Abstimmung in der Schweiz: Ein Kreuz gegen Zuwanderung
Mit denkbar knapper Mehrheit entscheiden die Schweizer sich für eine Beschränkung des Zuzugs von Ausländern. Das betrifft in hoher Zahl EU-Bürger.
GENF taz | Die Schweizer wollen den Zuzug von AusländerInnen in ihr Land einschränken. Mit der denkbar knappen Mehrheit von 50,3 zu 49,7 Prozent sagten die Eidgenossen am Sonntag „Ja“ zur Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP).
Künftig wird „die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt“, heißt es in dem von der Initiative durchgesetzten neuen Artikel der Schweizer Verfassung. Diese Regel gilt ausdrücklich für alle ausländischen Personengruppen: Flüchtlinge und Asylbewerber, GrenzgängerInnen sowie BürgerInnen der Europäischen Gemeinschaft, die aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen Bern und Brüssel von 2002 bislang noch ohne Einschränkung in der Schweiz leben und arbeiten dürfen.
Deutlicher als die landesweite Mehrheit fiel das für eine Verfassungsänderung erforderliche „Ständemehr“ aus: in 16 der 26 Kantone und Halbkantone votierten die Stimmberechtigten für die Initiative. Darunter in sämtlichen Deutschschweizer Kantonen außer in Basel-Stadt , Zug sowie – äußerst knapp – in Zürich. Im italienischsprachigen Tessin erhielt die Initiative mit 73 Prozent der Stimmen die mit Abstand größte Mehrheit. Die sieben französischsprachigen Westschweizer Kantone votierten hingegen geschlossen gegen die Initiative.
Zudem zeigte die Abstimmung ein erhebliches Gefälle zwischen mehrheitlicher Zustimmung in den ländlichen Regionen und Kantonen sowie einer Ablehnung in sämtlichen Großstädten über 100.000 Einwohner. Auch im „Ja“-Sager Kanton Bern votierten die Stimmberechtigten in den beiden größten Städten Bern und Biel gegen die Initiative. Eine derart tiefe Spaltung über den „Rösti-Graben“ zwischen der Deutschschweiz und der französischsprachigen Westschweiz sowie zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung hatte die Schweiz zuletzt 1992 erlebt.
Damals stimmte eine ebenfalls knappe Mehrheit von 50,7 Prozent für die SVP-Initiative gegen einen Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Diese Abstimmung symbolisierte den Beginn einer im Wesentlichen von der SVP durchgesetzten Phase der Selbstisolation der Schweiz in Europa nach Ende des Kalten Krieges.
Als Reaktion auf das gestrige Abstimmungsergebnis wird die Europäische Union möglicherweise die für Mittwoch angesetzte Unterzeichnung zweier neuer bilateraler Abkommen mit der Schweiz zunächst einmal verschieben.
Für den Fall, dass die Regierung in Bern künftig tatsächlich Kontingente und Höchstgrenzen für den Zuzug von EU-BürgerInnen festlegen und damit gegen das Personenfreizügigkeitsabkommen von 2002 verstoßen sollte, behält sich die Union die Kündigung der übrigen sechs bilateralen Verträge mit der Schweiz vor.
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