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Kommentar Sparpolitik in SpanienWie Merkel befiehlt

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

In Spanien ist die Schonfrist für die Bürger vorbei. Das Kürzungsprogramm der konservativen Regierung macht vor nichts halt. So, wie Angela Merkel es will.

W as haben Spaniens Konservative im Wahlkampf nicht alles versprochen. Steuererhöhungen seien ein Tabu, Kürzungen im Schul- und Gesundheitswesen sowieso, und vor allem wollten sie Arbeitsplätze schaffen. Das war vor nicht einmal 100 Tagen. Jetzt ist das alles vergessen. Die politische Schonfrist für die Regierung ist nicht vorbei, die für die Bürger schon.

Das Kürzungsprogramm, das auf die Spanier zukommt macht vor nichts halt. Bis Ende 2013 soll das Defizit von derzeit 8,5 Prozent auf 3 Prozent schrumpfen. So will es Angela Merkel und so hat es ihr ideologischer Kumpane und spanische Amtskollege Mariano Rajoy akzeptiert. Die Sparsumme beläuft sich auf 60 Milliarden Euro. Die gestern bekanntgegebene Liste von 24 staatlichen Unternehmen, die abgewickelt werden, ist nur ein ganz kleiner Teil des Gesamtpaketes.

Längst ist nicht mehr von Schaffung von Arbeitsplätzen die Rede. Die Regierung gesteht ein, dass in diesem Jahr mindestens weitere 600.000 davon verloren gehen werden. Sie addieren sich zu den 5,3 Millionen Arbeitslosen, die Spanien bereits hat. Das sind über 23 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung. Millionen Arbeitslosen bekommen bereits jetzt keine Stütze mehr.

Bild: privat
REINER WANDLER

ist Spanien-Korrespondent der taz.

Eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht. Spanien steckt in der Rezession. Sparen wird die Lage noch verschärfen. Eine Arbeitsmarktreform erleichtert Entlassungen. Alleine die Vorhersage schwerer wirtschaftlicher Zeiten erlaubt es einem Unternehmen Massenentlassungen durchzuführen oder einseitig Löhne zu senken und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Wer nicht damit einverstanden ist, kann sich selbst entlassen - das heißt er nimmt die gesetzliche - ebenfalls zusammengekürzte - Abfindung und geht einer ungewissen Zukunft entgegen.

Merkels Europa-Programm zur Bekämpfung der Krise funktioniert ganz offensichtlich nicht. Warum trotzdem daran festgehalten wird? Die Bundeskanzlerin tut alles, um das Risiko der heimischen Banken auf die EU abzuwälzen. Jetzt wo dieser Prozess abgeschlossen ist, hat der Süden, der sich einst beim Kauf deutscher Produkte mit deutschen Krediten verschuldete, zwei Möglichkeiten: Schlucken oder Gehen.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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11 Kommentare

 / 
  • R
    Rainer

    @von Mirko Malessa:

    Angela wird die erste Europäische Präsidentin. Das ist mein voller Ernst. Die hält keiner mehr auf.

     

     

     

    Machen Sie mir bitte keine Angst,sonst muss ich doch

    noch nach Afrika auswandern!

  • JK
    Juergen K.

    Was ist sparen ?

     

    Sparen ist,

     

    wenn den (Reichen und deren Banken und Fonds,)

    die nichts mehr haben

     

    am Ende nicht nur mehrfache Staatsschulden gehören,

    sondern auch alles Volkseigentum.

     

    Ab jetzt ist es schon theoretisch nicht mehr ausrechenbar,

     

    wann Sklaverei beendet sein könnte.

  • B
    Ben

    Ein bisschen Inflation? Dann streikt man halt für eine Lohnangleichung! Ist ja nicht die Schuld der Spanier oder Griechen, das die deutschen Arbeiter dafür zu blöd?/feige?/nationalistisch? sind.

    Nur die Arbeitslosen können leider nicht streiken, die wären auf Solidaritätsstreiks der Arbeiterklasse angewiesen. Aber wo denke ich hin? wir sind hier schließlich in Deutschland...

  • K
    keetenheuve

    Solange spanischen Spitzenfußballvereinen (angeblich den besten der Welt) Millionen Steuern erlassen werden sollen, geht´s doch noch ganz gut.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    "Millionen Arbeitslosen bekommen bereits jetzt keine Stütze mehr."

     

    Dieser Fall wird in Kuerze auch in Griechenland eintreten.

     

    Zugunsten eines stabilen Euro und sonstiger in Frage stehender Wirtschaftsdaten kann man ja wohl ein paar Millionen Menschen opfern und einfach so auf die Strasse setzen. IN GR gibt es ein Jahr Arbeitslosengeld (weniger als 500 Euro) und ab dann nichts mehr, keine Sozialhilfe, keine Unterstuetzung.

     

    Das die eurofeudalen Schlipstraeger total versagt haben kommt natuerlich keinem in den Sinn, sie duerfen weiterhin ihren Unsinn treiben, bei Gehaeltern und Sicherheiten von denen der gewoehliche Mensch nur traeumen kann. Sushi und edler Wein gegen Suppenkueche und Essensreste aus dem Muell. Private Krankenkasse gegen Ausweglosigkeit, Elend und Freitod.

     

    Ich hoffe das die bereits absehbaren Proteste und Aufstaende diese zynische und menschenunwuerdige Wirtschafts- und Sozialpolitik beenden werden.

  • DS
    Dieter Schwarz

    Da posaunen unsere Regierenden seit 2 Jahren ihre Erfolge in alle Welt hinaus und zwingen den andern Europäern das angeblich so erfolgreiche deutsche Sparmuster auf. Dass diese mediengestützte Außendarstellung der "Schuldenbremse" hierzulande jedoch für die meisten Kommunen und Bürger ein ganz anderes Gesicht zeigt, wollen die geBILDeten Deutschen und ihre Politiker nicht erkennen. Hierzulande ist längst nicht alles bestens, wenn ein Drittel der Beschäftigten in prekären Verhältnissen lebt und kommunale Leistungen für Sozialstaat, Bildung und Kultur rücksichtslos ideologisch zusammengestrichen werden.

     

    In den "sinn"vernebelten Köpfen deutscher Eliten ist kein Platz für die Selbstverständlichkeit, dass bei einer Schuldenbremse nicht nur die Ausgaben gekürzt, sondern auch die Steuern wieder auf ein vorschrödersches Niveau angehoben werden müssen.

     

    Sonst darf man dieses von Merkel als Allheilmittel angepriesene Austerity-Modell, das schon 1932 jämmerlich gescheitert ist, auch anderen nicht aufpropfen.

  • EA
    Enzo Aduro

    An den Autor:

     

    Sie sehen das zu einfach: Auch die Deutschen zahlen Ihren Preis: Über Inflation die kommen wird. "Banken" sind leider keine Gebäude die Verluste tragen können. Wenn eine Bank pleite geht, dann zahlt der Staat. Oder die Sparer. Eigenkapital ist da leider keines drin.

     

    Am Ende ist die Frage folgende: Etwas mehr Inflation, oder etwas mehr Kürzungen in Spanien. Da wird m.E. schon ein Ausgleich getroffen.

     

    Nur das der Inflationsteil mit Verzögerung treffen wird. Nettosparer in Deutschland wird das treffen. Nettogläubiger, wie die immobilienbesitzenden Völker im Süden, werden profitieren.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Blödsinn. In Wirklichkeit werden die Risiken nicht bei der EU, sondern beim deutschen Steuerzahler (über Rettungsschirme und Bundesbank) abgeladen. Und die GIIPS-Staaten sind nicht machtlos, sie kontrollieren die EZB und lockern z.B. Kreditanforderungen und halten Zombie-Banken am Leben.

  • EA
    Enzo Aduro

    Immerhin stimmen wir der teilweisen Entwertung des Euro und damit der Entwertung der Lebensarbeitsleistung underer Bürger zu. Da können wir schon verlangen das man es damit nicht übertreibt.

     

    Denn es wird Inflation geben. Und es gibt schon netative Realzinsen.

     

    Auch wenn die Riesterrente nie ein gutes Produkt war: Seit Draghi "durchdreht" ist es vollkommen bescheuert. Ausgenommen Eigenheimriestern. Aber mittlerweile sind die Immobilienpreise ja angezogen, alles schon eingepreist.

     

    Dem Deutschen Export wird man eine durststrecke nicht ersparen können.

     

    Dem Spanischen Import aber auch nicht.

     

    Die linken können jetzt nicht immer nach "Konjunkturprogrammen" und "Wachstum" krakelen. Wenn es die Rechten sagen, dann sprechen sie selbst immer von "Grenzen des Wachstums".

     

    Die Debatte über die Verteilung des Wohlstands müssen wir führen. Wobei natürlich man gleich vorwarnen muss: Eine Portionen Kaviar, kann man Volkswirtschaftlich nicht durch 100kg Kartoffeln ersetzen. (Nehm mal an kostet gleich viel, "Portion" daher extra vage) In letzterem steckt ein höherer Ressourcenverbrauch. Trotzdem ist die Spanne zwischen Arm und reich zu groß geworden.

  • MM
    Mirko Malessa

    Angela wird die erste Europäische Präsidentin. Das ist mein voller Ernst. Die hält keiner mehr auf.

  • F
    FRITZ

    Quatsch. Das hat mit Angela Merkel gar nichts zu tun. Die Verschuldung der Haushalte, das unklare "Geschäftsmodell" nach dem Ende der ladrillo-Blase, die prekäre Lage der Sparkassen, die Verschuldung der autonomas (Valencia! Andalucia!) und Gemeinden, etc. etc. Das alles sind hausgemachte spanische Probleme, für die Angela Merkel sicher nicht verantwortlich ist.

     

    Zapatero dachte, das Verteilen von Geschenken, finanziert durch nicht nachhaltige Steuereinnahmen und möglichst antibürgerlich-provokante gesellschaftspolitische Mätzchen (ultraliberale Abtreibungsgesetze, Verkauf von spanischer Zentralstaatlichkeit an radikale regionalsozialistische Parteien, etc.) seien ausreichend als Programm. Und die ersten zwei Jahre der spanischen Krise hat er total verschlafen. Erst seit Angela Merkel Zapatero in den Hintern getreten hat, hat er angefangen, zu regieren (der Fortschritt im Bankensektor in Spanien ist neben der Homoehe mE die einzige Errungeschaft seiner fast 9-jährigen Amtszeit, die man nicht sofort wieder rückgängig machen könnte!)

     

    Ohne die tatkräftige Unterstützung von EFSF und vor allem EZB (mit Billigung von Frau Merkel's Regierung!) würde Spanien sich jetzt wahrscheinlich nur noch zu zweistelligen Zinsen refinanzieren können und wäre damit auf absehbare Zeit ein Pleitekandidat.

     

    Was ist den die Alternative hierzu? Noch mehr Prestige-Infrastrukturprojekte? Und wer soll's bezahlen?

     

    Nur den Quatsch aus der angloamerikanischen Wirtschaftpresse und der spanischen la-culpa-es-de-los-demas-Presse abschreiben ist zu wenig!