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DIW-Studie über Arm-Reich-KluftReiche immer reicher, Arme ärmer

Die Unterschiede bei den Einkommen wachsen in Deutschland deutlich. Viele Menschen aus der Mittelschicht steigen zu den Niedriglöhnern ab.

Schwere Zeiten. Bild: photocase

BERLIN taz | Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in Deutschland immer größer. Die Zahl der armen Haushalte nimmt nicht nur zu - sie werden im Durchschnitt auch immer ärmer. Bei den Spitzenverdienern ist die gegenteilige Entwicklung festzustellen. Es gibt immer mehr Reiche, die zudem stets reicher werden. Die Mittelschicht hingegen schrumpft. Manchen Angehörigen der Mittelschicht gelingt es zwar, zu den Topverdienern aufzuschließen - doch deutlich mehr steigen zu den Niedriglöhnern ab. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Dieser Trend ist seit dem Jahr 2000 zu beobachten, und selbst die Finanzkrise bedeutete keine Zäsur. Zwar nahm die Zahl der Reichen ein wenig ab. Doch die verbliebenen Reichen wurden trotz der Krise noch reicher.

Zur Mittelschicht zählt das DIW alle Haushalte, die über 70 bis 150 Prozent des Medianeinkommens verfügen. Die neuen vollständigen Zahlen gibt es für 2008. Danach gehört zur Mittelschicht, wer als Single zwischen 1.100 und 2.300 Euro netto im Monat verdient. Bei einer Familie mit zwei kleinen Kindern sind es zwischen 2.250 und 4.850 Euro netto. Darüber beginnt die Oberschicht, darunter die Unterschicht.

Die Mittelschicht ist seit dem Jahr 2000 fast konstant geschrumpft. Gehörten ihr damals noch rund 65 Prozent an, waren es im Jahr 2008 nur noch 60,9 Prozent. Dafür ist die Unterschicht größer geworden: 2004 machten die ärmeren Haushalte 19 Prozent aus - 2009 waren es schon fast 22 Prozent.

Die Finanzkrise führte dann zu Sondereffekten: Einige der Reichen stiegen wieder in die Mittelschicht ab, so dass diese 2009 plötzlich um 0,6 Prozentpunkte wuchs und nun auf einen Anteil von 61,5 Prozent kommt. Gleichzeitig nahm die Zahl der ärmeren Haushalte kaum zu, weil die Konjunkturpakete und das Kurzarbeitergeld verhindert haben, dass die Zahl der Arbeitslosen nach oben schnellte.

Es könnte also so aussehen, als hätte ausgerechnet die Finanzkrise den Trend gestoppt, dass die deutsche Gesellschaft auseinanderdriftet. Doch für derartigen Optimismus sieht das DIW keinen Anlass. Denn eine andere Entwicklung wurde auch durch die Krise nicht unterbrochen: Die absoluten Einkommen spreizen sich weiter. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher.

Wer zu den Spitzenverdienern gehört, hat inzwischen im Durchschnitt 1.360 Euro netto mehr im Monat als ein Angehöriger der Mittelschicht. Im Jahr 1999 waren es nur 1.165 Euro. Diese Zahlen sind inflationsbereinigt, lassen sich also miteinander vergleichen. Umgekehrt ist auch der Abstand der Armen zur Mittelschicht gewachsen. 1999 lagen sie mit 590 Euro netto im Monat zurück, 2009 waren es 630 Euro.

Diese Spreizung der Einkommen verlief nicht gleichmäßig, sondern es lässt sich ein klares Muster erkennen: Nach jeder Wirtschaftsflaute drifteten die Einkommen besonders stark auseinander, weil viele Menschen arbeitslos wurden und auch die Beschäftigten oft Einbußen bei ihren Reallöhnen hatten. Sobald die Konjunktur wieder anzog, wurde der Trend zwar gestoppt - aber nicht umgedreht. Auch im Aufschwung holten Mittelschicht und Unterschicht die Einkommenseinbußen nicht mehr auf, die sie in Krisenzeiten erlitten hatten.

Die neue DIW-Studie bestätigt einen Trend, der sich schon in früheren Erhebungen gezeigt hatte. Allerdings weichen die Zahlen in den verschiedenen Studien voneinander ab. So hatte das DIW im Jahr 2008 mit der Feststellung für Furore gesorgt, dass die Mittelschicht von 62 auf 54 Prozent geschrumpft sei. Und jetzt sollen es plötzlich doch 60,9 Prozent sein?

