piwik no script img

Kommentar zu Innenminister FriedrichFußfesseln für Blogger!

Deniz Yücel
Kommentar von Deniz Yücel

Blödsinn verzapfen, Blödsinn fordern – auf deutsche Innenpolitiker ist Verlass. Derzeit auf Innenminister Friedrich, der von Norwegen auf die "Autonomen Nationalisten" kommt.

E s gibt Dinge, auf die kann man sich verlassen. Auf deutsche Innenpolitiker zum Beispiel. Genauer: auf ihren Mut, sich bei jeder passenden Gelegenheit der Lächerlichkeit preiszugeben und zu offenbaren, dass man a) völlig ahnungslos, b) rührend hilflos oder c) beides auf einmal ist.

Wie nach dem Mord an Theo van Gogh, als hierzulande eine muntere Debatte über Deutschpflicht in Moscheen begann. Dass der Mörder Mohammed Bouyeri sein Bekennerschreiben in astreinem Niederländisch verfasst hatte, ehe er es mit einem Messer in die Brust seines Opfers rammte, dass man also über Kultur diskutierte, wo es in Gestalt des Islamismus um ein politisches Phänomen gegangen wäre, fiel nicht weiter auf.

Nach dem Massaker in Norwegen warnt nun CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich vor den "nationalen Autonomen", die sich "zunehmend nach dem Beispiel der Linksautonomen" formierten. Offenbar könnten Neonazis bald ähnliche Gräueltaten anrichten wie Anders Behring Breivik auf Utøya und "Linksautonome" in Berlin-Kreuzberg. Doch zum Glück beobachten Friedrich und die Seinigen die Szene "sehr intensiv". Vielleicht merken sie irgendwann ja, dass Breivik persönlich wie ideologisch einem ganz anderen Milieu entsprungen ist als dem neonazistischen, nämlich dem islamophoben Internetmob.

Bild: taz
DENIZ YÜCEL

ist Redakteur im Schwerpunkt-Ressort der taz.

Etwas weiter sind da schon Friedrichs Parteifreund Hans-Peter Uhl ("Diese Tat wurde im Internet geboren") und der SPD-Politiker Sebastian Edathy ("Man muss gegen extremistische Islamkritik im Internet vorgehen"). Denn sind Innenpolitiker erst einmal in Aktion, folgt auf die erste Stufe ihrer Berufsausübung (Blödsinn verzapfen) bald Stufe zwei: Blödsinn fordern, gern das Verbot von diesem oder jenem, und zwar ganz gleich, ob die vorgeschlagene Maßnahme etwas mit dem Thema zu tun hat, überhaupt machbar ist oder der Sache dienen kann.

Noch aber ist das Ende der Debatte nicht erreicht, noch fehlen die ganz harten Jungs: Wer fordert jetzt Bundeswehreinsätze im Internet? Fußfesseln für Blogger? Autobahnmaut für Terroristen? Herr Bosbach, Herr Schünemann, Herr Wiefelspütz? Einer wird's schon machen. Es gibt nämlich Dinge, auf die kann man sich verlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • S
    Serdar

    vic: *Für die Analphabeten: Deniz Yücel heißt der Autor.

     

    Vergiss es, sie wollen es nicht. Und allein daraus , dass so viele Leser - aus Schlampigkeit oder Ignoranz - es nicht fertig bringen, einen Namen wie Deniz Yücel richtig abzuschreiben, könnte man ableiten, was sich viele Biodeutsche unter "Integration" vorstellen: Wir müssen gar nichts tun geschweige denn etwas ändern, die Ausländer müssen sich anpassen. Warum haben die überhaupt so undeutsche Namen?

  • D
    Drake

    Danke für diesen Kommentar! Sehr gut gelungen, prägnant und bissig - Lieber politisch schreiben als Frauen-WM kommentieren, Herr Yücsel!

  • W
    willy

    Nur wegen seinem MHG? Nur wegen seines MHG! Deutsch sein sehr schwer!!

  • VE
    von E. Jünger

    Kommentar bringt es auf dem Punkt!!!! Bestens! Besser kann man den "geistigen Zustand" der deutschen Innenpolitik nicht in Worte fassen.

  • S
    Sparmaßnahme

    Warum haben wir eigentlich noch so ein Innenministerium? Wer braucht das denn? Kann man das nicht mit "Frauen und Gedöns" zusammenlegen? Das macht die Frau von dem Mann von der ... hier Schmidt ... nee Gerhard ... nee Schröder, genau das macht die Frau von dem doch mit links. Ich mein, der ist ja im Innendings Sekräterparlamentarier, das kann der ihr dann daher noch besser soufflieren als das Frauengedöns.

  • C
    Christine

    Hey Yücselchen,

    da biste ja wieder. Hab ja gesagt, ich kucke mal was Du sonst so machst.Gefällt mir schon besser wie der WM - Frauen - Bashing - Scheiß. Zahl ich doch glatt für. Auch das Interview mit Hannes Stein - cool. Ich glaube wir werden doch noch Freundinnen.

  • V
    vic

    Nun ja, IM Friedrich hat einen schlechten Ruf zu verlieren. Das weiß er zu verhindern.

     

    *Für die Analphabeten: Deniz Yücel heißt der Autor.

  • O
    Octopus

    Mein Kommentar zum Kommentar: Gut gemacht - gut geschrieben!

     

    Das sich die dt. Innenpolitik lächerlich macht ist ja leider nix neues, nur kennen sich die alten Herrschaften wohl so dermaßen schlecht im Bereich des Internets aus, dass die Steilvorlagen hier schier aus dem Boden sprießen.

