein wegen eklatanter Rechtsverstöße ramponiertes Image im Westen ein wenig aufpolieren wollen. So wird erwartet, dass die zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilten beiden Frauen der Punk-Band Pussy Riot amnestiert werden. Vor zwei Jahren protestierten die Künstlerinnen mit einem Punk-Gebet in der Moskauer Christus Erlöser Kirche gegen den politischen Schulterschluss zwischen Kirche und Kreml.

Reaktion Pussy Riot

Die im Straflager inhaftierten Musikerinnen der kremlkritischen Punkband Pussy Riot hoffen im Zuge der russischen Massenamnestie noch in dieser Woche auf ihre Freilassung. „Sie können theoretisch noch heute herauskommen“, sagte die Anwältin der Gegnerinnen von Kremlchef Wladimir Putin, Irina Chrunowa, am Donnerstag der Agentur Interfax. Die Angehörigen der inhaftierten Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljochina (25) seien bereits zu den jeweiligen Straflagern gereist, um die Frauen zu begrüßen.

Die Staatsduma hatte am Mittwoch eine Massenamnestie beschlossen, die auch einzelne Putin-Gegner betrifft. Der Strafvollzug hat sechs Monate Zeit, den Gnadenakt umzusetzen. Demnach müssen die beiden Frauen von Pussy Riot mehrere Dokumente vorlegen, um in Freiheit zu kommen – zum Beispiel einen Nachweis, dass sie das Erziehungsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben.

Tolokonnikowa und Aljochina waren im vergangenen Jahr nach einem Anti-Putin-Protest in einer Kirche wegen Rowdytums verurteilt worden. Das Vorgehen der Justiz hatte weltweit Kritik ausgelöst. Die Strafe würde im März enden. Dass sie freikommen sollen, werten Beobachter als Zugeständnis des Kremls an den Westen vor den Olympischen Winterspielen, die am 7. Februar in Sotschi eröffnet werden. (dpa)

Fieberhaft arbeitete die Duma bis zuletzt an dem Gesetz, um sich auch der prominenten Gefangenen aus dem Westen rechtzeitig noch zu entledigen. Dazu wurde ein zusätzlicher Passus aufgenommen, der eine Begnadigung auch bei laufenden Ermittlungen und vor einem rechtskräftigen Urteil erlaubt.

Davon sind vor allem die 30 Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace betroffen, die im September bei dem Versuch eine Ölplattform Gazproms in der Arktis zu kapern, festgenommen wurden. Zunächst war gegen sie wegen Piraterie ermittelt worden. Später besann sich der Kreml und wandelte die Anklage in Rowdytum um. Zu einem Gerichtsverfahren war es bislang nicht gekommen.

Aufklärungsstatistiken aufgebessert

Der Gnadenakt beschränkt sich ansonsten auf Frauen, Rentner, Invaliden und sozial schwächere Insassen. Meist solche, die wegen geringfügiger Vergehen hinter Gittern landeten. Es sind die in Russland legendären Hühnerdiebe, mit denen die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig die Aufklärungsstatistiken aufzubessern versuchen.

Russlands prominentester Häftling, der Putin-Gegner und Ex-Ölmilliardär Michail Chodorkowskij, fällt unterdessen nicht unter den Gnadenakt. Schon im Vorfeld wurde das mit einer Amnestie im letzten Jahr begründet, die sich ausschließlich auf Wirtschaftvergehen erstreckte. Der Casus Chodorkowski war indes bewusst von der Regelung ausgenommen worden. Michail Chodorkowski sitzt seit zehn Jahren im Lager, seine Haftstrafe endet im August 2014. Inzwischen häufen sich aber Hinweise, wonach der Kreml gegen den Ex-Yukos-Chef bereits eine neue Anklage schmiedet.

Auch der Oppositionelle Alexei Nawalny, der im Juli wegen vermeintlicher Veruntreuung zu fünf Jahren Lagerhaft auf Bewährung verurteilt worden war, bleibt vorbestraft. Ihm entzog die Moskauer Anwaltskammer gerade die Anwaltslizenz.