Dahinter steckt ein Methodenproblem: Die neue Studie hat Monatseinkommen berücksichtigt, die sich schneller auswerten lassen und bereits Rückschlüsse auf das Krisenjahr 2009 zulassen. Die ältere Studie von 2008 hingegen hatte das Jahreseinkommen herangezogen, das auch einmalige Kapitalerträge berücksichtigt. "Man muss sich an den konkreten Zahlen nicht festbeißen", sagt DIW-Forscher Markus Grabka. "Wichtig ist die eindeutige Tendenz, dass sich die Einkommen polarisieren."

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35 Kommentare

 / 
  • MD
    Mellow Dramatic

    ... jetzt hab' ich doch nochmal in der Studie geblättert. Tschuldigung, die ist Unsinn.

     

    Auch die hier im Artikel wiedergegebenen Ergebnisse lassen sich (empirisch) nicht bestätigen.

     

    Im langen Zeitverlauf von 20 Jahren hat die Verschiebung zwischen den Schichten - wie sie hier behauptet wird - faktisch nicht stattgefunden und selbst die Veränderungen der letzten 10 Jahre sind - sagen wir mal - marginal.

     

    Der gesamte Ansatz der Studie, Wahl von 3 Schichten, Ansatz nur am Einkommen inkl. Transferleistungen und Grenzziehungen zwischen den Schichten ist fragwürdig. Die von Heitmeier entlehnten Studienergebnisse sind falsch wiedergegeben.

     

    Über die völlig fehllaufenden "Schicht"-Begriffe wär aus soziologischer Sicht ein Übriges zu sagen.

     

    Das ist nix Anderes als ein weiterer Ansatzpunkt für eine gefühlte Gerechtigkeitsdebatte, bzw. Debatte über Gerechtigkeitsgefühl.

     

    Und wenn ich, wie so manche Forsiten hier, sowieso an marxistischen Ideologievorstellungen hänge, dann nehme ich doch gern jeden Hinweis, um die Richtigkeit meines Glaubens zu erklären. Nur mit Wirklichkeit hat das wenig zu tun.

  • M
    M.S.

    Natürlich sagen jetzt hier einige "Wissen wir doch längst". Doch warum macht keiner was? Großes Geschrei nach Veränderung gibt es doch nur, wenn mal was besonders oft/stark in der Öffentlichkeit erscheint und diese Studie ist dafür bestens geeignet ein wenig die Wegseher (Kopf in den Sand, sonst müsste ja jemand was tun)und Nicht-Wissenden aufzurütteln.

     

    Außerdem ist es krass zu lesen, daß man schon mit einem Friseusen-Gehalt zur Mittelschicht gehört.

     

    Oder daß die meisten Pärchen/Familen eigentlich reich sind, wenn Doppelverdiener.

     

    Oder wie man quasi über Nacht plötzlich von der Oberschicht in die Unterschicht wechselt. Ohne Arbeit keine Chance. Mit einer entsprechenden schlecht bezahlten Ersatz-Arbeit auch bloß untere Mittelschicht.

    Während reiche immer reicher werden. Damit meine ich ein Monatseinkommen von über 4000€ netto.

     

    2000€ im Monat sparen...wie schnell hat man dann seine Wohnung abbezahlt, wovon andere nur träumen.

    Obwohl wenn in München ein Haus 600.000€ kostet muss man auch 30 Jahre 2000€ sparen um das abzuzahlen. Doch nicht reich :-)

  • D
    Dominik

    Ach wie schön. Schon wieder so eine Studie die, welch Überaschung, wieder genau das selbe aussagt wie die Studien zum selben Thema davor...

     

    Was nutzt es denn immer neue Studien durchzuführen (die ja auch Kosten verursachen) anstatt vielleicht einfach mal Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen. *Kopfschüttel* - sie machen solange Studien bis mal einen ausversehen was anderes aussagt? Das scheint pathologisch zu sein.

  • NB
    Nils B.

    Meine Meinung zu den bislang geschriebenen Kommentaren: Einige Leute haben scheinbar zu viel Zeit um lange Texte zu schreiben, deren Inhalt nur gelinde gesagt gequirltes Geschwafel ist. Geht lieber mehr arbeiten oder sucht Euch Arbeit anstatt zu viel zu texten, dann habt ihr weniger Zeit Geld auszugeben, verdient mehr und habt ein besseres, zufriedeneres Leben.

