Krisentraining für Journalisten: Vorbereiten auf den Worst Case
In Krisengebieten geraten Journalisten häufig in die Schusslinie, ohne zu wissen, wie sie im Notfall handeln sollen. Eine Organisation will helfen.
BERLIN taz | 2011 wurde in Libyen der amerikanische Fotojournalist Tim Hetherington von einem Schrapnell getroffen. Hetheringtons Wunde war ernst, aber nicht unbedingt tödlich. Doch keiner der Journalisten oder Rebellen vor Ort wusste, wie man eine solche Wunde behandeln muss.
Hetherington verblutete auf dem Weg ins Krankenhaus in Misrata. Als Reporter in Krisenregionen arbeiten, das ist gefährlich. Und kann sogar tödlich sein. Anja Niedringhaus, Camille Lepage, James Foley – das sind nur drei von insgesamt 66 Journalisten, die nach Zählung von Reporter ohne Grenzen im Jahr 2014 getötet wurden.
Immer mehr Reporter und Fotografen reisen als Freischaffende und auf eigene Faust in Krisengebiete. Annabell van den Berghe ist eine von ihnen. Die 28-Jährige hat aus Ägypten und Syrien berichtet und dabei gesehen, wie Journalisten und Zivilisten verletzt wurden. „Nach meiner Erfahrung arbeiten Redakteure ungern mit freien Reportern, die keine Krisentrainings haben“, sagt van den Berghe. „Aber für die Fortbildung bezahlen wollen sie auch nicht.“
Sebastian Junger, Kollege und Freund des verstorbenen Tim Hetherington, gründete nach dem Vorfall in Libyen die Organisation RISC – Kurzform für „Reporters Instructed in Saving Colleagues“. Über Spenden finanziert, bietet sie kostenlose Krisentrainings für freie Journalisten an, Erste–Hilfe–Kurse, ausgelegt auf bedrohliche Situationen. Was tun, wenn jemand angeschossen wird? Wie stoppt man eine Blutung?
144 Journalisten haben diese Trainings bereits durchlaufen, rund die Hälfte davon Fotografen, aber auch Multimedia–, Print–, und Videojournalisten. Zu den Großspendern zählen CNN, abc News, aber auch das Magazin National Geographic und der Verlag Condé Nast. Für eine Benefizauktion für RISC haben 46 Fotografen Werke gespendet.
Entführung simuliert
Van den Berghe absolvierte im Februar 2014 ein RISC-Training. „Vor dem Training hatte ich eine schusssichere Weste, einen Helm, eine Gasmaske“, sagt sie. „Aber ich dachte niemals daran, ein Erste-Hilfe-Set einzupacken.“ Nun sei sie sensibler für das Thema und fühle sich sicherer: „Man muss kein Mediziner sein, um zu helfen, um beispielsweise eine Blutung zu stoppen.“
Auch die deutsche Bundeswehr bietet solche Lehrgänge zum „Schutz bei Verhalten in Krisenregionen“ an, ein Überlebenstraining, das im unterfränkischen Hammelburg stattfindet. Journalisten sollen dort auf Gefahren in Krisen- und Kriegsgebieten vorbereitet werden. Lernen, gefährliche Situationen zu erkennen, sie zu vermeiden. Erste Hilfe ist auch hier Teil des Ausbildung, außerdem wird eine Entführung simuliert und die Teilnehmer bekommen Tipps, wie sie mit traumatischen Erfahrungen umgehen.
Rückblickend würde Annabell van den Berghe sich wünschen, dass Redakteure besonders junge Kollegen besser vorbereiten und schützen würden. Aber ein solches Training zur Pflicht machen? „Nein, das zu verlangen wäre scheinheilig von mir. Ich habe schließlich auch ohne Training gearbeitet.“ Doch van de Berghe sieht den Vorteil nicht nur darin, dass man selbst besser vorbereitet ist: „Ich fühle mich sicherer, wenn ich von gut ausgebildeten Kollegen umgeben bin. Sie wissen, was zu tun ist, wenn mir etwas passiert.“
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