Mit einer Freilassung können dagegen acht Demonstranten rechnen, die am 6. Mai 2012 vor der Amtseinführung Wladimir Putins gegen die Rückkehr des Kremlchefs protestiert hatten.

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15 Kommentare

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  • S
    Sören

    Solche Amnestien sind natürlich auch ein Machtinstrument von Herrschern. Ein wenig erinnert es an Zeiten, als Machthaber durch ein Handzeichen über Leben und Tod entschieden haben. Hier geht es zwar "nur" um Haftstrafen, aber die russischen Gefängnisse und Straflager sind vermutlich, was die Härte angeht, auch nicht zu unterschätzen.

     

    Jetzt noch einige prominente Fälle beenden, damit sie den Eindruck bei den Olympischen Spielen nicht schmälern kann ein Motiv sein. Es zeigt sich durchaus, wie groß der Einfluss der Weltöffentlichkeit schon geworden ist. Kritik wird zwar zurückgewiesen, aber der Anlass für diese dann doch ausgeräumt.

     

    Insgesamt ist die Situation in Russland mit Blick auf die Freiheit des Einzelnen und der Menschenrechte höchst problematisch. Wirtschaftliche Erfolge, die äußerst relativ sind und nur einem Teil der Bevölkerung zu Gute kommen, können darüber nicht hinwegtäuschen. Aber man merkt, dass Teile des politischen Spektrums sich einen starken Mann wünschen, der Entscheidungen trifft, ohne die schwierige Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft. In dieser Hinsicht sind einige in Deutschland - links wie rechts - von der Mentalität her näher an Russland als an einer liberalen Demokratie.

  • "Die Verurteilung Chodorkowskijs war nach Ansicht vieler Putin-Kritiker politisch motiviert. "

    -

    Das mag die Meinung namenloser "Putin-Kritiker" und der Presse sein.

    Der Europäische Gerichtshof kam zu einer anderen Einschätzung:

    http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Niederlage-fuer-Chodorkowski-vor-Menschenrechtsgericht-id15323116.html

  • "Putin selektiert"? Was sollen denn diese dauernden KZ-Anspielungen? Erst bei der Lampedusa-Desinfektion, jetzt bei Putin. Das ist doch beschränkt.

  • Chodorkowski hat sich unter Jelzin der Ölquellen bemächtigt im wollte diese im Auftrag der USA an Firmen in den USA verkaufen.

    Er ist also eine Marionette der USA die durch sein Zutun an die Ölreverven Russlands kommen wollten !

    Wenn in den USA ein solcher Mann die gleiche Tat zum Nachteil der USA begangen hätte, wäre er ebenfalls im Gefängnis gelandet, die s sollte man einmal ganz deutlich sagen!

    Es war nur legitim, dass Russland seine Ölquellen in nationaler Hand behalten wollte, zum Wohl des russischen Staates und seiner Menschen.

    Auch die Menschen in Russland sind in den letzten Jahren (seit der Putin-Ära) deutlich besser gestellt als hier viele im Westen vermuten.

    Putin hat auch dafür gesorgt, dass die ehemals staatlichen Wohnungen der Menschen kostenlos in deren Eigentum überführt wurden....eine von vielen positivenTatsachen die hier im Westen bewußt verschwiegen werden!!!??

  • Die Ukrainer sind ein RUSSISCHES BRUDERVOLK

    -

    Das Russische Reich startete in Kiew und Kiew war auch die erste Hauptstadt des entstandenen Russischen Reiches.

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    Viele Leute in der Ukraine berichten, dass dort kaum jemand einen Pro-EU-Kurs wünscht. die angeblichen Demonstranten sind von EU u. USA gekaufte, also westlichen NGO´s.

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    Es ist das selbe Spiel wie die angeblichen Demonstranten gegen Putin !!

    -

    Hier versucht die gesteuerte Presse eine bestimmte Stimmung zu schaffen, die so in der Bevölkerung nicht vorhanden ist.

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    Ein gutes Beispiel dafür war so genannte "Orangene Revolution" die durch Dollars finanziert war, was sogar offiziell zugegeben wurde.