     

    Meine Meinung zum Thema selbst:

    Am reichsten ist der, der am wenigsten braucht und nicht was irgend welche zurechtgebogenen Statistiken und Messlatten besagen.

  • P
    Präkariatsvertreterin

    Über Jahre hin bin ich aus der sog. Mittelschicht erst durch Scheidung als Alleinerziehende in Teilzeitarbeit später durch Arbeitsplatzverlust ins Präkaratiat abgerutscht, arbeite mittlerweile in 40 Stunden pro Woche für weniger Geld als vorher für 25, obwohl das auch schon ein schlecht bezahlter Arbeitsplatz war. Mein Sohn und ich, wir nennen uns das "Bildungspräkariat", ist beruhigend das System zu durchschauen und nicht zu glauben, "die da oben haben recht", aber leben kann ich von der Erkenntnis alleine nicht. Wir haben die gewählt, die wir verdienen, sage ich all den Jammerern, die auf HartzIV Empfänger schimpfen, über die ungerechte Steuerverteilung lamentieren - und dann doch die wählen, die dieses System der Umverteilung nach "unten" nicht nur schützen sondern konsequent (ja, das sind sie!!) weiter ausbauen.

    Die Hoffnung habe ich aufgegeben, dass in diesem Land wirklich eine solidarische Mehrheit für die Rechte der Normalbürger auf die Straße gehen, wir deutschen richten uns gerne ein, so wie es von "oben" vorgegeben wird.

  • J
    Jan

    Die Sozialsysteme arbeiten nach der Konzeption von vor 50 Jahren, als Lohnarbeit den Großteil des erwirtschafteten Mehrwertes generierte. Heute ist das zwar anders, aber die Hauptlast der Staatsfinanzierung zahlen immer noch jene, die nichts anderes als ihre Lebenszeit und Arbeitskraft zu Markte tragen können. Daher wäre die einzig vernünftige Möglichkeit: Hartz IV für alle* und jeder verdiente Euro, egal ob mit Mieten, Lohn, Verpachtung, Honorar usw. wird ab dem 1. Euro versteuert und absetzbar ist auch NICHTS mehr. Aber die Millionäre dieses Landes wären schön blöd, wenn sie auf einmal auch etwas beitragen müssten. Was kaum jemand weiß: In Deutschland zahlt ein Einkommensmillionär nämlich nur dann Steuern, wenn er einen besch*** Steuerberater hat!

  • S
    Steffen

    Ich sag nur danke Rot-Grün !

     

     

    @W.B

     

    Gute Frage, da die H4-Abhängten laut Westerwelle in spätrömischer Dekadenz leben scheint das wohl der Fall.

  • T
    TheBrains!

    Sehr geehrte TAZ-Redaktion,

    Ich finde ihren Artikel sehr gelungen, aber ich denke, dass es jedem klar ist, dass seit langem Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden.

  • U
    upupintothebluesky

    Sie schrieben:

     

    Die Mittelschicht ist die Oberschicht der Unterschicht.

    Und so gebärdet sie sich auch.

    Aus dieser auf hohem Niveau jammernden Schicht, stammen die schlimmsten Diskreminierungen gegen die wirklich Vergessenen.

     

    Ich meine:

    Treffender kann man es eigentlich nicht ausdrücken!

    Leider glaubt die Mittelschicht aber, dass sie die Unterschicht der Oberschicht sei und da liegt das Problem.

  • U
    Urkschah

    @ vic

     

    Gut erkannt. Die Mittelschicht ist im Grunde sehr einfach zu defnieren. Es handelt sich dabei um alle, die auf der Kippe stehen, und ihre gesamte Energie dafür verschwenden, nicht nach unten zu rutschen. Um sich von denen dort unten abzuheben, beginnen sie ihr Verhalten zu perversieren. Sie versuchen auf oft peinliche Weise die Oberen nachzuäffen, während sie die Unteren treten und schlagen. Dabei kommt ein seltsames Wesen heraus, dass sich selbst belügt, andere demütigt und sich zugleich auf kriecherische Weise den Oberen bedingungslos unterwirft. Sie geißeln sich selbst, geben ihre Lebensfreude für ein eingebildeten Status auf, werden oft depressiv und entwickeln die schlimmsten Neurosen. Niemand ist der Realität ferner, als die klassische Mittelschicht. Während die Ober- und Unterschicht bei Wind und Regen unter ein Dach fliehen, packt der Mittelschichtler lachend den Sonnenschirm und Grill hinaus. Der Mittelschichtler tanzt auch dann noch weiter, wenn ihm das Wasser bis zum Halse steht. Sein Leben findet in einer absoluten Scheinwelt statt, die alleine auf Illusionen beruht.

