Australischer Kurienkardinal: Krude Äußerungen zu Missbrauch
Für die Taten von Priestern sei der Vatikan rechtlich nicht zu belangen, meinte George Pell und verglich die Kirche mit einer Speditionsfirma. Opfervertreter sind empört.
SYDNEY afp | Mit einem Vergleich zwischen der katholischen Weltkirche und einem Speditionsunternehmen hat der australische Kurienkardinal George Pell den Zorn von Opfern sexuellen Missbrauchs durch Geistliche auf sich gezogen. Äußerungen Pells zur Verantwortung des Vatikans für solche Übergriffe seien „empörend“, kritisierten Opferorganisationen am Freitag. Der Chef des neu gegründeten vatikanischen Finanzministeriums und frühere Erzbischof von Melbourne und Sydney hatte am Vortag gesagt, der Vatikan sei für Verfehlungen von Priestern rechtlich ebensowenig verantwortlich zu machen wie Unternehmen für Vergehen von Mitarbeitern.
Die Kirche trage zwar eine moralische Schuld gegenüber den Opfern, sagte Pell per Videoschaltung bei einer Sitzung einer australischen Kommission zum Schutz von Kindern vor Missbrauch in Melbourne. Er fügte hinzu: „Wenn ein Lastwagenfahrer eine Frau mitnimmt und sie dann belästigt, glaube ich nicht, dass es angemessen ist, die Unternehmensführung verantwortlich zu machen.“ Dies gelte „gleichermaßen für die Kirche“. „Wenn alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wurden und keine Warnungen vorliegen“, sei es „nicht angemessen, der Führung die rechtliche Schuld anzuhängen“.
„Seine Äußerungen waren empörend“, befand die Vorsitzende der Opferorganisation Adults Surviving Child Abuse, Cathy Kezelman, am Freitag. Pell verfolge weiterhin die Linie des „Wegduckens und Durchschlängelns“. Die Erfahrungen der Opfer in Abrede zu stellen, sei, „wie ein Messer in die Wunde zu stecken und es zu drehen“. Auch die Vorsitzende der Opferorganisation Survivors Network of Those Abused by Priests, Nicky Davis, kritisierte, Pell habe „überhaupt keine Vorstellung davon, was angemessenes oder unangemessenes Verhalten und was angemessene oder unangemessene Worte gegenüber Opfern sind“.
Die katholische Kirche wird seit Jahren durch zahlreiche Missbrauchsfälle weltweit erschüttert. Hunderte Geistliche wurden ihrer Priesterämter enthoben. Nach Angaben des Vatikans wurden den internen Ermittlern im vergangenen Jahrzehnt 3420 Verdachtsfälle gemeldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül