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Video der WocheGangbang unter freiem Himmel

In London sind die türkischen Ölringer nicht dabei. Dafür feiern sie jedes Jahr ihr eigenes Olympia an der bulgarischen Grenze. Um Homoerotik geht es natürlich gar nicht.

Wo hat der denn seine Hand? Bild: Screenshot YouTube

Ihre in Olivenöl eingeriebenen Körper glänzen in der glühenden Sonne. Sie wälzen sich auf dem Gras, die Leiber verschlingen sich ineinander. Dutzende von Kämpfern sind anfangs gleichzeitig auf dem Rasen, erst nach und nach dezimiert sich das Klassement. Das Ziel: dem Anderen in den Schritt zu greifen, die Hand unter die ebenfalls in Öl getränkte, zehn oder mehr Kilo schwere, wasserbüffellederne Hose – zu bekommen, sich dort festzuklammern, um dem Gegner schließlich im wahrsten Sinn des Wortes in den Griff zu bekommen.

Gewonnen hat, wer den Gegner hochheben und drei Schritte mit ihm machen kann oder dessen Schultern auf den Boden drückt. Der Wettkampf findet unter freiem Himmel statt, unermüdlich tönen dazu die schrillen Klänge der türkischen Oboe, der zurna, und und das rhythmische Grollen der davul, der orientalischen Trommel, und versetzen die Kämpfer, die pehlivan, und Zuschauer in eine Trance.

Die Rede ist vom Ölringen, dem yağlı güreş, und natürlich ist diese Disziplin keine olympische. Zwar wird bei den Olympischen Spielen durchaus gerungen, im Freistil, der am Wochenende seinem Höhepunkt entgegengeht, und im griechisch-römischen Stil, wo der Wettbewerb bereits beendet ist. Dafür hat das Ölringen jährlich sein eigenes Olympia: die Wettkämpfe von Kırkpınar, die Ende Juni, Anfang Juli auf der Halbinsel Sarayiçi nahe der türkisch-bulgarischen Grenze ausgetragen werden. Deren Geschichte reicht zwar nicht so weit zurück wie die Olympischen Spiele der Antike, aber ist wesentlich älter als die Spiele der Neuzeit. 1361 soll der erste Wettkampf ausgetragen worden sein.

Die Wettkämpfe von Kırkpınar sind ein großes Volksfest, zu dem Ringer und Zuschauer aus dem ganzen Land anreisen und das sich inzwischen auch bei Touristen einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Gut zehn Jahre ist es her, dass Angehörigen der Istanbuler „Bären“ – eine internationale, betont maskuline schwule Subkultur – ankündigten, gemeinsam mit schwulen ausländischen Gästen die Ringkämpfe von Kırkpınar zu besuchen und damit eine bizarre Diskussion auslösten.

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Der damalige Innenminister entblödete sich nicht, eine geheime Verfügung zu erlassen, die schwulen Touristen die Einreise verwehrte. Am Küstenort Kusadasi wurde daraufhin ein Kreuzfahrtschiff mit schwulen Amerikanern zurückgewiesen, und der türkische Staat hatte sich einmal mehr vor aller Welt lächerlich gemacht.

Zu einem offenen gemeinsamen Besuch der Ringkämpfe kam es zwar auch im Folgenden nicht, die Öl-Ringkämpfer aber wurden nie wieder ihren Ruf als Pin-up-Boys los. Wer sich den glitschigen Kampf dieser eng aneinander reibender Leiber sieht, kann leicht verstehen, warum dieser Nationalsport manchem Bären wie ein Gangbang-Open-Air vorkommen muss.

Gerade weil in Kırkpınar niemand offen über Sexualität spricht, man sich offiziell allein zum sportlichen Wettkampf verabredet, kann dieser Sport derart sexuell aufgeladen werden – und keineswegs nicht nur mit homosexuellen Phantasien, wie schon Melina Mercouri in ihrem Film „Topkapi“ aus dem Jahr 1964 zeigte. Auch hier sieht man: Ölringer sind sexy.

Kurz: Im Vergleich zum Ölringen ist Beachvolleyball, den manche für den Inbegriff der Verschmelzung von Sport und Pornographie, von Sporno, halten, eine Leibesertüchtigung für Klosterschüler.

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24 Kommentare

 / 
  • T
    tat

    test

  • B
    Balutschistan

    @Fritz

    "Ölringen = schwul? So ein Quatsch. Der Bericht kann nur ein Sommerlückenfüller sein! Kämpfen bzw. ringen ist etwas Urarchaisches und Männliches!"

     

    Schwul-Sein ist auch etwas urachaisches Männliches. Es heisst einfach nur, auf Männer zu stehen. Und das taten männer schon als sie noch auf den Bäumen sassen wenn du verstehst.

     

    Ölringen an sich kann nicht schwul sein, weil Sportarten keine Lebewesen sind und deshal keine sexuelle Orientierung haben.

     

    Schwul im Sinne von "homoerotisch" ist es aber ohne Frage. Und jeder der was anderes behauptet, ist einfach nur verklemmt.

     

    Aber ne stimmt, an halbnackten, muskulösen, eingeölten Männern die sich grunzend auf dem Boden wälzen und dabei sämtliche Stellungen des mann-männlichen Karmasutras nachstellen, daran ist natürlich überhaupt nichts homoerotisch.

    Für Jiu Jitsu und Mixed Martial Arts und sämtliche Grappling-beinhaltenden Sportarten gilt das auch.

     

    Das sagt aber nichts über die Sexualität der Kämpfer aus und die denken wohl auch nicht an sowas während sie kämpfen, aber dass man nicht viel Phantasie braucht um es homoerotisch zu finden, darüber braucht man wohl kaum zu debattieren.

     

    Mir als Frau gefällt das gut. Ich mag es, wenn Männer die eigene Erotik in Szene setzen, auch wenn es unbewusst ist, und sich nicht nur über die Frau an ihrer Seite definieren und für sich gemommen völlig asexuell wirken und geben.

     

    Und mich amüsiert es immer wieder, wie vehement manche Männer das Offensichtliche abstreiten XD

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ Pehlivan2: Ihr Zitat: "ich verstehe nicht, warum diese Sportart in Verbindung mit Sexualität gebracht wird. Das ist eine traditionall türkische sehr beliebte Sportart. da die Ringer sich mit reich viel Öl schmieren, um so das Ringen zu erschweren, bleibt dem Ringer deshalb nichts andres übrig, entweder in den Schritt zu greifen (...)."

     

    Einfach mal in ca. zwanzig psychoanalytischen Sitzungen darüber frei assoziieren, dann verstehen Sie es vielleicht, warum man diesen Sport auch - wenn auch nicht ausschließlich - (homo-)sexuell konnotieren könnte.

     

    Ich bin ohnehin dafür, jedem Zuwanderer mit islamischem Migrationshintergrund pro Kopf mindestens 100 Psychoanalyse-Sitzungen zu spendieren, aus dem Geldtopf des Steuerzahlers, das würde am Zusammenleben in Deutschland einiges vereinfachen; Selbsterkenntnis und Selbstkritik vermisse ich in dieser Bevölkerungsspezies überproportional oft. (PS: selbstverständlich gibt es auch tumbe Deutsche qua Geburt, denen das nicht schaden könnte....).

  • MR
    Mario Rinder

    hmm des ganze mit Frauen und wahrscheinlich würdens des dann in der Türkei gleich wegen erotisch und so verbieten aber halbnackte eingeölte sexy Männer sind natürlich NICHT erotisch kann ja ned sein na nur ned....

     

    aber finde echt fein mal einen Artikel über unsere südlichen Nachbarn zu lesen der ned irgendwelche Stereotype bedient. Die sollten mal auf Tournee gehen fänd ich toll.

  • V
    vulkansturm

    @Pehlivan

     

    was meinen Sie, wieviele der zuschauenden Familienväter selber schon zumindest in ihrer Jugend schon homosexuelle Erfahrungen hatten.

     

    Habe selber 7 Jahre in der Türkei gelebt und kann Ihnen garantieren, daß es in der Türkei mehr homosexuelle Handlungen (auch zwischen sogenannten "normalen" Männern )gibt als in Deutschland. Das liegt daran, daß Mädchen ja möglichst bis zur Ehe Jungfrauen bleiben sollen. Daher vergnügt man sich dann mit dem eigenen Geschlecht.

  • P
    Pehlivan2

    ich verstehe nicht, warum diese Sportart in Verbindung mit Sexualität gebracht wird. Das ist eine traditionall türkische sehr beliebte Sportart.

    da die Ringer sich mit reich viel Öl schmieren, um so das Ringen zu erschweren, bleibt dem Ringer deshalb nichts andres übrig, entweder in den Schritt zu greifen oder an den Beinen des Gegners zu fassen um so den Gegner zum Sturz zu bringen. Was ist bitte schön hier dran, homoerotisch zu sein. Sowas kann nur Jemand bringen, der von Sport Null-Ahnung hat.

  • D
    dobermann

    ich muss mal ganz blöd fragen: habe ich den text richtig verstanden, das das ziel ist, den gegner am piiieep zu fassen und sich daran fest zu halten?

     

    also die versuchen sich beide, gegenseitig an den geschlechtsorganen zu packen? nette idee, in einer sexuell prüden zeit, doch noch an sein ziel zu kommen:))

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ Pehlivan (11.08.2012, 03:11 h): Zitat: "Die Schwuchtel[n] sollten hier fern bleiben !!! da gehen Familien mit Kindern hin!!!"

     

    Hallo Pehlivan, wenn Sie zu meinesgleichen "Schwuchtel" sagen, dürfte ich Sie dann eigentlich "Kanacke" oder dergleichen nennen? Nein? Warum nicht?

  • E
    Eros

    ... na und???

  • RS
    Richtig so

    Zitat: "Ringen ist etwas Urarchaisches und Männliches" - Homosexualität doch auch! Kann mir kaum was Männlicheres vorstellen, wenn nur Männer im Spiel sind...

    "Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit?" Zielt das nun auf schwulen Sport oder schwulen Sex?

     

    ...irgendwie erscheint mir das ein fließender Übergang zu sein. Hier können türkische Männer eine Körperlichkeit ausleben und zelebrieren, die ihnen die Gesellschaft ansonsten nicht gewährt.

  • P
    peter

    …also wenn das nicht extrem archaisch UND männlich UND homoerotisch ist, dann weiß ich nicht, was sich Familien mit Kindern sonst ansehen sollten, um zu lernen, was Archaik, Männlichkeit und Homoerotik ist.

  • MD
    Martin D.

    auf eurem ersten bild und hier (http://www.vaybee.de/deutsch/channel/lifestyle/76175.php) sieht es so aus als ob sich der eine freiwillig hinten reinfassen läßt. warum wehren die sich nicht, ist doch ein kampf? wenn das mal keine sexuelle intention hat ...

  • E
    erikius

    Schwulen Männern mag beim Zuschauen vielleicht ein Herz aufgehen und vielleicht entwickeln sie auch die ein oder andere Fantasie - das können sie dann auch einfach für sich behalten und den Ringern ihren Sport lassen als das wie sie ihn wohl sehen. Ein Kräftemessen. Nach dem Ringen gehen sie wahrscheinlich nach Hause und sind für ihre Ehefrauen die großen Helden.

    Deutsche neigen leider dazu ihre eigene Weltanschauung einfach auf andere Kulturen unkritisch zu übertragen - die Schwulen (sofern sie diesen Artikel abnicken) sind da offensichtlich keine Ausnahmen. Was diese als homoerotisch auffassen muss für andere nicht gelten. Wer toleriert werden möchte sollte erst mal lernen andere zu tolerieren und ihnen nicht ihre Sicht der Dinge aufdrücken. Zur Toerlanz gehört auch zu akzeptieren, das die Ringevents eben nicht zu einem schwulen Pilgerort umfunktioniert werden wollen.

  • D
    Dhimitry

    Ich finds geil!

  • RS
    Real Sporno

    @Pehlivan

    Wozu um alles in der Welt, muss Mann beim Gegner seinen Arm in dessen Hose versenken? Was hat des Ölringers Hand da zu suchen, am fremden Arsch und Schritt? Ehre hin, Tradition her - Männer berühren sich bei diesem Sport in erogenen Hauptzonen. Er bietet Gelegenheit das Tabu homosexueller Gelüste in einer streng patriarchal-autoritär strukturierten Gesellschaft zu unterlaufen.

     

    Finde ich gut, dass Deniz Yücel so viel Hintern in der Hose hat, darauf schnörkellos und zur Abwechslung mal wieder ohne satirische Windungen und Häme, hinzuweisen. Reschpekt!

  • U
    UNM

    Das Tuerkenwesen ist doch eh total homo. Die jungen Tuerken-Pfaue verbringen Stunden, um sich aufzutucken und die Brauen zu zupfen. Gegenseitiges Begrapschen bei jeder Gelegenheit, Maennerkuesse, Kampfsportarten mit moeglichst viel Koerperkontakt etc... Oh, Freud.

  • B
    bull

    Verdammt noch mal.Muss man denn mittlerweole in alles irgendetwas hineindichten und politisch bewerten?Wir Türken suchen den stärksten Mann.Wer dort gewinnt ist zweifellos einer der stärksten Männer in der Türkei. Um nichts anderes geht es bei diesem Sport. Wer irgendetwas anderes behauptet kann sich ja gerne dort anmelden und es ausprobieren.

  • P
    Pehlivan

    was bitte ist dran schwul ??? Das ist Ringen unter erschwerten Bedingungen ! Hier messen die Männer ihr Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit, hier geht es um Ehre und Tradition!! Die Schwuchtel sollten hier fern bleiben !!! da gehen Familien mit Kindern hin!!!

  • T
    tim

    kann Öko Fritz nur zustimmen. sehe da mitnichten etwas homoerotisches. vor allem wird in der türkischen kultur auch mitnichten ein körperkult darum gefeiert.

  • G
    georg

    ...und das Boxen im Westen ist auch homoerotisch - wird aber als "Sport" akzeptiert.

  • AK
    Adam Kaulborg

    Das olympische Ringen ist meins Erachtens ein Homosport, dementsprechend sehe ich Ölringen als einen Extrem-Homosport.

    So offen wie in der Türkei die latente Homoerotik zur Schau getragen wird, ist schon fast einmalig auf der Welt. Aber das sage ich, da mir keine anderen Erfahrungen bekannt sind.

  • G
    Geschmackssache

    Mega-schwul, so entschlossen und gierig sich die Männer in die Hose langen. Und dazu die eingeölte Haut ...mein lieber Scholli...

  • T
    ting

    Richtig, Öko-Fritz. Sehr, sehr männlich! Da sind sicher keine Frauen erlaubt, weil es so.. ähm.. männlich und archaisch ist :D

  • KF
    Öko Fritz

    Ölringen = schwul? So ein Quatsch. Der Bericht kann nur ein Sommerlückenfüller sein! Kämpfen bzw. ringen ist etwas Urarchaisches und Männliches!