    Um einen Mittelschichtler für sich zu gewinnen, braucht man nur eines zu tun: Dessen irrationalen Illusionen stärken. Erzähle ihm, er sei ein Jemand, er sei wichtig, er sei besser als die dort unten. Und schon läuft er dir wie ein domenstizierter Haushund hechelnd hinterher, immer darauf aus, ein weiteren Happen von Beweihräucherung zu erhalten. Das Denken ist dem Mittelschichtler fremd. Er übernimmt stets kritiklos die Meinung seiner Gönner, auch wenn diese sich gegen ihn selbst richtet.

    Um einen Mittelschichtler zum Todfeind zu machen, bedarf es ebenfalls nur einer Kleinigkeit. Greife seine selbsterrichteten Illusionen an. Der Zorn, Haß und die Gewalt die einem dann entgegengeschleudert wird, ist allerdings kein Spaß.

    Das ist der klassische Mittelschichtler. Man erkennt ihn also nicht an seinem Einkommen, sondern einzig an seinem Irrationalem Verhalten. Perverse Gewalt nach unten und Obrigkeitshörigkeit nach oben.

    Auf diese Schicht können wir alle getrost verzichten!

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    @Sodon: Der Großteil der Wähler glaubt, dass sie die für sie richtigen Leute wählen, weil die Medienlandschaft so verzerrt ist, dass sie völlig verfälschte Informationen erhalten.

     

    Und das ist zu erwarten, wenn die Vermögensungleichheit so heftig wird wie bei uns. Dadurch wird nämlich auch massiver Einfluss auf alle von Werbung abhängigen Medien möglich. Was ein Grund ist, aus dem die Taz extrem wichtig ist!

     

    (detaillierter: http://draketo.de/licht/politik/zu-grosse-vermoegensungleichheit-zerstoert-jede-demokratie )

  • D
    dietah

    vom DIW, ausgerechnet.

    Ich muss mir eine Träne aus den Augen wischen.

    Natürlich ein paar Jahrzehnte zu spät. Aber hey.

    Man ist ja wertkonservativ.

     

    Ich frage mich bis heute, wie im Bereich der Wirtschaft, die ein Höchstmaß an Anpassung, Flexibilität und geistiger Agilität und Komplexität bedingt, ausgerechntet immer wieder die Konservativen die Kompetenz zugesprochen bekommen.

     

    Also ausgerechnet jene, die jedwede Veränderung per se ablehnen, da erst das Althergebrachte, zur Tradition geronnen, wahre Erfüllung bringt.

     

    Das Wirtschaftssystem ist das Anfälligste von allen, bedingt ständige subversive Modifikationen, um die gewünschten Ziele/ Stabilität zu erreichen.

    Es ist in begrenztem Maße logisch und Kausalitätsdeterminiert.

    Für Glauben und Popanz ist da kein Platz.

     

    Es ist bis heuer ziemlich belustigend festzustellen, dass Marx, der ja nun unbestritten ein gerissener Wirtschaftsphilosoph war, in fast allen Wirtschaftsvorlesungen dieses Landes konsequent totgeschwiegen, da selbst nach Jahrhunderten die Rache seiner konservativen Standeskollegen im nachhängt.

    Und das obwohl seine Kapitalismusdeskription und die Probleme bis heute nichts an Richtigkeit eingebüßt haben.

    So wird das nichts.

     

    Ungleicheit ist schlecht. Weiß jedes Kind. Kein Mensch steht höher als der andere. Trotzdem wird starrsinnig der Sinn einer Elite herbeizulabern versucht.

    Sinn? Irrsinn?

     

    Selbst wenn wir nicht empirische Daten aus Jahrhunderten menschlicher Zivilisation hätten, ist doch jedem klar, dass die Herrschaft einer kleinen Oberschicht das gesamte Land in ein öde, lähmende Starre zwingen wird, da die Oberschicht keinerlei Veranlassung bzw. fast ausschleißlich ihre Ressourcen in Unterdrückung und Propaganda investieren müsste, um das himmelschreiende Unrecht halbwegs zu übertünchen bzw. unten zu halten.

     

    Das Modell China/ Indien hat noch nie funktioniert und wird es auch nie.

  • L
    luk

    M y t h o s M i t t e l s c h i c h t

     

    Wer gehört zur Mittelschicht – in Deutschland und im internationalen Vergleich? Sollte man dies an Meridianen und arithmetischen Mitteln festmachen? Wäre es nicht sinnvoller, dafür die Frage danach zu stellen, wer gut qualifiziert ist und über ein Einkommen verfügt, das für ein Leben in Wohlstand, jedoch nicht für grenzenlosen Luxus reicht? Dann müsste man die Mittelschicht aber anders definieren. Dann würde man vielleicht zum Ergebnis kommen, dass gar nicht die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen zur Mittelschicht gehört.

    Ändern wir also mal die Definition: Jeder gehört zur Mittelschicht, der über eine höhere Qualifikation wie einen Hochschulabschluss (Bachelor, Diplom usw,) oder über einen Meister verfügt und ein Monatsbrottoeinkommen von 3 000 Euro (meinetwegen auch 2 000) bis vielleicht 10 000 Euro erzielt. Ohne konkrete Zahlen zu kennen behaupte ich, dass nach dieser Definition die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen nicht zur (akademischen) Mittelschicht gehört, sondern zur Unterschicht, Arbeiterklasse oder wie man diese nennen mag. Und nur eine sehr kleine Gruppe gehört demnach zur Oberschicht von Ackermann, Merkel und Co. Aber welche Interessen vertreten dann Politiker, die die (akademische) Mittelschicht besser stellen wollen? Die Interessen der FacharbeiterInnen oder gar die der HilfsarbeiterInnen? Oder nicht eher die Interessen der Anwälte, Ärzte, Kleinunternehmer oder Beamte mit akademischer Ausbildung, die sicher in der Regel auch gute Arbeit leisten. Ich bin mir sicher, dass viele Politiker, die die Interessen der Mittelschicht vertreten wollen sicher nicht den einfachen Arbeiter im Blick haben – auch wenn zunächst der Eindruck entstehen mag. Und wieso sollte sich ein deutscher Facharbeiter nach langjähriger Berufserfahrung, der nach der Definition des DIW endlich zur Mittelschicht gehört mit den ArbeiterInnen solidarisieren, die in anderen Teilen der Welt leben und trotz 8 oder 12-Stunden Arbeit pro Tag sich gerade mal das Überleben sichern können? Die vom DIW (und anderen Instituten) verwendete Definition der Mittelschicht führt zu folgenden Ergebnissen: Die Mehrheit der Menschen in Deutschland glaubt, dass sie zur Mittelschicht gehört, obwohl das falsch ist. Wenn Politiker erzählen, sie würden die Interessen der Mitte der Gesellschaft (akademische Mittelschicht) vertreten, glauben viele ArbeiterInnen fälschlicherweise, sie würden ihre vertreten. Wenn alle Parteien die Interesen der „Mitte“ vertreten, vertritt keine Partei die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung. ArbeiterInnen nehmen nicht wahr, dass sie die gleichen Interessen wie Fabrikarbeiter in China haben. Das führt dazu, dass es kaum Solidarität zwischen den ArbeiterInnen in Deutschland und Europa, in schon gar nicht mit denen in anderen Teilen der Welt gibt. Man gehört ja zu einer ganz anderen Gesellschaftsschicht mit einem viel höheren Lebensstandard. Fragt sich nur wie lange noch, wenn alle Parteien in Deutschland die Interessen der sogenannten Mittelschicht vertreten.

  • S
    Sodon

    Die Wahrheit die keiner hören will: Jedes Volk erhält die Regierung, die es verdient. Das Volk ist es, die einer Regierung ihre Legitimation gibt, sich beherrschen, kontrollieren und ausbeuten läßt. Und zwar freiwillig und insgeheim gewollt. Denn der Urnenpöbel wird lieber bis zur Selbstaufgabe missbraucht, anstatt sich der eigenen Verantwortung im Leben zu stellen. Solange wir keine eigenen Entscheidungen treffen brauchen, sind wir gerne die Sklaven. Und so ist auch der schon seit 40 Jahren stattfindende Prozess der Vermögensverteilung und die systematische Entrechtung des Volkes der Spiegel unserer Gesellschaft. Man führt nur im Großen aus, was der einzelne im Kleinen denkt.

