NPD und NSU: Apfels brauner Kern
NPD-Chef Holger Apfel will nichts mit dem NSU zu tun haben. Doch 1996 demonstrierten er und die späteren Neonazi-Terroristen zusammen für Hitler-Stellvertreter Heß.
BERLIN taz | Der neue, vor einem Monat ins Amt gewählte NPD-Chef Holger Apfel ist schwer um das Image seiner Partei bemüht. Verbindungen zu den Neonaziterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) gibt es nicht, behauptet er. "Wir sehen weder ideell noch politisch den geringsten Berührungspunkt", sagte Apfel vor Kurzem im Sächsischen Landtag, wo er die Fraktion der Rechtsextremen anführt. Diese "irren Verbrecher", so hieß es in Apfels Redemanuskript weiter, hätten "keine Kontakte in die rechte Szene und schon gar nicht zur NPD" gehabt.
Nicht den geringsten Berührungspunkt? Apfel müsste es eigentlich besser wissen. Denn er hat vor 15 Jahren mit den späteren Rechtsterroristen vom NSU schon einmal zusammen demonstriert. Genauer gesagt: Er war ihr Anführer, und sie waren sein Fußvolk.
Am 17. August 1996 waren 200 bis 250 Neonazis zu einer unangemeldeten Kundgebung in Worms aufmarschiert, um dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu huldigen. Über ein Infotelefon hatten sie sich zusammengerufen. Die Polizei hatte auf Kaiserslautern oder Mainz als Aufmarschort getippt, doch die Rechtsextremen trafen sich in Worms.
Nach Angaben des Thüringer Verfassungsschutzes hatten damals auch rund 50 Neonazis aus dem "Thüringer Heimatschutz" in Worms mitdemonstriert - aus jenem Kameradschaftszusammenschluss also, in dem auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ihr Unwesen trieben, die späteren mutmaßlichen Terroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund.
Wie Fotos belegen, die die taz von Antifa-Aktivisten aus Thüringen erhielt, war Beate Zschäpe auch in Worms mit dabei. Sie trägt ein T-Shirt der Marke Lonsdale, die damals in der rechten Szene beliebt war. Auf einem anderen Foto sitzt ein Mann neben ihr, bei dem es sich offenkundig um Uwe Mundlos handelt. Er lächelt.
Eindeutig auf den Fotos zu erkennen ist auch Tino Brandt, Kopf des "Thüringer Heimatschutzes", später Vizelandeschef der NPD - und, wie 2001 bekannt wurde, jahrelang V-Mann des Verfassungsschutzes.
Angeführt hat den Aufmarsch am 17. August 1996 in Worms kein Geringerer als Holger Apfel, zum damaligen Zeitpunkt Bundeschef der NPD-Jugendorganisation JN. Anlass der Neonazidemo war der 9. Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Heß, dessen Selbstmord in der rechtsextremen Szene zum staatlichen Mord umgedichtet wird; ein "Märtyrer des Friedens" ist der Hitler-Stellvertreter für sie.
146 Festnahmen
Dass die Neonazis damals eine gute halbe Stunde lang ungestört Fahnen schwenkend und Parolen grölend durch die Wormser Innenstadt ziehen konnten, wurde in der Szene als Erfolg gefeiert. 146 Neonazis wurden am Ende vorläufig festgenommen, Apfel als Anführer der ungenehmigten Demo landete vor Gericht.
Heute, 15 Jahre später, muss sich der neue NPD-Bundeschef Holger Apfel fragen lassen, ob er und seine Partei wirklich keinerlei "Berührungspunkte" mit diesen "Schwerverbrechern" vom NSU hatte, wie er noch vor Kurzem im Sächsischen Landtag tönte. Oder besser gesagt, wie eng die Verbindungen der NPD zu Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wirklich waren.
Denn dass es sie gab, ist längst nicht mehr zu leugnen. Das ist auch die Frage, die bei der weiteren Diskussion über ein Verbot der rechtsextremen Partei eine entscheidende Rolle spielen wird.
