Kristina Schröder und der Linksextremismus: John Lennon im Bundestag
Die Extremismus-Broschüre aus dem Hause Schröder beschäftigt die Opposition. Sie will nun wissen, ob die Bundesregierung „Ton Steine Scherben“ und John Lennon für bedenklich hält.
Die SPD hat noch mal Glück gehabt. Zwar setzt sie sich verdächtigerweise für die „Emanzipation von benachteiligten Menschen“ ein. Aber da, wie der Broschüre “Demokratie stärken - Linksextremismus verhindern“ zu entnehmen ist, „auch andere Gruppen“ dieses Ziel teilen, ist die Sozialdemokratie „nicht als extremistisch einzustufen“.
Und dennoch ist der Abgeordnete Rolf Schwanitz unzufrieden. In einer Kleinen Anfrage will er nun wissen, warum für die Bundesregierung „nicht die Haltung der Sozialdemokratie zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung maßgeblich für die Zuordnung zum Extremismus sei, sondern die Frage, ob sich „auch andere Parteien für die Emanzipation von Benachteiligten“ einsetzten.
Hintergrund der Anfrage ist eine von der Münchener Zeitbild-Stiftung für den Schulunterricht herausgegebene und vom Familienministerin geförderte Broschüre, zu der Ministerin Kristina Schröder das Vorwort beisteuerte. Die Anfrage der SPD umfasst 28 Punkte; sie reichen von der in dieser Broschüre aufgestellten, tatsächlich aber unbewiesenen Behauptung, dass „ein beträchtlicher Teil“ der in Berlin verübten Brandanschläge auf Autos auf Linksradikale zurückgehe bis zur „Qualität der wissenschaftlichen Begleitung“ dieser Publikation durch den umstrittenen Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse.
Besonders interessant: „Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im Blick auf die bekanntgewordene Tätigkeit der braunen Terror-Zelle aus Zwickau die Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus an den Schulen vordringlich ist?“, will Schwanitz wissen. Noch interessanter: Hält die Bundesregierung die Titel „Keine Macht für niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ der Rockgruppe Ton Steine Scherben für bedenklich oder jugendgefährdend? Und wie bewertet sie die Songs „Power to the People“ von John Lennon und „Kinder an die Macht“ von Herbert Grönemeyer?
Auch der Abgeordnete Jan Korte von der Linkspartei hat zu dieser Broschüre eine Kleine Anfrage eingereicht. Die Bundesregierung soll darlegen, ob sie die Einstufung der Tageszeitung Neues Deutschland und der Wochenzeitung Jungle World als linksextremistisch teile und dies gegebenenfalls begründen - schließlich würden beide Blätter nicht in den Bundesverfassungsschzuberichten aufgeführt. Zudem fragt Korte, mit welcher Summe das Ministerium diese Broschüre gefördert habe und in welcher Auflage diese gedruckt und verteilt wurde. Vor knapp sechs Jahren hatte Kristina Schröder noch selbst der Jungle World ein ausführliches Interview gegeben.
Auf eine ähnliche Anfrage der taz von Mitte Dezember verwies ein Sprecher des Ministeriums auf die Zeitbild-Siftung. Auf die Frage, ob das Ministerium auch die taz als linksextremistisch einstufe, wollte man sich nicht äußern. Dem Beirat der Zeitbild-Stiftung gehören unter anderem Bernd M. Michael, der Präsident des Deutschen Marketing-Verbandes, und Hanns-Eberhard Schleyer, der frühere Generalsekretär des Zentralverband des Deutschen Handwerks, an.
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