Proteste zur Grünen Woche: Aigner attackiert Agrar-Demo
Handeln Anti-Agrarindustrie-Demonstranten rücksichtslos gegenüber den Hungernden in Entwicklungsländern? Das meint die Landwirtschaftsministerin.
BERLIN taz | Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat die Teilnehmer der für Samstag in Berlin geplanten Demonstration "Wir haben es satt! Bauernhöfe statt Agrarindustrie" scharf kritisiert. "Ja, die hier demonstrieren, mögen satt sein, aber eine Milliarde Menschen auf dieser Welt sind es nicht", sagte die CSU-Politikerin am Donnerstag vor Beginn der Messe Grüne Woche in Berlin.
Mit dem Hunger in Entwicklungsländern begründen Aigner und der konservative Bauernverband ihr Plädoyer dafür, auch in Deutschland mehr Kalorien etwa in Form von Fleisch zu produzieren.
"Die Organisatoren dieser Kundgebung schlagen die Schlachten von gestern. Sie protestieren gegen eine Landwirtschaft, in der es noch Butterberge und Milchseen gab. Das ist längst Geschichte. Sie protestieren gegen Subventionen, die in Wahrheit schon längst abgeschafft wurden", fuhr Aigner fort. "Die Landwirtschaft hat sich stark verändert zugunsten der Verbraucher, der Tiere und der Umwelt." Das müssten ihre Gegner endlich wahrnehmen.
Als Beispiel nannte die Ministerin, dass Deutschland schon vor anderen EU-Staaten damit begonnen habe, die Agrarsubventionen pro Hektar Fläche eines Betriebs zu berechnen und nicht mehr etwa pro Tier. Das begünstigt unter anderem Viehhalter, die ihr Futter selbst anbauen.
Demonstranten fühlen sich diffamiert
"Auch die Förderung großer Ställe wurde von Bund und Ländern längst gekappt. Wir konzentrieren uns immer mehr auf kleinere und mittlere Betriebe und fördern auch artgerechte Haltungsformen", so Aigner. Zudem habe die Bundesrepublik schon zwei Jahre früher als die anderen EU-Länder das in Brüssel beschlossene Verbot von Käfigbatterien für Legehennen umgesetzt.
Die Organisatoren der Demonstration wiesen die Kritik zurück. "Frau Aigner hat alle potenziellen Demonstranten diffamiert", sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Hubert Weiger, (BUND), der taz. Sie habe sich offenbar nie mit den globalen Zusammenhängen der Agrarpolitik befasst. Um in Deutschland billiges Fleisch zu produzieren, verdrängten Soja-Monokulturen den Lebensmittelanbau in Hungerländern.
Die Bundesrepublik exportiere vor allem Fleisch, ergänzte BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. "Die Hungernden in den Entwicklungsländern brauchen aber kein deutsches Schweinefleisch, sondern Zugang zu Land und Wasser, um selbst Grundnahrungsmittel zu erzeugen."
Subventionen für die Schweinemast
Die EU produziere zehn Prozent mehr Schweinefleisch und vier Prozent mehr Geflügel, als sie selbst verbraucht. Der Staat leiste Direktzahlungen für die Flächen, auf denen Futter angebaut wird, und subventioniere so sehr wohl die Tiermast.
Die Veranstalter der Demonstration - vor allem Umwelt- und Entwicklungsorganisationen - erwarten nach eigenen Angaben mehr als 10.000 Teilnehmer. An der ersten Auflage der Veranstaltung vor einem Jahr hatten 20.000 Menschen teilgenommen.
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