  • BG
    Brunner Gerd

    Wie richtig alle Kommentare sind,

    doch die Schuldigen sind die von

    Wählern gewählten Politiker die

    nichts anderes tun als mit einer

    korrupten wirtschafts- finanzma-

    ffia ihr Unwesen gegen das Woh-

    lbefinden der breiten Masse der

    Bevölkerung zu treiben.

    Der Wähler hat keine Wahl, auß-

    er er wählt NICHT mehr.

    Wir befinden uns in einer Demo-

    kratie der Diktatur des Finanzkap

    italismus.

    Der Wähler hat keine Rechte!!!

  • W
    W.Wacker

    Ich bin ein sozial eingestellter Arbeitgeber. Ich will, dass alle meine Mitarbeiter zu den Reichen gehören. Also entlasse ich alle Verheirateten und Familienväter, denn Singles mit weniger Einkommen zählen als Besserverdiener. Was für ein Schwachsinn.

  • KD
    Karl der Große

    Die weiter auseinanderdriftenden Einkommensunterschiede sind für eine Gesellschaft wie die unsere "großer Mist".

     

    Solange es aber noch mehr als 50 % der Menschen gut dabei geht..., wird sich wohl nichts ändern.

    Anders wäre es, wenn plötzlich 80 % der Gesellschaft feststellen, das "unser" Reichtum einfach ungerecht verteilt ist bzw. wird.

     

    ES nützt nichts.. ich erwarte hier gar nichts von der großen Politik.. da muß jedeR selbst sehen, das er vorankommt.

  • A
    Aaa

    @Mellow: Nicht Armut, Unterschicht. Arm ist eine Teilmenge der Unterschicht.

    Und ob da der Median, der bei einer schwindenden Mittelschicht nach unten rückt, als Ausgangspunkt sinnvoller ist, wage ich jetzt auch mal zu bezweifeln. Denn gerade da wird ja ausgeblendet, weil mathematisch nicht berücksichtigt, dass es "Superreiche" und "Superarme" gibt.

     

    Die Studie ansich zu kritisieren ist ja nun doch mal viel zu kurz gedacht: Eine solche Argumentationsbasis zu haben, ist sinnvoll und wichtig. Nur weil "jeder das sieht", ist nichts bewiesen.

  • V
    vic

    Die Mittelschicht ist die Oberschicht der Unterschicht.

    Und so gebärdet sie sich auch.

    Aus dieser auf hohem Niveau jammernden Schicht, stammen die schlimmsten Diskreminierungen gegen die wirklich Vergessenen.

    Und wer bleibt außen vor? Die Champagner und Kaviar -Elite!

    Nun ja das ist Regierungs-Kalkül, so soll es sein. Schon klar. Aber warum bloß lassen sich in diesem Land so viele halbwegs intelligente Menschen noch immer derart verarschen?

    Es gibt bereits eine Gruppe Unternehmer und Millionäre, die sich dafür stark macht, dass ihresgleichen ebenfalls ihren Beitag leisten sollte.

    Wenn sich die Privilegierten mit ihrer Ausnahmestellung schon selbst nicht mehr wohl fühlen, sollte das uns und dieser sogenannten (Bundes) Regierung zu denken geben.

  • C
    cato

    ausserdem wird mehr geklaut als gekauft weil das volk kein geld scheißen kann

     

    reichtum stirbt ab

    die graswurzel lebt

  • R
    rheinelbe

    Eine neue Klassengesellschaft.

  • H
    Horst

    Bevölkerungsschichten werden wieder zu Klassen.

    Es lebe der Klassenkampf.

  • TW
    True West

    Die "Wende" zum Abkippen des "Volkes" kam 1978: Die Amis wussten das der "polnische Pabst" das Ende der Sowjets bedeutete - und SEITDEM brauchen die "oben" keine weiter Unterstuetzung von "unten" - die "kommunistische Konkurrenz" war weg. Ronald Reagan war der Anfang vom Ende der Gewerkschaften in USA und der Wettlauf fuer den "American worker" mit den Billiglaendern. Die "Germans" muessen sowieso alles von USA nachaffen - und nun gibt es auch nicht die "soziale Marktwirtschaft"... Bye, bye Germany!

