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Debatte Googles MarktmachtSuchen im Dunkeln

Kommentar von Svenja Bergt

Google löscht Links und gefährdet so die Pressefreiheit? Das ist genau die Debatte, die dem Konzern guttut. Und sie geht dennoch am wahren Problem vorbei.

Alles Google, oder was? Bild: dpa

G oogle macht gerade alles richtig. Zumindest wenn es darum geht, eine Debatte, in der es eigentlich nur verlieren konnte, vorteilhaft zu nutzen. Und das, obwohl vor einigen Monaten noch bis auf Ministerebene laut über eine Zerschlagung des Konzerns nachgedacht wurde, der sein Tätigkeitsspektrum längst auf Bereiche wie Gesundheit, Robotik oder Haustechnik ausgedehnt hat.

Es geht um das „Recht auf Vergessenwerden“, das – zumindest faktisch – der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil im Mai festgeschrieben hat. Demnach müssen Suchmaschinen Links zu persönlichen Informationen über Privatpersonen entfernen, wenn die Informationen „nicht mehr erheblich“ sind.

Für einen Konzern wie Google ist so ein Urteil natürlich erst einmal eine Katastrophe. Da mischt sich jemand in das eigene Geschäftsmodell ein, erzwingt neue Arbeitsschritte und nicht nur das: Das Gericht beansprucht auch noch, Einfluss zu nehmen auf den hochgeheimen Suchalgorithmus. Dass dieser Algorithmus nur noch in der Mythologie ein reiner Programmcode ist und Mitarbeiter schon lange händisch an den Suchergebnissen herumschrauben und sich die Details ständig ändern – geschenkt. Doch im Glauben vieler Nutzer funktioniert eine Suchmaschine genau so: Was in der Trefferliste oben steht, hat ein Programm anhand von unabhängigen Kriterien für wichtig erkoren.

Nun ist Google ein paar Wochen nach dem Urteil dabei, Links zu löschen. Dabei hat der Konzern die zugehörigen Zeitungen informiert, es geht nämlich zumindest teilweise um Links auf journalistische Texte. Die daraus resultierende Debatte, ob das nun problematisch im Sinne der Pressefreiheit ist, könnte dem Konzern gelegener nicht kommen. Sie insinuiert nämlich: Google ist wichtig für die Pressefreiheit. Nicht etwa: Suchmaschinen sind wichtig für die Pressefreiheit. Oder: Das Auffinden journalistischer Texte im Internet ist wichtig für die Pressefreiheit.

Google ist für viele die Realität im Netz

Dass es bei der Debatte nach dem EuGH-Urteil, das sich auf alle Suchmaschinen bezieht, vor allem um Google geht, zeigt die Folgen der Tendenz zur Konzentration auf mehrere große Akteure mit auf ihrem Gebiet ungebrochener Marktmacht. Auf Amazon bei Waren, YouTube (gehört auch zu Google) bei Videos, Facebook für die Vernetzung. Google bei Werbeanzeigen, Google bei der Auswertung besuchter Webseiten, Google als Suchmaschine. Diese Konzentration potenziert auch im aktuellen Fall die Macht des Konzerns: Was Google – nach eigenem Ermessen – löscht oder eben nicht löscht, ist für über 90 Prozent der Nutzer in Europa die Realität im Netz.

Strategisch klug ist auch, dass der angekündigte Beirat, der grundsätzliche Empfehlungen in Sachen Link-Löschung aussprechen soll, öffentlich tagen wird. Klug nicht nur deshalb, weil es Akzeptanz für das Verfahren schaffen kann, sondern weil Akzeptanz im Zweifelsfall Gerichtsverfahren vermeidet, die teuer werden können, dafür aber Rechtssicherheit schaffen würden statt Konzernwillkür.