Klar ist, dass sich das Terror-Trio vor seinem Untertauchen immer wieder im Umfeld von JN und NPD tummelte - zuletzt vier Tage vor seinem Verschwinden, am 24. Januar 1998 auf einer Demo der rechtsextremen Partei gegen die Wehrmachtsausstellung in Dresden. "Der Kampf um Deutschland ist noch nicht beendet", rief der damalige NPD-Chef Udo Voigt dort in die Menge. Auf Fotos von der Demo sieht man das spätere Terror-Trio hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Nationalismus - eine Idee sucht Handelnde".
Antifa-Aktivisten notierten damals in Dresden Autonummern von aus Jena angereisten Neonazis, darunter auch das Kennzeichen "J-AH 41" von Böhnhardts Ford Escort. "AH" wie Adolf Hitler.
Unterstützung für die Mörderbande
Entscheidend für ein Verbot wird am Ende freilich vor allem sein, wie viele NPD-Kader nach dem Untertauchen des Trios 1998 in Kontakt mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe standen, von den Taten der Terroristen wussten - oder die Mörderbande gar unterstützten.
In mindestens einem Fall scheint das so gewesen zu sein. Dem vor zwei Wochen festgenommenen früheren NPD-Vizechef von Thüringen, Ralf Wohlleben, wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zu sechs Morden des NSU vor. Nach Überzeugung der Ermittler hat er dem Terror-Trio über einen Kurier eine Waffe samt Munition zukommen lassen. Aber auch die zwei weiteren in U-Haft sitzenden mutmaßlichen Terrorhelfer hatten gute Kontakte zu Kadern der NPD und deren Jugendorganisation JN.
André E. ist der Mann, der das zynische Bekennervideo des NSU hergestellt haben soll. Als er vor zweieinhalb Wochen festgenommen wurde, suchte er gerade auf einem brandenburgischen Hof Unterschlupf bei seinem Zwillingsbruder- der "Stützpunkt"-Leiter der JN in Potsdam ist.
Der mutmaßliche Terrorhelfer Holger G., auf dessen Namen die Täter ein Wohnmobil für einen ihrer Mordausflüge anmieteten, war nach Angaben des niedersächsischen Verfassungsschutzchefs 1999 auf der Hochzeit des Neonazis Thorsten Heise - der später bis in den Bundesvorstand der NPD aufsteigen sollte.
Tag für Tag fallen nun noch mehr Namen, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den Nationalsozialistischen Untergrund stehen, unter anderen auch der des Eisenacher Rechtsextremisten Patrick Wieschke, der vor einem Monat zum "Bundesorganisationsleiter" im Vorstand des neuen NPD-Chefs Apfel gewählt wurde. Ein Beschuldigter soll ausgesagt haben, dass Wieschke Beate Zschäpe Anfang November bei sich zu Hause in Eisenach für eine Nacht aufgenommen hat. Das sei "Unsinn" so Wieschke, seine Freundin könne das bezeugen, außerdem habe er "nie ein einziges Wort mit Frau Zschäpe gewechselt".
Doch warum schlugen dann Polizeihunde in Wieschkes Wohnung an, wie in Ermittlerkreise berichtet wird? Er habe nicht mitbekommen, dass ein Polizeihund in seiner Wohnung war, sagt Wieschke auf Nachfrage. "Und ich bezweifle, dass ein Hund so etwas zweifelsfrei feststellen könnte." Ein gerichtsfester Beweis ist die tierische Spürnase tatsächlich nicht - aber verdächtig bleibt die Sache doch.
Gibt es eine "Gewaltbrücke"?
NPD und NSU: Wie eng sind die Verflechtungen? Das ist die zentrale Frage, die sich auch die deutschen Innenminister stellen. Wenn es eine "logische Gewaltbrücke" zwischen der rechtsextremen Partei und den Terroristen gäbe, formulierte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Freitag in Wiesbaden, würden die Chancen für ein Verbot erheblich steigen.
BKA-Chef Jörg Ziercke hatte auf einer Pressekonferenz eine Woche zuvor in Karlsruhe schon deutlichere Aussagen gewagt: "Wir werden noch weitere Beziehungen zur NPD entdecken", prophezeite er. "Daraus muss dann die Politik die entsprechenden Rückschlüsse ziehen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen