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Deutsche Raketen für SüdkoreaDie Irrfahrt der "Thor Liberty"

Warum hat ein nicht für Waffentransporte zugelassener Frachter deutsche Raketen für Südkorea an Bord und fährt dann ohne Papiere über Finnland? Die Behörden ermitteln.

Vorläufige Endstation: ein finnischer Hafen in Kotka. Bild: reuters

STOCKHOLM taz | Tatsächlich nur ein paar fehlende Transitpapiere? Die Ermittlungsbehörden in Finnland scheinen nicht recht daran zu glauben. Zur in der vorletzten Woche zufällig entdeckten Waffenladung auf dem Frachter "Thor Liberty" würden die Ermittlungen nun auf weitere Personen ausgedehnt, und man stehe "mit mehreren Ländern in Kontakt", teilte der zuständige Abteilungsleiter der Zollfahndung Petri Lounatmaa am Freitag mit. Das Schiff selbst dürfe Finnland verlassen. Die Patriot-Raketen blieben aber beschlagnahmt.

Die Geschichte dieser merkwürdigen Waffenladung begann vor zwei Wochen in einem heftigen Sturm in der Ostsee. Die "Thor Liberty" geriet bei bis zu zehn Meter hohen Wellen im finnischen Schärengebiet in Seenot. Die Mannschaft hatte offenbar die Orientierung verloren, das Schiff drohte auf Grund zu laufen und bat um Lotsenhilfe. Den an Bord kommenden Lotsen, Kaj Wikberg, informierte man, ohne nähere Einzelheiten zu nennen, es sei "Sprengstoff" an Bord. Wikberg steuerte einen Nothafen an, bis der Sturm zu Ende war.

Im südfinnischen Kotka fiel Hafenarbeitern wenige Tage später das Chaos im Laderaum auf: Mit "Rockets" beschriftete Kisten lagen kreuz und quer herum. Der daraufhin alarmierte Zoll fand 69 Boden-Luft-Raketen vom Typ Patriot aus US-amerikanischer Produktion, für die der Kapitän keine ordnungsgemäßen Papiere vorweisen konnte. Waffenschmuggel nach China lautete der erste Verdacht.

Die Sache schien sich schnell aufzuklären, nachdem sich der deutsche Zoll meldete: Die Raketen stammten aus Bundeswehrbeständen, es habe eine Ausfuhrgenehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz vorgelegen. Die Waffen seien im Hafen Papenburg an Bord gekommen und für Südkorea bestimmt.

Finnland bleibt stur

Der Haken: Es fehlte die für den Zwischenstopp in Finnland erforderliche Transitgenehmigung. Die südkoreanische Botschaft in Helsinki schaltete sich ein und bestätigte, dass die Waffen südkoreanisches Eigentum seien: Finnland solle ihren Weitertransport genehmigen.

Finnland blieb stur, beschlagnahmte die Raketen, ließ sie von Bord bringen und einlagern. In Helsinki ist man offenbar seit der "Arctic Sea"-Geschichte im Sommer 2009 vorsichtig geworden, was mysteriöse Schiffsladungen angeht. Damals war die "Arctic Sea" aus einem finnischen Hafen kommend in der Ostsee angeblich gekapert worden und danach spurlos verschwunden.

Wochen später tauchte das Schiff vor Westafrika wieder auf, wurde dort von der russischen Marine geentert und in einen Schwarzmeerhafen bugsiert. Die vermeintlichen Piraten wurden mittlerweile in Russland zu langen Haftstrafen verurteilt. Was eigentlich an Bord war, ist bis heute nicht geklärt.

Die deutschen Behörden sprechen sich frei: Ihre Verantwortung habe mit dem Verkauf der Raketen geendet. Für den Transport trage allein der Käufer Südkorea die Verantwortung. Doch warum wählte Seoul für die auf einen Wert von 300 Millionen Euro geschätzte Fracht ein für solche Waffentransporte gar nicht zugelassenes Schiff? Warum nahm der Frachter den Weg von Deutschland nach Asien über Finnland?

Warum hatte die mit ukrainischer Besatzung bemannte und in der Isle of Man registrierte "Thor Liberty" eine Ladung von 160 Tonnen Nitroguanidin, eines sowohl für zivile wie militärische Zwecke geeigneten Sprengstoffs, für Schanghai an Bord, von der angeblich die dänische Reederei gar nichts wusste? Fragen, die die finnischen Behörden geklärt haben wollen.

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8 Kommentare

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  • T
    teo

    Mittlerweile ist der Trampfrachter wieder unterwegs. Komischerweise ging der Kurs (lt. AIS-Tracker) nicht direkt in Richtung Nordsee, sondern machte ein paar merkwürdige "Spiralen" in der Nähe von Talin. Umladung auf See? Merkwürdig auch das nächste Ziel: Kiel Canal. Hat die Thor Liberty jetzt die Erlaubnis Gefahrgut durch den NOK zu fahren? Wen interessierts? Aus der Presse ist die Angelegenheit im Prinzip raus und Wulff dominiert.

  • HM
    Hein Mück

    @ Marcus: Die "THOR LIBERTY" sollte in Kotka Ankerketten und eine Papiermaschine für Shanghai (China) laden und kam im Sturm vor der finnischen Schärenküste in Schwierigkeiten, wie der Kotka-Lotse aussagte. Trotzdem ist die Route merkwürdig.

     

    Ferner:

     

    Beschlagnahmte Patriot-Raketen kurz vor der Freigabe?

     

    Während "THOR LIBERTY" offenbar nach wie vor in Kotka liegt (Quelle: AIS (AirNav ShipTrax) laut shipspotting.com), gibt es neue Entwicklungen in Sachen beschlagnahmte Patriot-Raketen:

     

    Nach der Intervention der südkoreanischen Botschaft bei den Hafenbehörden in Kotka sieht es so aus, als ob die in Kotka beschlagnahmten Patriot-Raketen aus deutschen Bundeswehrbeständen demnächst wieder frei gegeben werden.

     

    Dies berichtet Yleisradio Oy.

     

    Die finnische Regierung wird sich nach Angaben des Senders am morgigen Mittwoch mit einem Vorschlag des finnischen Verteidigungsministeriums beschäftigen, ein "Transit Permit" für "Korea´s Defence Acquisition Program Administration" zu gewähren. So steht es laut Yleisradio Oy auf der Tagesordnung der finnischen Regierung für die morgige Sitzung. Weitere Angaben wurden nicht gemacht.

     

    Die südkoreanische "Defence Acquisition Program Administration" ist eine Abteilung im dortigen Verteidigungsministerium, offensichtlich vergleichbar mit dem deutschen Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung.

     

    Quelle: http://www.yle.fi/uutiset/news/2012/01/govt_to_consider_transit_permit_for_patriot_missiles_3148112.html

  • AS
    Alle Schiffe Stoppen!!!

    Es gibt schon lange Schiffe ohne Verbrennungsmotoren. Es ist deshalb ein korruptes und klimafaschistisches Verbrechen, daß Schiffe, die Öl verbrauchen und transportieren immer noch erlaubt sind; Waffenproduzenten sind übrigens für Massaker wie in Lüttich mitverantwortlich.

  • S
    Schweine

    "Piraten vor Westafrika in russischem Kerker" = imperialistische Geiselhaft der Mordmaschine Welthandel.

  • W
    Webmarxist

    Deutschland wollte, mit dem 69 vom ihren wichtigen Verbündeten USA, produzierten Patriot-Raketen, einen anderen wichtigen Verbündeten Amerikas, nämlich Südkorea aufrüsten ,um damit seinen Beitrag zum Korea-Konflikt zu leisten. Rüstungsgüterexporte müssen verboten werden.

  • M
    Marcus

    Was aus dem Artikel nicht ganz hervorgeht ist ob das Schiff ursprünglich in Finnland anlanden wollte oder der zwischenstopp nur aufgrund der Seenot notwendig wurde.

  • V
    vic

    Eigentlich wollte die Bundesregierung diesen Waffendeal- wie die andern- geheim halten. Dumm gelaufen jetzt.

    Schön, dass die Finnen nicht mitspielen wollen.

    Ich denke, Waffentransport ohne gültige Papiere kann man Schmuggel nennen.

  • SL
    Sebastian Lammermann

    Unglaublich!

    Bitte bleibt an der Geschichte dran!