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    Bei der EU-Erweiterung Richtung Ukraine geht es um noch billigere Fachkräfte und Ausbeutung der Menschen durch Superreiche/Banken, und noch um geopolitische Interessen der USA / EU gegenüber Rußland.

    • @GWalter:

      die Österreicher und die Schweizer sind übrigens auch Brüdervölker von uns. Fragen Sie die doch mal, ob sie wieder zu uns dazugehören wollen. "Brüdervölker", Großmutter von Mütterchen Russland alles nur mythologisierende nationalistische Tünche um andere zu bevormunden. bis 1990 waren die Ostdeutschen auch sozialistische Brudervölker der Russen, und den vielen Slawischen Brudervölkern auf dem Balkan und in Osteuropa wollte Stalin am Ende des 2.WK auch schon mal ans Herz legen doch gleich die russische Sprache anzunehmen und an den Busen Mütterchen Russlands zu kommen. Na, dämmert's jetzt warum die Nichtrussen sich vor der Umarmung Moskaus in Acht nehmen? Die Ukrainer sollten selbst darüber bestimmen dürfen wo sie hingehören wollen. Und dabei ist es Wurst wo das russische Reich startete. Übrigens startete es erst in Moskau. Kiew und Moskau waren zunächst für sich getrennte Fürstentümer, sogar zeitlich getrennt. Zunächst kam erst einmal der Untergang Kiews im Mongolensturm und dann die Tatarenherrschaft und dann erst kam Moskau an die Reihe. Wenn es überhaupt eine Kontinuität zwischen der Kiewer Rus und dem Großfürstentum Moskau gibt dann ist es eine rein symbolische. Aber selbst wenn es anders wäre. Wollten Sie wieder bei ihren Eltern einziehen und wieder von ihnen abhängig sein, nachdem sie erst einmal bei ihnen ausgezogen sind? Nur weil sie zu ihnen dazugehören. Von Bevormundung muss man sich befreien.

    • @GWalter:

      nur war das hier nicht das Thema

  • langsam, ganz langsam schleicht sich ins russischer gedächnis, dass die schauprozesse 1935 fast die gesamte, recht große sympathie der weltöffentlichkeit für die damslige regierung rechht dauehaft und folgenreich verspielt hatte. selbst der direkt folgende verlorene spanienkrieg wurde ihnen da angelastet.

     

    was so alles "auf den lebenden" liegt..

  • H
    heinz
    • Z
      Zeigefinger
      @heinz:

      Lesen Sie mal den ersten Kommentar darunter, in der Gutmenschen-BRD werden Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern gemacht!

  • D
    df

    Selektiert? Womöglich gar an einer Rampe, Herr Donath?

  • 2Y
    2nd ysndog

    Jetzt selektiert Putin auch noch. Harte Wortwahl. Wie ers macht es ist nicht recht. Er wird in seinem Leben kein Liebling der überdemokratischen westlichen Medien werden. Kann ihm egal sein: Er hat die Ressourcen und die Kompetenz! Und, schließlich hat er immerhin einen weiteren mit Lügen aufgebauschten Globalisierungskrieg in Syrien verhindert. Scheint die Taz nicht weiter zu interessieren...weil Homosexuelle und Demokratie und so..."Drohnen,NSA? Pff, lauter Verschwörungsgeschwurbel"...The Nabelshow must go on!

    • 0
      007
      @2nd ysndog:

      Machen sie sich doch nicht lächerlich, jeder zweite Artikel hier dreht sich um die NSA und das Drohnenprogramm, stets gefolgt von dutzenden Kommentaren von Amerikahassern. Übrigens witzig wie jeder den NSA Skandal als Trumpfargument gegen die USA aus dem Ärmel schüttelt: Fragen sie doch mal ihren Freund Putin was er über Geheimdienstarbeit denkt. Hmm, war er nicht sogar selbst mal Agent? Naja hat bestimmt nur nach gerichtlicher Anordnung gearbeitet.

  • K
    kallhoinz

    Chodorkowski gehört nicht nur hinter Gitter sondern im Grund enteignet. Get your facts right, people

  • S
    stroker88

    Lupenrein.