piwik no script img

Netzausbau versus dezentrale VersorgungEnergiestudie kommt später

Ob durch mehr lokale Anlagen der Netzausbau teils vermeidbar wäre? Das soll erst bekannt werden, wenn die Entscheidungen gefallen sind.

Mehr Netz oder weniger? Die guten Argumente bleiben vorläufig unter Verschluss. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Uhr läuft. Noch bis 10. Juli können Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung zum geplanten Ausbau der Stromnetze äußern. Notwendig sind fundierte Informationen. Doch eine umfassende Studie zum Thema will das Umweltbundesamt (UBA), eine Behörde des Bundesumweltministeriums, erst veröffentlichen, wenn die Bürger keine Chance mehr haben, Stellung zu nehmen, und wesentliche Entscheidungen gefallen sind.

Es geht um eine Modellrechnung, die klären soll, ob sich der Industriestandort Deutschland auch dezentral mit Energie versorgen lässt, was den geplanten Netzausbau zum Teil unnötig machen würde. Die Ergebnisse liegen dem UBA nach taz-Informationen seit sieben Monaten vor. Doch herausgegeben werden sie nicht.

Ein Sprecher der Behörde erklärte am Freitag auf Anfrage, sie sei noch nicht endgültig fertiggestellt; man müsse die Ergebnisse „vor Veröffentlichung noch einmal bis in die Fußnoten kritisch prüfen“.

Wenig gelegene Studie

Nach Angaben aus Behördenkreisen soll die Studie wohl erst Ende des Jahres publik gemacht werden, zusammen mit einer weiteren Untersuchung. Dass die Studie zur dezentralen Stromversorgung dann viel zu spät kommt, scheint nicht als Problem gesehen zu werden. Auch nicht beim übergeordneten Bundesumweltministerium: Der Stellungnahme des UBA sei nichts hinzuzufügen hieß es dort.

Fakt ist: Der Regierung käme die Studie vermutlich wenig gelegen. Sie setzt einerseits auf große Windparks in Nord- und Ostsee, andererseits auf neue Kohle- und Gaskraftwerke. Das ist das genaue Gegenteil der „lokal-autarken“ Versorgung, die das UBA untersucht.

In ersten Stellungnahmen zum Netzentwicklungsplan fordern auch manche Bürger ein dezentraleres Energiesystem. Sie hoffen, dass mehr Windräder, Solaranlagen und flexible Miniheizkraftwerke in Süddeutschland tausende Kilometer neue Stromautobahnen überflüssig machen.

Möglichst kein Signal für Fotovoltaik

Besonders das Potenzial der Fotovoltaik hat das UBA in der aktuellen Studie unter die Lupe genommen. Bis 2050 könnten hierzulande zehnmal so viele Solaranlagen installiert werden wie heute, bis zu 275.000 Megawatt, hatte das UBA schon vor zwei Jahren mitgeteilt. Ob das bezahlbar wäre, müsste zusätzlich geprüft werden. Zunächst müsste die Öffentlichkeit aber einmal wissen, wie viel Solarenergie für eine dezentrale Versorgung nötig wäre, und diese Frage ließe sich mit der UBA-Studie beantworten.

Ein starkes Signal für mehr Sonnenenergie von einer Behörde des Umweltministeriums könnte in der Regierung aber neuen Streit auslösen. Wegen der kostspieligen Förderung der Fotovoltaik stellt die FDP mittlerweile das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz infrage.

Unbequem wäre die Studie noch aus einem weiteren Grund. In den Modellrechnungen sollten „alle Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung“ ausgeschöpft werden, hatte das UBA ebenfalls 2010 angekündigt. Die Bundesregierung bekämpft aber seit Monaten eine Richtlinie der EU, die Versorgungsunternehmen zu strengem Energiesparen verpflichten würde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • GL
    Georg Löser

    In einer wachsenden Stromwirtschaft würde man nur noch Kleinheizkraftwerke (heute Blockheizkraftwerke/BHKW oder stromerzeugende Heizungen genannt)zubauen, dann brauche man keine neuen Stromleitungen und könne die BHKWs mit Zuschuß für ihren großen Vorteil belohnen, so im Kern das Ergebnis der Doktorarbeit eines Herrn Tröscher, später RWE-Manager, vor rund 30 Jahren an einer Universität im Ruhrgebiet. Ich erhielt den Hinweis auf diese Arbeit von Stefan Kohler, damals Öko-Institut, jetzt Chef der deutschen Energieagentur dena.

     

    Auf heute bezogen heißt das: Nach dänischem gesetzlichen Vorbild aus den 1980er Jahren möglichst viele/alle Heizkessel auf hocheffiziente Kraftwärmekopplung/KWK bzw. BHKW umstellen, große alte Heizkessel zuerst. Dann kann man den Strom der BHKWs oft sogar ohne extra Brennstoffeinsatz erhalten. In DK wird über 50% des Stroms mit KWK/BHKW erzeugt.

     

    Das Gas zum Betrieb kann eines Jahres vor allem aus dem künftigen zeitweise immensen Überschußstrom aus Sonnen- und Windkraft, wenn wir weiter kräftig solche Anlagen zubauen: Strom zu Gas / power to gas über die von ZSW-IWES und anderen schon erprobte Elektrolyse mit anschließender Sabatier-Reaktion Richtung erdgasidentischem Methan. Die Speicher dafür sind schon da: die Erdgasspeicher und -Pipelines... Also erst mal ein optimales dezentral aufgebautes Energiekonzept und dann prüfen, ob überhaupt neue Stromleitungen nötig sind außer lokaler Anbindung von Windkraft- und PV und Offshorewind. Die vielen solar- und windkraftunterstützten Bioenergiedörfer in Deutschland mit ihren Biogas-BHKWs zeigen auf ihre Weise im ganz Kleinen, wie es geht.

     

    Die Situation einer wachsenden Stromwirtschaft bei Tröscher wäre aktuell im Spiegelbild eine solche, die Atom- und Kohlekraft stillegt. Wenn wir dann im Laufe der Jahrzehnte die Wärmedämmung bei immer mehr Gebäuden verbessert haben, können die nächsten Generationen der BHKWs kleiner werden oder Brennstoffzellen mit hoher Stromkennzahl sein.

  • KN
    Karl Napp

    Nachtigall, ick hör dir trapsen! Das ist doch mal wieder Demokratie (Des Volkes Wille) wie sie im Buche steht: Der Staat (Lt.GG das Volk) ist pleite, aber hinter verschlossenen Türen wird einmal mehr Geldverschwendung beschlossen. Toll!!!

  • J
    Jürgen

    Das nennt man Korruption: Entscheidungen zu treffen die Einzelinteressen dienen, und dem Allgemeinwohl schaden.

  • B
    Bürgerkonsultation

    Mit Verlinkung haben es die taz-Redakteur/innen ja nicht so:

  • VH
    Volker H

    Nun ja es wäre das erstemal das eine Konserative Partei sinnvolle machen würde aber lieber Gewinne für Großkonzerne scheffeln