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re:publica-Kongress zu NetzpolitikGeändert hat sich nie etwas

Am Montag startet die dreitägige Digitalkonferenz re:publica in der Berliner Station. In diesem Jahr will sie Europa finden. Na dann, viel Glück.

Finden Sie die politische Aussage auf diesem Laptop. Bild: dpa

Früher, im Schulbus, mussten die Coolen immer hinten, auf der Rückbank sitzen. Auf der re:publica, da steht, wer etwas auf sich hält, auf dem Hof und betont, dass er es den ganzen Tag noch nicht rein geschafft hat. Noch nicht zu einem einzigen Vortrag. Weil man ständig Bekannten über den Weg laufe, mit denen es endlich mal wieder zu schnacken gelte. Und dass dies doch das eigentlich Tolle an der Veranstaltung sei.

Die Veranstalter haben sich in diesem Jahr etwas anderes vorgenommen. Statt irgendeines schwammigen Titels gibt es ein klares Thema: Finding Europe. Wie die europäische Zukunft aussehen kann. Das ist aus politischer Sicht intelligent, werden doch die Regeln für Netzpolitik vor allem in Brüssel gemacht. Die müssen Mitgliedsländer nur noch umsetzen. Was nationale Politiker natürlich ungern thematisieren – wer will sich schon als ausführender Hanswurst von EU-Bürokraten outen?

Es ist ein Thema, das klar die Handschrift des Mannes, der die Re:Publica mitgründet und unermüdlich repräsentiert hat: Markus Beckedahl. Er gehört zum harten Kern von Netzaktivisten, die seit Jahren bei deutschen und europäischen Politikern lobbyieren. Die Pioniertage der Netzpolitik seien vorbei, schreibt er in der Ankündigung seines Talks. „Statt Internet-Erklärbären geht es mehr und mehr um knallharte Interessenpolitik.“

Diskutieren. Mobilisieren. Streiten. Verteidigen.

Bringen wird dieser neue Mobilisierungstritt fürs digitalpolitische Europa allerdings wahrscheinlich wenig.

Weil er zu überpädagogisch ist für eine Konferenz, die immer besser darin geworden ist, immer Themen zu bedienen. Unfokussiert und vielfältig ist sie, wie das Internet selbst: Wird an einer Ecke über Kinder und Coden gesprochen und in einer anderen von Businessfuzzis Business gemacht, finden auch die Politnerds und Aktivisten natürlich ihre Eckchen.

Jedem sein Eckchen

In denen wiederholt wird, was seit Jahren alle wissen und sagen: Netzneutralität ja, Vorratsdatenspeicherung nein, Überwachung und Geheimdienste: pfui, Datenschutzverordnung und Reform des Urheberrechtes: überfällig! Das predigt ein All-Star-Team von Netzaktivisten aus Polen bis Frankreich, die seit Jahren für mehr Vernunft argumentieren. Viele andere EU-Talks sind eher akademisch. Das reicht, um den Chor der bereits Überzeugten zu erreichen. Aber sonst?

Über mehrere Jahre versuchte Sascha Lobo, auf der re:publica das Publikum zu politisieren. Gewandelt vom Digitalevangelisten zum Netzrealisten wütete er: Den Arsch hochkriegen sollten sie, selbst hosten statt zu Facebook gehen, an netzpolitische Organisationen spenden. Knallvoll war es bei seinen Vorträgen immer. Schön aufgepepptalkt gingen die Leute raus. Geändert hat sich nie etwas.

In diesem Jahr hat Lobo abgesagt. Natürlich nicht, ohne das groß öffentlich zu inszenieren. So viel PR-Mensch ist er dann doch noch immer.

Will sagen: Wen Snowden nicht aufgerüttelt hat, der wird einfach sitzen bleiben. Es ist die richtige, aber auch frustrierende Zeit, um mehr Ideen und Zukunft und digitalen Aktivismus für Europa einzufordern. Weil sich alles immer im Kreis dreht. Und tendenziell noch übler wird.

Am ehesten könnten von Panels zum Thema Flucht und Migration Impulse für das Europathema ausgehen.

Nur: Selbst davon kann man natürlich nur etwas mitbekommen, wenn man es über den Hof hinweg schafft. Denn sonst trifft und spricht man natürlich nur, wen und was man ohnehin schon kennt. Und sonnt sich ein wenig, im Kreise der Seinen.

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