  • MM
    mit Majo

    Seit es die Sowjetunion und den Kommunismus nicht mehr gibt, brauchen die Reichen und Mächtigen auch keinen schönen Kapitalismus mit sozialer Ausgewogenheit mehr, das ist das klare Resultat und es wird noch schlimmer werden. Aber dieses System steht schon kurz vor dem Zusammenbruch, auch ohne böse Kommunisten.

  • HW
    Hallo Wach

    Weg mit der WM und anderen Ablenkungen für das Dumme Volk.

     

    Schnäppchen-Markt für die Armen und ein Getto mit Blick auf die Mittelschicht und schon hat man die Ablenkung die Politisch gewollt ist.

    Die Armen aus dem Getto Überfallen die Mittelschichtler und die Reichen sitzen in Ihren von Security Unternehmen abgesicherten Stadtvierteln und schauen gelassen zu wie Ihre Taktik den so funktioniert.

     

    Dabei verdienen Sie sich noch eine Goldene Nase an dem ganzen geschehen.Und die Politiker gehören ja eh zur reichen Klientel und sind bestrebt durch Gesetze alles in Legale Trockene Tücher zu bringen.

    Politisch wird sich sowieso nur etwas ändern wenn diese Klientel mal so richtig was auf Ihre Ampel bekäme.

  • W
    willy

    @ hanna

    Meine volle Zustimmung!

  • M
    Makeze

    Und wie lange dauert es noch bis es knallt?

  • MD
    Mellow Dramatic

    Sorry, da habe ich jetzt aber gravierende Zweifel.

     

    Die relative Armutsgrenze bei 70% des Durchschnittseinkommens anzusetzen ist irgendwie eigenwillig.

     

    Sie beträgt im OECD Standard 60% des Medianeinkommens. Und sie ist hinsichtlich der Ausweisung von Armut fraglich.

  • W
    Werner

    "Graureiher" hat völlig Recht.

    Und wer hat die Schuld, dass die realen Machtverhältnisse so sind wie sie sind? Wir!

    Solange wir von diesen Marionetten (Politikern)irgendetwas erwarten, solange wir bei der nächsten Wahl wieder bei CDUSPDFDP unser Kreuzchen machen, wird es immer so weiter gehen.

    Diese Leute tun nichts anderes als das, was schon immer ihre Aufgabe gewesen ist: Staat und Gesellschaft so zu organisieren, dass die Mächtigen/Reichen/Banker und andere Schmarotzer weiterhin ungestört ihre Geschäfte abwickeln können.

    "Der Staat ist der geschäftsführende Ausschuss der herrschenden Klasse", wie mal jemand gesagt hat.

  • H
    Happes

    "Im vergangenen Jahrzehnt" kann ja nur bedeuten, dass das Ganze bei SchröderFischer angefangen hat. Die SPD (warum eigentlich gerade die?) verweist z.Zt. gerne darauf, dass zu Kohls Zeiten (!) der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent lag. Wer war gleich noch mal Kohls Koalitionspartner? Ach ja richtig...

     

    Mit anderen Worten: Der Spruch aus den 70-er Jahren "Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie verboten", war noch nie so wahr wie jetzt. Oder anders ausgedrückt: Kein Wunder, dass der Verfassungsschutz hartnäckig die Linke beobachtet.

    Diese Beobachterei wird so lange dauern, bis erwiesen ist, dass auch die Linke nichts mehr ändern will. Und darauf wird man warten können - siehe SPD...

     

    Oder in den Worten des verehrungswürdigen Dieter Hildebrandt: Demokratie ist die Freiheit, die die Wirtschaft ihr lässt.

  • M
    M.B.

    Ach, und da braucht es ein Institut dazu, um etwas herauszufinden, das jeder, bei dem wenigstens eine Gehirnwindung noch funktioniert, bereits seit 20 Jahren beobachten kann?

     

    Wer bezahlt eigentlich so ne Studie? Ich gründe jetzt auch ein Institut......

  • H
    Hanna

    Tja der DIW-Ökonom Jan Goebel hätte besser Politik und Soziologie studiert, denn seine Frage beantwortet sich von selbst: Soziale Schichtung, ungleiche Machtverteilung und große, nicht steuerbare Strukturen wie EU, Berlin und Bundestag - wo entscheidet der Bürger wirklich? An welcher Stelle kann er sich sicher sein, was am Ende passiert?

    Er weiß doch nur eins: Das Wahlprogramm klingt immer gut und hat nichts mit der Regierungspolitik am Ende zu tun. Das gilt sogar für Linke und Grüne.