  • T
    Tazenkiller

    DENIZ YÜSEL, zahl ich nicht :) :) :)

  • T
    T.V.

    Ehrlich gesagt gefiel mir der Personenkult um einen gewissen Herrn Yücel besser als den selbstinszenierten um den anderen Herrn Breivik.

     

    Zeigt doch der Kommentar, daß es immer noch am lehrreichsten ist, so bald als möglich hinter die Kulissen zu schauen.

  • IF
    Innenminister Friedrich

    Es wird Zeit, dass wir anfangen über einen Alarmknopf für Kunstdünger und einen Radiergummi für Schusswaffen zu diskutieren.

  • WJ
    Was jetzt?

    Jaja, irgendwie lustig.

     

    Aber was hat der Autor dagegen, dass die Behörden gegen Islamfeinde im Netz vorgehen? Seine Argumente: Null. Typisch für den Nachwuchs-Broder der taz: Arroganter Zynismus und alberne Witzeleien statt ernsthafte Auseinandersetzzung.

     

    Hallo taz! ihr habt do so viele gute Leute (I. Kappert, R. Misig...) warum lasst ihr so einen wie den Möchtegern-Provokateur Yüzel überhaupt schreiben? Nur wegen seinem MHG?

  • GS
    Gut so!

    Ein Spruch wie "Bundeswehr im Internet" würde auf Facebook oder als Tweet kaum auffallen, als Kommentar in einer Zeitung fällt es sehr auf. Weil meistens gilt leider und leider auch in der taz: Witz findet in Glossen, Kolumnen und anderen Witzreservaten statt, ernste Kommentare zu ernsten Themen sind entsetzlich trocken und langweilig geschrieben.

     

    Deniz Yücel zeigt: Über politische Gegner zu lachen ist immer wirkungsvoller als sich über sie zu ereifern oder über sie zu jammern. Und unterhaltsamer ist es auch.Bitte mehr davon!

  • B
    blakkorange

    herrlich deniz herrlich.... strassensperren an routern fehlt noch..

  • V
    vic

    Schon schallen noch dünne Stimmchen aus dem schwarzem Wald: "Vorratsdatenspeichrung"

    Wie einfallreich, wie vorhersehbar.

  • B
    Bjoern

    "Fußfesseln für Blogger? "

     

    Na also, endlich ist Deniz weiter als bei der Tussi WM.

    Kurz,knapp und witzig !

     

    Danke,Olum.

  • BI
    Bundeswehr im Internet

    Hat das nicht schon jemand gefordert? Oder fast jedenfalls: "SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verlangte mehr Polizisten, die die rechtsextreme Szene im Internet beobachten sollen."

    http://taz.de/!75236/

     

    Keine Satire ist so hart wie die Realität.

  • GT
    G. Threepwood

    Einfach nur: Danke! für diesen Artikel. (Ich könnte noch ergänzen: "Mir aus der Seele gesprochen", "Besser hätt ich's selbst nicht sagen können" oder "Touche!")

  • Y
    Yücel-Fan

    Verlassen kann man sich auch darauf, dass Deniz Yücel zu den besten deutschen Kolumnisten überhaupt gehört, zu den besten der taz sowieso. Mir ist es deshalb unverständlich, weshalb er, wenn nicht gerade eine Fußball-WM ist, so selten schreibt.

  • H
    Horvath

    tenis köpek.Cyne ny kapat!!!

  • LS
    Ludwig Schönenbach

    Seit dem Ende des Kalten Krieges haben politische Klasse und Medien mit dem "Islamismus" ein neues - höchst undifferenziertes - Feindbild und mit dem "Terorrismus" ein weltumspannendes Bedrohungsszenario aufgebaut, um ihre neoliberalen, neokonservativen und neoimperialistischen Ziele leichter und ungestörter erreichen zu können.

     

    Trotz des Scheiterns des Kommunismus ist der Antikommunismus weiter sorgfältig gepflegt worden, um jeden Wunsch nach und jeden Gedanken an soziale Veränderungen im Keime zu ersticken und vom eigenen Mimbus wenigstens die "Rechststaatlichkeit" zu retten

     

    Und sicher gehört auch der "Terror der Kapitals" zu dieser brisanten Mischung!

    Sollte man in diesen Kreisen keine Ahnung davon haben, wie leicht die Ängste und Ressentiments, die sie dadurch erzeugt haben, in Haß und Agrressivität bei den - hierzulande sorgsam kulitivierten - einfachen Gemütern umschlagen kann? Und dass sie angesichts des verteufelten "Linkradikalismus" eher rechts in Erscheinung treten, ist ja auch nicht gerade ein neue Idee!

  • C
    Chris

    Router abschießen ...

  • F
    Friedrich

    Yücsel darf also weiter für die taz schreiben. "Schlampen", "Schwänze", "Muschis" und gefühlte 10.000 wütende Leserkommentare über Sexismus und Rassismus sind also vergessen. Auch wenn ich gegen diesen Text (fast) nichts habe finde ich das nicht gut. Yücsel ist doch selbst so ein gestiger Brandstifter und schreibender Amokläufer.

  • Y
    Yo!

    Yo! Deniz zeigt, dass man auch ein bierernstes Thema unterhaltsam kommentieren kann. Und er zeigt, dass er auf durchaus verschiedene Weise, aber immer amüsant zu schreiben weiß. Wo sind jetzt die politisch korrekten und die politisch inkorrekten Deppen, die noch bei der WM gemeinsam seinen Kopf gefordert haben?