Bei der Debatte über eine mögliche Gefahr für die Pressefreiheit wird übersehen, dass die Suchmaschine bereits ohne persönliche Löschgesuche alles andere als transparent arbeitet. Da gibt es unterschiedliche Treffer je nach Land, in dem der Nutzer zu sitzen scheint – daher hilft auch die simple Eingabe von google.com nicht, um dem Urteil gemäß gelöschte Treffer doch zu sehen. Wer anhand seiner IP-Adresse als Nutzer aus der EU identifiziert wird, bekommt EU-Ergebnisse. Da werden Ergebnisse personalisiert, je nach Suchhistorie und anderen persönlichen Daten aus dem Google-Universum.

Da landen – das kritisiert etwa die EU-Kommission – eigene Dienste vor denen der Konkurrenz. Da nehmen auch noch Mitarbeiter per Hand Einfluss, das ist bekannt, spätestens seit es entsprechende Stellengesuche gab. Alles im Interesse der Gewinnmaximierung. Je besser die Nutzer die Ergebnisse finden, desto öfter kommen sie wieder, desto mehr persönliche Daten hinterlassen sie und schaffen damit die Grundlage für höhere Werbeeinnahmen.

Über 90 Prozent Marktanteil

Und das sind nur die einigermaßen bekannten Einflüsse. Wo und in welchem Ausmaß noch weitere Faktoren auf die Suchergebnisse wirken – unbekannt. Zumal schon die reine Sortierung der Treffer einer Löschung ziemlich nahe kommt: Einer Untersuchung des US-amerikanischen Internetvermarkters Chitika aus dem vergangenen Jahr zufolge besuchen schon die zweite Trefferseite nur noch weniger als 5 Prozent aller Suchenden. Auf Seite 3 schafft es nur noch jeder Hundertste, auf Seite 7 jeder Tausendste.

Über 90 Prozent Marktanteil – nicht einmal Kartellrechtler bestreiten, dass es sich dabei um eine marktbeherrschende Stellung handelt. Die ist auch nicht verboten – nur ihr Missbrauch. Eigene Dienste gegenüber der Konkurrenz zu bevorzugen würde für eine Suchmaschine sicher darunter fallen. Nur lässt sich das dank des geheim gehaltenen Suchalgorithmus nicht beweisen.

Eigentlich müsste die Debatte also noch einen Schritt weitergehen: Das Auffinden von Informationen im Internet nach nachvollziehbaren Kriterien ist wichtig. Nicht nur für die Pressefreiheit, auch für Wettbewerb, Wirtschaft, Bildung. Es macht einen Unterschied, ob systematisch Google-eigene Dienste oben auftauchen und die Konkurrenz weit unten oder nicht. Und es ist ein Unterschied, ob Schüler bei der Suche nach Informationen über eine Ölkatastrophe auf den ersten Treffern die Seiten einer Umweltorganisation verlinkt bekommen oder Wikipedia. Oder die Seite eines Ölmultis.

Algorithmus offenlegen

Bei den diversen Gedankenspielen über Möglichkeiten zur Zerschlagung von Google fehlt dieser Aspekt völlig. Was wäre gewonnen, wenn Google nicht mehr MailSuchmaschineAnalyticsYouTubeAndroidWerbenetzwerk und noch einiges mehr wäre, sondern nur noch jeweils zwei oder drei Bereiche zusammengehörten? Gut, es gäbe dann mehrere große statt einen riesigen Pool persönlicher Nutzerdaten, aber weder würde damit der Umgang privatsphärenfreundlicher noch die Suche transparenter.

Vielversprechender wäre dafür die Offenlegung des Suchalgorithmus. Das würde nicht nur Klarheit schaffen, wenn sich die Reihenfolge der Suchtreffer merklich verändert. Auch der Mythos von der objektiven, unabhängigen Google-Suche ware dann aus der Welt geschafft.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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1 Kommentar

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  • ecosia, ixquick, duckduckgo, startpage, lixam, fastbot und metager sind meine Realität. Die openstreetmap ist ebenso nicht schlecht. Ich bin froh, zu den 10% zu gehören.

     

    Es gilt, mehr Artikel über diese Suchprogramme zu schreiben und ein hipperes Verb für das "Suchen im Web" zu finden.