    Und dazu: Es gibt jetzt immer Koalitionen und bald auch in Konstellationen, die sich eigentlich gegenseitig ausschließen, also Jan Goebel, wie lautet die Weisheit des Herrschaftswissens Nummer eins: Teile und Herrsche, für heute: Spalte und erzeuge Sündenböcke, polarisiere und erzeuge unpolitische Atmosphären durch Spiele und billiges Brot (nicht mehr schwer: Discounter sind voll mit Müll) und damit verhindert man, dass es zu einem gesellschaftlichen Diskours, zu wirklichen Argumentationen kommt.

    Möglich hat das alles die SPD gemacht, weil sie die Tabus im Bereich soziale Sicherheit geschreddert hat. Aber schon vorher war jede Reform eine Verschlechterung für eine bestimmte Gruppe von Menschen.

    Diese Studie wärmt auch nur Bekanntes auf, letztlich ist diese Dynamik seit 30 Jahren nachvollziehbar und seitdem gibt es immer wieder Gegenbewegungen, die meist erfolglos bleiben. 1998 war dann mal ein Tag der Quittung, 2003 wurden Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger Opfer der nächsten Reform.

    Parallel steigen Gewinne, wachsen Vermögen, bilden sich immer mehr Superreiche heraus und steigt die Zahl der Armen und Schwachen an. Heute leben bereits 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche (bis 14 Jahre). Es wird nicht lange dauern und wir haben hier auch 20 oder 30 Prozent Superarme, die kaum aus ihrer Situation heraus kommen. Obendrauf leben die dann noch in Wohngegenden, wo Gewalt, Kriminalität und miese Schulen sind, wo es kaum sinnvolle Angebote und Einrichtungen gibt.

    Das ist die Zielrichtung und die wird politisch bestimmt und so wird sie auch gewollt. Wer es im Detail verstehen will, muss sich wohl eher mit Propaganda, PR, Popanz- und Sündenbocktheorien befassen, als mit statistischem Material.

  • G
    Graureiher

    Es stelle sich die Frage, warum die Menschen mit hohen Einkommen keinen Sparbeitrag leisten sollen…

    Man kann offensichtlich politisch naiv sein und trotzdem DIW-Ökonom werden! Ja warum sollen sie wohl nicht? Vielleicht weil ihre Marionetten in der Regierung sitzen? Weil sie über die von ihnen veröffentlichte Meinung, genannt freie Presse, Wahlen steuern? Weil ihnen das ganze neoliberale Parteienkartell ergeben ist? Erklärungen gibt es genug, man muss sich nur trauen, sie auch auszusprechen. Aber Herr Goebel stellt sich lieber ahnungslos. Ist auch besser für seinen Job, den wäre er sonst ganz schnell los. Die soziale Entwicklung mit den realen Machtverhältnissen im Lande in Zusammenhang zu bringen, ist nicht gut für die Karriere im DIW!

  • RS
    Reinhold Schramm

    Auch in Folge der sozial-ökonomischen Ungleichheit ein modifizierter Faschismus - als "Ölpest" des Profitsystems?

     

    Zur Realität der Klassengesellschaft, Erbschafts-, Eigentums- und Vermögensverteilung in Deutschland:

    70 Prozent der Bevölkerung - vor allem aus der Lohnarbeit und realen Wertschöpfung - besitzen nur 9 % aller Vermögensanteile (594 Mrd. Euro).

     

    Das reichste Hundertstel besitzt 23 Prozent des Nettovermögens in Deutschland (1518 Milliarden Euro).

     

    Das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt 61,1 Prozent aller Vermögen (4032,6 Milliarden Euro).

     

    Der Reichtum auch in der deutschen Klassengesellschaft konzentriert sich am oberen Ende der realen Raub-, Erbschafts-, Eigentums- und Vermögensverteilung.

    Siehe hierzu:

    http://www.debatte.info/fileadmin/download/rschramm_10052009.pdf

     

    Und siehe auch: Lohnverzicht reduziert auch die Altersrente und erhöht die Kapitalvermögen!

    http://www.debatte.info/index.php?id=872

     

    Trotz alledem!

  • W
    W.B.

    "die Mittelschicht schrumpfe; sie sei der Verlierer des letzten Jahrzehnts."

    Demnach darf sich die Unterschicht / das Prekariat den "Gewinnern" zurechnen ...?