MDR-Intendantenwahl : Hilder schön durchgefallen
Bernd Hilder, Chefredakteur der "Leipziger Volkszeitung", war der Kandidat der Sächsischen Staatskanzlei. Doch nur 12 von 41 MDR- Rundfunkräten wollten ihn als Intendanten.
LEIPZIG dpa | So schön ist der Kandidat der Politik bei einer Intendantenwahl schon lange nicht mehr durchgefallen. Da sollte Bernd Hilder, Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, mit sanftem Druck der Union und besonders der sächsichen Staatskanzlei auf den obersten Posten beim MDR geschoben werden. Und ging plötzlich bei der Wahl im Rundfunkrat der ARD-Anstalt für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt regelrecht unter.
Um den Job zu bekommen, hätte er eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 41 anwesenden Gremienmitglieder gebraucht. Doch jetzt stimmten Zwei-Drittel gegen ihn: Bei nur 12 Ja- bei 29 Nein-Stimmen habe Hilder am Ende einen ziemlich roten Kopf gehabt, berichten Teilnehmer an der wie immer hinter verschlossenen Türen tagenden Rundfunkratssitzung. „Das war vernichtend“, sagte nach der Wahl Rundfunkart Wolfgang Marr, der für den thüringer Journalistenverband in dem Gremium sitzt.
Rote Köpfe gab es nicht nur beim glücklosen LVZ-Chefredakteur, sondern auch beim MDR-Verwaltungsrat. Der hatte Hilder schließlich vorgeschlagen – und sich dabei eindeutig politischem Druck gebeugt. Vier Wahlgänge waren Anfang September nötig, bis Hilder die erforderliche Mehrheit im Gremium hatte und die zunächst favorisierte MDR-Justiziarin Karola Wille ausstach. „Der Verwaltungsrat spielt ein ganz unschickliche Rolle“, sagte Marr, da einige aus dem siebenköpfigen Gremium während der Sitzung Rücksprache mit ihren Landesrgierungen gehalten hätten und nur so das Ergebnis pro Hilder herauskam.
Hilder hat seine Chancen aber auch selbst geschmälert: Er schwieg zu den Vorwürfen, Strohmann des säschischen Staatskanzleichefs Johannes Beermann (CDU) zu sein und ließ Bitten des Rundfunkrats nach einem schriftlichen Konzept für seine Arbeit beim MDR abblitzen. „Das ist keine Art und Weise, wie man miteinander umgeht“, so Marr: „Herr Hilder sprach immer von Transparenz und ist dann an den Gremien vorbeigegangen“. Das deutliche Wahlergebnis sei „ein Sieg der Aufrechten“ und von Rundfunkräten „quer durch alle Reihen, unabhängig von parteipolitischer Orientierung oder gesellschaftlicher Funktion“ getragen.
Dabei hat offenbar auch Hilders angebliche GEZ-Gebührenanmeldung aus dem Jahr 2005 eine Rolle gespielt. Laut dem Formular hatte der damals neu in Leipzig zugezogene LVZ-Chef angekreuzt, bereits Rundfunkgebühren zu zahlen – und handschriftlich ein „leider“ hinzugefügt. In der Rundfunkratssitzung erklärte Hilder laut Teilnehmern zwar, er glaube, dass es sich da um „eine Fälschung“ handele. Konkreten Nachfragen, warum er dann nicht dagegen juristisch vorgehe, wich er aber aus. „Da bleibt ein Makel bei der Geschichte“, kommentierte Marr.
Gute Stimmung
Im skandalgeschüttelten MDR herrschte nach der Wahl bemerkenswert gute Stimmung. Bei der Mehrzahl der MitarbeiterInnen galt von vornherein MDR-Justiziarin Karola Wille als Favoritin um das Amt. Sie war wie der WDR-Mann Helfried Spitra im Verwaltungsrat gegen Hilder unterlegen. Allerdings ist fraglich, ob der Verwaltungsrat jetzt einfach weitermacht und den nächsten Bewerber ins Rennen schickt, oder angesichts der vielen offenen Fragen und Vorwürfe noch einmal ganz von vorn anfängt. Vielleicht auch, in dem der Posten einfach mal öffentlich ausgeschrieben wird. Dass das nicht gehen soll, behauptet nämlich nur – ein Gutachten der sächischen Staatskanzlei.
Deren Chef Johannes Bermann hat nun sein Gesellenstück gründlich vergeigt, und auch Hilder reagierte am Ende leberwurstbeleidigt: Nach der Wahl verschwand er durch die Hintertür, um die wartenden JournalistInnen zu meiden, und ließ über dpa später ausrichten: „Schade. Gerne hätte ich dem MDR geholfen, aus seiner Krise herauszukommen“. Zumindest der Rundfunkrat hat gestern wichtige Weichen gestellt, dass der MDR das vielleicht auch allein schafft. Denn die alte Garde ist so gut wie weg: Nach den Sitzungen standen gestern nachmittag noch Häppchen und die Verabschiedung von MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze auf dem Programm, der sowohl beim Kika-Millionenbetrug wie beim aktuellesten Skandal um den geschassten MDR-Unterhaltungschef Udo Foht eine undurchsichtige Rolle spielt. Fohts Stelle ist übrigens unter Kennziffer 059/2011 ganz frisch ausgeschrieben – Bewerbungsschluss ist der 12. Oktober. Beim Intendanten wird’s noch etwas länger dauern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau