Studie zur Keystone-Pipeline: Das Öl kommt, so oder so
In den USA ist eine Studie über die Umweltauswirkungen der umstrittenen Öl-Pipeline „Keystone XL“ vorgelegt worden. Sie liefert Kritikern wie Befürwortern Argumente.
WASHINGTON taz | Die Umweltverträglichkeitsstudie des US-Außenministeriums über potenzielle Auswirkungen der Öl-Pipeline „Keystone XL“ ist uneindeutig. Einerseits bestätigt die am Freitag vorgelegte Studie, wovor Klimaforscher seit langem warnen: Bei der Ölgewinnung aus den Teersanden im kanadischen Alberta werden 17 Prozent mehr Treibhausgase freigesetzt als bei der konventionellen Ölförderung.
Andererseits nennt die Studie die Klimabelastung durch die Pipeline vernachlässigbar. Begründung: Das Öl in Alberta werde auf jeden Fall aus dem Boden geholt werden. Ob mit oder ohne „Keystone XL“. Falls die Pipeline in die USA nicht gebaut werde, komme das Öl eben auf anderen –möglicherweise umweltschädlicheren – Wegen auf die Weltmärkte.
Die Studie ist der fünfte Bericht der US-Regierung seit „TransCanada“ im Jahr 2008 die Pipeline-Pläne begonnen hat, wird eine neue Welle von Lobbying auslösen. Denn sie ist ein Meilenstein auf dem Weg zu Genehmigung oder Ablehnung des grenzüberschreitenden nördlichen Abschnitts der Pipeline. Beide Seiten werden sich durch die Studie bestätigt sehen.
Im nächsten Schritt müssen sich mehrere Regierungsbehörden zu der Pipeline äußern. Anschließend wird Außenminister John Kerry entscheiden, ob der Bau der Pipeline im „nationalen Interesse“ der USA liegt. Dann kann der US-Präsident sein Machtwort sprechen.
Barack Obama hat im vergangenen Jahr versprochen, – und vergangene Woche bei seiner Rede zur Lage der Nation wiederholt – dass Klimapolitik für ihn Priorität hat. Und er hat erklärt, er werde die Pipeline nur genehmigen, wenn sie die Klimaveränderung „nicht bedeutend verschlimmern“ werde. Doch setzt er sich in seiner Energiepolitik auch für den Ausbau des Mineralölsektors ein – Fracking, extreme Ölförderung und Pipelines inklusive. Derzeit zeigt er mehr Neigung, den Ausbau von Kohlekraftwerken zu stoppen, als die Pipeline zu verhindern.
Verlässliche oder instablie Quellen
„Herr Präsident, keine Verzögerungen und keine Entschuldigungen mehr“, reagierte Mitch McConnell, der Chef der Republikaner im US-Senat, auf die Umweltverträglichkeitsstudie: „Unterschreiben Sie die Genehmigung jetzt.“ In Kanada, wo die Regierung seit Monaten in Washington Druck für den Ölkonzern „TransCanada“ macht, erklärte der Minister für Bodenschätze, Joe Oliver: „Die USA haben jetzt eine klare Wahl zwischen einer verlässlichen Öl-Versorgung von einem umweltverantwortlichen Freund und Nachbarn oder aus instabilen Quellen mit ähnlichen oder höheren Treibhausgas-Effekten und niedrigeren Umweltstandards.“
Die Argumentation, nach der die Verarbeitung von Öl aus den Teersanden in Kanada in US-Raffinerieen „besser“ sei als etwa Öl aus Venezuela, ist in der Kampagne der Pipeline-Befürworter zum zentralen Argument geworden. Und ihr zweites starkes Argument: Arbeitsplätzen. In der Bauphase fänden tatsächlich mehrere Tausend Menschen befristete Jobs entlang der Pipeline. Doch langfristig würde die Pipeline in den USA nur 35 bis 50 Arbeitsplätze schaffen, so Schätzungen.
Pipeline-Gegner haben schon vor Veröffentlichung der Studie Interessenkonflikte kritisiert. Mehrere Autoren der Studie haben vor ihrer Tätigkeit im Außenministerium in den Diensten von „TransCanada“ und anderen Ölkonzernen gestanden. In der US-Behörde läuft eine interne Untersuchung.
Tom Steyer, einer der Geldgeber der Anti-Pipeline-Bewegung, kritisiert auch, dass der Inhalt der Studie in Kanada bekannt war, bevor die US-Regierung ihn vorgestellt hatte. „Dass ein ausländisches Öl-Unternehmen und eine ausländische Regierung vor allen anderen informiert werden zeigt, wie nutzlos diese Studie ist“, sagt er.
Drei Monate oder ein Jahr bis zur Entscheidung
Die großen Umweltgruppen in den USA wollen die Studie dennoch nutzen, um Druck auf Obama zu machen. Trotz „bedeutender Probleme“ zeige die Studie, dass die Kohlendioxid-Verschmutzung die durch die Keystone XL entstehe, ebenso groß sei, wie die von 5,7 Millionen zusätzlichen Autos auf den Straßen der USA, erklärt der Direktor des „Sierra Clubs“, Michael Brune. Er fordert seine Mitglieder dazu auf, Briefe zu schreiben und zu demonstrieren.
Bis zu einer Entscheidung in Washington können drei Monate oder ein ganzes Jahr vergehen. Dabei wird der Druck zu einer Genehmigung nicht nur von Kanada, von Öl-Konzernen und von der republikanischen Partei kommen, sondern auch von Obamas eigener Partei. Demokratischen Politiker aus Ölstaaten wie Louisiana und Alaska stehen bei den Kongresswahlen im November vor einem unsicherem Ausgang.
In Kanadas Teersanden sind Ölkonzerne aus aller Welt involviert, besonders große neue Investitionen kommen aus China. Doch vorerst gehen 97 Prozent von Kanadas Energieexporten in die USA. Wie viel Öl aus den Teersanden Kanada letztlich abbauen wird, hängt von den Rohölpreisen am Weltmarkt ab. Erst ab 100 Dollar pro Barrel lohnt sich die extrem teure Ölgewinnung in den Teersanden.
In den USA, wo die Pipeline-Kritik zu der größten Umweltbewegung der letzten Jahre geworden ist, sagt Bill McKibbe, Gründer von 350.org: „Wir werden herausfinden, ob Kerry und Obama bereit sind, gegen die Öl-Industrie aufzustehen, oder nicht.“
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